×

Der Gefängnisalltag im Sennhof

Nur wenige gehen freiwillig ins Gefängnis. Die beiden Journalisten, Lara Marty und Romano Thomann, taten es.

Patrick
Kuoni
18.06.17 - 01:07 Uhr
Leben & Freizeit
Romano Thomann und Lara Marty blickten in den Churer Sennhof.
Romano Thomann und Lara Marty blickten in den Churer Sennhof.
THEO GSTÖHL

Die Justizvollzugsanstalt Sennhof in Chur feiert in diesem Jahr ihr 200-Jahr-Jubiläum. 34 Angestellte arbeiten heute dort, bis zu 57 Verbrecher können inhaftiert werden. Doch wie sieht der Gefängnisalltag hinter den alten Mauern aus? Dieser Frage gingen «Südostschweiz»-Redaktorin Lara Marty und Kameramann Romano Thomann nach. Sie haben einen Tag lang den Sennhof besucht. Nächste Woche werden die Ergebnisse auf Radio- und TV-Südostschweiz, sowie auf «suedostschweiz.ch» ausgestrahlt.

Lara Marty, was waren Deine ersten Gedanken beim Betreten des Gefängnisses?

Lara Marty: Das war schon ein spezielles Gefühl. Von der Churer Innenstadt, über der in den frühen Morgenstunden langsam die Sonne aufgeht, direkt in schmale, düstere Gänge, die nach kaltem Rauch riechen. Den Häftlingen wurde bei unserer Ankunft gerade das Morgenessen verteilt. Wir schauten den Wärtern bei der Essensausgabe über die Schultern. Die Wärterin rief «Zmorga», dann ging ein Fensterchen auf, Männerhände kamen zum Vorschein und nahmen das gereichte Brot an sich. Die Gefangenen assen dann in der Zelle. Die Essensausgabe am Morgen dient vor allem zur Lebenskontrolle, hat uns ein Wärter erklärt. Die Insassen müssen nicht zwingend frühstücken, aber sie müssen ein Lebenszeichen von sich geben und ihre Medikamente vor den Wärtern einnehmen, falls sie welche brauchen. 

Konntet Du selber einen Blick in eine Gefängniszelle werfen?

Ja, aber in einer 8,4 Quadratmeter grossen Zellen gibt es nicht wirklich viel zu sehen. Darin ist nur das absolut Nötigste vorhanden. Auch die Arrestzellen wurden uns gezeigt. Das ist ein Betonraum, der nur mit zwei Betonklötzen ausgestattet ist. Einer dient als Tisch, der andere als Bett. Und das WC ist ein Loch am Boden der Zelle. Das habe ich so nicht erwartet. 

Hattet Ihr auch Kontakt zu den Gefängnisinsassen?

Wir hatten ziemlich nahen Kontakt zu den Insassen. Wir durften sie bei der Arbeit in der Schreinerei, der Industrie oder auch in der Küche begleiten. Klar macht man sich dann Gedanken, weshalb sie wohl hier gelandet sind. Gespräche durften aber keine stattfinden. Einige von ihnen haben immer wieder versucht Spässe mit uns zu machen, sie fanden es aufregend dass jemand mit Kamera mit Mikrophon im Sennhof unterwegs ist. Bei anderen Insassen kam das nicht gut an. Sie murmelten uns mürrisch an oder gingen uns aus dem Weg, obwohl wir sie aus Persönlichkeitsschutz sowieso nicht filmen durften und auch nicht wollten, bei den Dreharbeiten ging es vor allem um den Alltag der Angestellten.  

Wie wurde Eure Sicherheit gewährleistet?

Uns begleitete jederzeit ein Wärter. Er sorgte einerseits für unsere Sicherheit und war anderseits auch für die Kontrolle unserer Filmaufnahmen zuständig. Wie bereits erwähnt: Gesichter der Häftlinge durften wir nicht filmen. Der Wärter war eine Respektsperson für die Häftlinge, das merkten wir und fühlten uns somit auch sicher. 

Gab es trotzdem eine Situation, in der Ihr Euch nicht so wohl gefühlt habt?

Gegen Abend konnten wir noch einen Blick in die Räumlichkeiten der Ausschaffungshaft werfen. Ein paar der abgewiesenen Flüchtlinge spielten friedlich Tischfussball. Noch während den Interviews erzählte ein Angestellter, dass die Stimmung hier blitzartig kippen könne. Das haben wir wenig später hautnah miterlebt. Als ein junger Mann, der auf seine Ausschaffung wartet, unsere Kamera und das Mikrofon sah, ist er plötzlich ausgetickt. Er redete auf uns ein, wie unfair es sei, dass er gehen müsse und hat uns mit Fluchwörtern eingedeckt. Er dachte wohl, dass wir live übertragen würden und sah es als eine Gelegenheit seinen Frust öffentlich loszuwerden. Für uns war es ein Schockmoment, für die Angestellten vom Sennhof eine Alltagssituation die es immer wieder ruhig und gelassen zu bewältigen gilt.

 

Die Wochenserie zum Sennhof wird ab Montag, 19. Juni jeweils um 12.50 Uhr auf Radio Südostschweiz gesendet und ist ab 18.00 Uhr auch auf TV Südostschweiz zu sehen. 

Patrick Kuoni ist Redaktor und Produzent bei Südostschweiz Print/Online. Er berichtet über Geschehnisse aus dem Kanton Graubünden. Der Schwerpunkt seiner Berichterstattung liegt auf den Themenbereichen Politik, Wirtschaft und Tourismus. Wenn er nicht an einer Geschichte schreibt, ist er als einer der Tagesverantwortlichen für die Zeitung «Südostschweiz» tätig. Patrick Kuoni ist in Igis (heutige Gemeinde Landquart) aufgewachsen und seit April 2018 fester Teil der Medienfamilie Südostschweiz. Mehr Infos

Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.
Mehr zu Leben & Freizeit MEHR