«Die Landsgemeinde zu leiten, war ein emotionaler Moment»
Nach über 40 Jahren in der Politik und mehr als 20 Jahren im Regierungsrat verabschiedet sich Röbi Marti in den Ruhestand. Mit der «Südostschweiz» zieht er Bilanz, erinnert sich an Highlights und Herausforderungen und erzählt, wie sich die Politik im Kanton verändert hat.
Nach über 40 Jahren in der Politik und mehr als 20 Jahren im Regierungsrat verabschiedet sich Röbi Marti in den Ruhestand. Mit der «Südostschweiz» zieht er Bilanz, erinnert sich an Highlights und Herausforderungen und erzählt, wie sich die Politik im Kanton verändert hat.

«Die Krawatte ziehe ich nicht mehr an», sagt Noch-Regierungsrat Röbi Marti und begrüsst den «Südostschweiz»-Fotografen entspannt zum Abschlussinterview. Fast schon etwas im Ruhestands-Modus. Nur an eines habe er sich auch nach über 20 Jahren als Regierungsrat nicht gewöhnen können: «Fotografiert zu werden. Das ist für mich immer noch das Schwerste an solchen Terminen.»
Herr Marti. Den Fotografen werden Sie also nicht hinterhertrauern ... Gibt es denn etwas anderes, das Sie vermissen werden?
RÖBI MARTI: Meine Mitarbeiter werden mir sicher fehlen. Mit ihnen hatte ich es all die Jahre wirklich gut. Sonst bin ich mir aber sicher: Es ist der perfekte Zeitpunkt, um mich nach über 40 Jahren aus der Politik zurückzuziehen. Ich freue mich sehr auf den nächsten Lebensabschnitt.
Was soll zukünftig wieder mehr Platz in Ihrem Leben haben?
Ich habe drei Enkel. Denen möchte ich mich mehr widmen. Dann habe ich in Braunwald eine kleine Wohnung, in der ich wieder mehr Zeit verbringen will. Ausserdem sollte ich wohl auch wieder mehr Sport machen (fasst sich an den Bauch). Langweilig wird mir sicher nicht. Zeit zu haben, ist ein Geschenk für mich.
Umwelt, Bauen, Forst und Energie ... Themen, die viel Zündstoff bieten. Ist Ihr Departement das anspruchsvollste im Kanton?
Das zu sagen, wäre wohl vermessen. Aber es ist sicher das Departement, in dem man am meisten im Schaufenster steht. Wo die Leute direkt etwas von einem wollen und betroffen sind. Zum Beispiel bei Baugesuchen. Dadurch ist die Arbeit hier äusserst anspruchsvoll, aber auch lebendig.
Haben Sie sich manchmal zurück ins Sozial- oder Justizdepartement gewünscht?
Nein. Als ich das Departement Bau und Umwelt übernommen habe, hatte ich ja bereits viel Erfahrung aus den anderen Departementen. Rückblickend war das sehr hilfreich. So gesehen, war die Anfangszeit im Sozialdepartement, in dem ich meine ersten Erfahrungen als Regierungsrat sammeln durfte, für mich nicht weniger anspruchsvoll. Denn wissen Sie ... bevor man Regierungsrat wird, muss man ja keine Eignungsprüfung machen ... da muss man erst reinwachsen.
Wie geeignet finden Sie denn Ihren Nachfolger?
Ich bin überzeugt, er wird es gut machen. Er hat ein gut funktionierendes Departement mit guten Mitarbeitern. Wir arbeiten ihn gerade ein. Klar ist: Wenn man ein solch breit gefächertes Schlüsseldepartement übernimmt, muss man erst mal eine längere Weile zuhören und zusehen, bis man hinter die Dinge blickt. Und vielleicht ist es gar nicht so schlecht, wenn da jetzt mal jemand kommt, der im Kanton noch nicht jeden und jede kennt.
Zu den grössten Erfolgen im Departement Bau und Umwelt zählt sicher, dass Sie die Umfahrung Näfels baureif gemacht haben ...
Ja, das stimmt. Als im September 2016 der Bundesgerichtsentscheid zur Umfahrung in Näfels gekommen ist, war das für mich ein absolutes Highlight. Auch, weil die Riesen-Arbeit aller Mitarbeiter damit gewürdigt wurde. Wir hatten dazu meterweise Bundesordner.
Worauf sind Sie noch stolz?
Ich freue mich, dass die Stichstrasse im Herbst gebaut werden kann und sich der Richtplan in der finalen Phase befindet. Ein Highlight war auch die Fertigstellung von Linthal 2015 – ein Projekt, in das wir sehr viel Arbeit gesteckt haben. Sicher auch damals die Spitalsanierung und -erweiterung. Stolz bin ich auch, dass ich ohne grösseren Skandal durch die 21 Regierungsjahre gehen durfte.
Was war Ihr emotionalster Moment im Amt?
Das war ganz klar, als ich 2006 die Landsgemeinde, und vor allem 2007 die ausserordentliche Landsgemeinde leiten durfte. Das hat mich – als sonst eher trockenen Typen – doch stark berührt. Da stehen etwa 14 000 Leute an einem tristen Novembertag auf dem Landsgemeindeplatz. Sind bereit, an der Entwicklung unserer Heimat mitzuarbeiten. Und ich durfte diese Versammlung leiten, war angespannt und wusste nicht, was kommt. Als ich die Leute dann mit meiner Anfangsrede sogar noch zum Lachen bringen konnte ... Das war schon bewegend.
Gab es auch Momente, in denen Sie vom Stimmvolk enttäuscht waren?
Natürlich ist man nicht happy, wenn Entscheide anders ausfallen, als man es sich gewünscht hat. Aber nein. Enttäuscht war ich nicht. Die Mehrheit des Volkes entscheidet. Dafür haben wir ja eine Demokratie. Und da muss man sich am Ende auch manchmal selbst an der Nase nehmen.
Sie haben viele Erfolge feiern dürfen, hinterlassen Ihrem Nachfolger aber auch einige pendente Themen. So müsste eigentlich schon seit Ihrem Amtsantritt ein neues Wassergesetz her. Warum haben auch Sie sich nie wirklich an dieses heisse Eisen getraut?
Es ist tatsächlich ein schwieriges Thema. Es kam auf den Tisch, als man 2005 vermehrt Sparmassnahmen ins Auge fasste. Denn der Kanton schöpft ja aktuell nur die Hälfte des Wasserzinses ab. Doch schon mein Vorgänger Pankraz Freitag musste merken, dass der Widerstand der Profiteure, also der Kraftwerkbetreiber, enorm ist.
Sehen Sie denn keinen Grund, das Wassergesetz zu ändern?
Vor zehn Jahren hätte ich noch gesagt: Wir brauchen den Paradigmenwechsel. Zum jetzigen Zeitpunkt sage ich aber aus tiefster Überzeugung: nein. Es gibt für mich keinen Grund, das Wassergesetz zu ändern. Die Wasserzinsthematik ist schweizweit stark am Brodeln. Ich würde da jetzt erst mal die Entwicklungen auf Bundesebene abwarten.
Das Ausweisen der Fruchtfolgeflächen hat sich ähnlich lang hingezogen. Dadurch sind Firmen wie Lidl, die sich im Glarnerland niederlassen wollten, in andere Kantone gegangen. War es Ihnen nie schade um die etwa 350 Arbeitsplätze, die beispielsweise durch ein Lidl-Verteilzentrum geschaffen worden wären?
Nein. Denn an der Stelle, wo Lidl damals hinwollte, wäre es raumplanerisch nicht optimal gewesen. Damals hat man sich einfach an jedem Strohhalm festgehalten. Heute würde man ein solches Zentrum dort vielleicht bereuen. Ich weiss zum Beispiel auch nicht, ob man so ein Einkaufszentrum wie den Krumm heute noch mal bauen würde ...
Aber der Parkplatz ist immer voll ...
Ja, da haben Sie recht. Und das überrascht mich auch heute noch. Raumplanerisch ist es aber doch ein Mist, wenn man so eine Boxengasse quasi ans Ende eines Dorfes stellt. Da finde ich den Wiggispark, allein schon von der Ausnutzung her, viel innovativer.
Sie haben mit vielen Regierungsräten zusammengearbeitet. Wie hat sich die Arbeit im Gremium über die Jahre verändert?
Ich sage es mal so ... Die Arbeit ist in den 21 Jahren ganz anders geworden, aber nicht schlechter.
Wie meinen Sie das?
Man hat heute zwar viel mehr Druck, erreicht dafür aber auch mehr.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Früher hat man in seiner Legislaturplanung einfach mal aufgelistet, was man machen will. Da standen dann zum Beispiel zehn Strassenbauprojekte. Am Ende der Legislatur ist man vor den Landrat getreten und hat erzählt, was man davon tatsächlich geschafft hat. Meistens hiess es: Ja, ist gut. Heute hingegen wird man gefragt: Was hast du von den geplanten Projekten nicht geschafft? Und daran wird man dann gemessen.
Und warum ist das besser?
Heute muss man bei der Legislaturplanung hinterlegen, wie viele Ressourcen man für die jeweiligen Projekte braucht. Und dann wissen die Kollegen im Landrat: Gewisse Sachen kosten einfach Geld. Vor 20 Jahren hätte ich mich doch geniert zu sagen, dass ich für ein Projekt mehr Leute brauche. Auch, wenn ich in Arbeit ertrunken bin. Aber man hat halt dafür auch weniger Druck gehabt. Hat nur das gemacht, was man schafft.
Mehr Druck – auch von öffentlicher Seite? Ihr Verhältnis zu den Medien war ja nicht immer einfach. Nach dem Tod von Redaktionsleiter Ruedi Hertach, einem sehr guten Freund von Ihnen, konnte es aber auch nur schlechter werden, oder?
Ja, das stimmt wohl. Ich war da schon sehr verwöhnt. Ruedi Hertach war mein bester Kollege. Insgesamt würde ich daher eher sagen: Alles in allem hatte ich es immer gut mit den Medien. Am Anfang wahrscheinlich zu gut. Und Ruedi war auch immer etwas der Anwalt der Verwaltung. Mit seinem intelligenten Näschen hat er etwas so biegen können, dass es am Ende für alle gut war.
Und das ist nun anders geworden?
Ja, schon. Aber man bekommt mit der Zeit auch eine dickere Haut. Am Ende ist es auch ein Geben und Nehmen. Und wie ich Ihnen vorhin gesagt habe ... Manchmal muss man sich an der eigenen Nase packen. Und es ist auch okay, wenn das die Presse gelegentlich für einen macht. Geärgert hab ich mich nur, wenn Grundregeln nicht eingehalten wurden. Wenn es brennt, kann man ja meinetwegen schreiben: «War nicht erreichbar.» Aber doch nicht, wenn es um Lappalien geht. Da kann man auch mal ein, zwei Tage auf eine Antwort warten. Am Ende muss man es aber auch aushalten können, wenn man mal durchgezogen wird.
Sie sind als SVPler ins Amt gewählt worden, treten aber als BPDler aus. Haben Sie den Wechsel mal bereut?
Nein. Ich muss auch rückblickend sagen: Die giftelnde, grobe Art war eigentlich nie meins. Und von daher finde ich schon, dass es die Spaltung geben musste. Anfangs war ich ja für die SVP der jüngste, herzigste, beste Typ. Später dann eine Reizfigur. Schon speziell, oder?
Bei Bauprojekten wie Strassen und grösseren Gebäuden ...
Bei den Bauprojekten muss man den Zeithorizont im Blick haben. Es gibt immer noch Leute, die glauben, bei einem Tiefbauwerk könnte man morgen anfangen zu bauen. Aber das ist schlichtweg nicht möglich. Man sagt heute, dass man bei einem Strassenstück, zu dem es keine Einsprachen oder Beschwerden gibt, mit sieben bis acht Jahren rechnen muss.
Veränderungen zu früher ...
Verändert hat sich, dass der Schritt zur Justiz viel schneller gemacht ist als früher. Allein wenn ich sehe, was wir für Beschwerden und Einsprachen bearbeiten müssen. Die Rechtsmittel werden definitiv mehr ergriffen.
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