Die Frau mit dem Ring: Wieso Gabriela Lutz-Tuor auf die Zahl 999 schwört
Wenn an Weihnachten nicht nur die Häuser geschmückt werden, sondern auch die Finger. Wie die Emserin Gabriela Lutz-Tuor zur Schmuckmacherin wurde, erzählt sie im Gespräch mit der «Büwo».
Wenn an Weihnachten nicht nur die Häuser geschmückt werden, sondern auch die Finger. Wie die Emserin Gabriela Lutz-Tuor zur Schmuckmacherin wurde, erzählt sie im Gespräch mit der «Büwo».
Von Lara Buchli
«Sobald ich ihn einmal vergessen habe oder bewusst nicht trage, fehlt einfach etwas. Ich fühle mich dann so nackt.» Es handelt sich hierbei um einen Ring. Ein ganz besonderer Ring für Gabriela Lutz-Tuor. «Wenn ich das Haus verlasse, ziehe ich, wie jeder normale Mensch, meine Schuhe an, eine Jacke und zusätzlich noch meine Ringe.» Einer davon sticht besonders heraus. Eine grosse silberfarbene Blume entfaltet sich auf ihrem rechten Mittelfinger. Obendrauf hockt ein kleiner, ebenfalls silbriger Schmetterling. Sie spielt gedankenverloren daran herum, während sie erzählt. Dieser Blumenring sei ihr Markenzeichen, sagt Gabriela Lutz-Tuor und lächelt verträumt. Viele Leute kennen die Emserin auch wirklich nur wegen eben genau diesem Schmuckstück. Wenn sie ihn einmal nicht trage, falle es ihr direkt auf, denn der Ring hat ein gewisses Gewicht. Tatsächlich und metaphorisch.
Handarbeit
Doch wer verbirgt sich hinter der fröhlichen Frau mit den kurzen Haaren und dem Ring? «Ich habe vor Jahren einmal eine Ausstellung besucht, an der handgefertigter Silberschmuck zu sehen war.» Dort haben die Leute ihr gezeigt, was man mit den unterschiedlichen Materialien und Vorgehensweisen noch alles machen kann. «‹Noch dära Usstellig isches verbii gsi mit miar› und ich wollte alles darüber wissen.» Laut der Emserin sei so eine Ausstellung etwas Grossartiges. Man sehe immer wieder Sachen, die man noch gar nicht ausprobiert habe und auch noch interessant fände. «Man sieht hier noch etwas und könnte da noch etwas. Es gibt einfach unendlich viele Möglichkeiten.» Und das gefalle ihr so besonders an ihrer Tätigkeit. Handarbeit. Grundsätzlich mache sie nie zweimal dasselbe Motiv – vor allem nicht bei ihrem Blumenring. Jeder Ring sei individuell, auch wenn er die gleiche Ausgangslage hatte. Von Hand gefertigt könne gar nicht jeder Ring genau gleich werden, das sei einfach nicht möglich. Doch wie genau kommen die Ringe und anderen Schmuckstücke der Emserin überhaupt zu Stande?
«ArtClay»: Silber-Knete
«Ich arbeite grundsätzlich nur mit ‹ArtClay›. Das fühlt sich an wie Knete», erzählt sie und reicht ein wenig der gräulichen Masse über den Tisch, hinter dem sie an diesem Morgen sitzt. Der Klumpen fühlt sich weich an auf der Handfläche und ein wenig klebrig. Es erinnert tatsächlich an die Knete, mit der man als Kind gerne gespielt hat. Gabriela Lutz-Tuor erklärt, um was es sich hierbei handelt: «Das hier ist eine Masse aus winzigen, recycelten Silberpartikeln, gemischt mit Wasser und einem Bindemittel.» Daraus kann anschliessend ein Motiv geformt werden. Entweder von Hand oder mithilfe von vorgefertigten Förmchen. Durch den «Cupcake und Motivtorten-Boom», wie sie diese vergangene Zeit lächelnd nennt, hat es jede Menge unterschiedliche Formen gegeben, die Gabriela Lutz-Tuor perfekt für ihren Silberschmuck verwenden kann. Das fertig geformte Motiv wird dann von Hand geschliffen, im Ofen gebrannt und anschliessend poliert, bis es silbrig glänzt. Das Besondere bei diesem Vorgang ist, dass die Masse sich ein wenig zusammenzieht und während des Trocknens schrumpft. Für den Vergleich legt die Emserin zwei kleine geformte Silber-Bienen vor sich auf die Tischplatte. Die eine Biene ist matt und die andere ein wenig kleiner und glänzt silbern. Die Emserin meint: «Wenn man noch nie damit gearbeitet hat, kann man sich wahrscheinlich nicht so gut vorstellen, dass aus dem hier», sie nimmt wieder die Knetmasse in die Hand, «einmal ein Ring aus Echtsilber werden kann.» Und damit hat sie absolut recht.
Fingerspitzengefühl
Bei zu dünnen und feinen Motiven kann es schnell einmal passieren, dass die Form bricht. «Silber ist ein sehr weiches Material und das hier, welches ich für meinen Schmuck brauche, ist sogenanntes 999-Silber, also sehr fein.» 925-Silber, welches man aus dem Laden kennt, sei hingegen ein wenig fester. Auch die Modelliermasse gebe es als 950-Silber, damit könne man noch feinere Arbeiten herstellen. Die Emserin arbeitet aber am liebsten mit Feinsilber. Dünne, feine Ringe macht sie aus Silberdraht.
Dann gebe es noch das Silberschmieden. Sie steht auf, geht durch den kleinen Raum mit den grellen, senfgelben Wänden und bleibt vor einem Regal stehen. Kurzerhand kommt sie mit einem kleinen Gegenstand wieder. Ein weiterer Ring. Dieser ist um einiges kleiner und schmaler als ihr Blumenring und hat in der Mitte einen Stein. Er wirkt fast schon zerbrechlich. «Die Fassung vom Stein obendrauf ist aus 999-Silber und den Ring an sich habe ich aus 925-Silber angefertigt.»
Doch die Emserin arbeitet nicht immer alleine und sie verkauft auch nicht nur Schmuck. Sie ist gleichzeitig auch Lehrerin. Kursleiterin, um genauer zu sein. An unterschiedlich langen Kursen bringt sie den Menschen bei, wie man mit Knete wunderschönen Silberschmuck herstellen kann. Das läuft dann in etwa so ab: «Die Kursteilnehmenden kommen zu mir und bereiten am Vormittag alle groben Arbeiten vor. Dann gibt es eine einstündige Mittagspause und am Nachmittag werden die Feinheiten an den jeweiligen Schmuckstücken gemacht.» Während der Mittagspause können die Formen trocknen, deshalb plant die Emserin auch immer eine etwas längere Zeit ein, in der sich die Kursteilnehmenden um etwas anderes kümmern. Sie können ihr Endprodukt noch am selben Tag mit nach Hause nehmen. Doch auch für die, die handwerklich nicht so begabt sind, ist gesorgt: In Gabriela Lutz-Tuor's Online-Shop gibt es jede Menge Auswahl an Silberschmuck und anderen individuell, von Hand gefertigten Schmuckstücken.
Von der Idee zum fertigen Produkt gibt es nicht so viele Schritte bei Gabriela Lutz-Tuor. Eigentlich nur einen: Machen. «Skizzen sind für mich das Schlimmste», meint die Emserin und lacht. Sie habe vor Kurzem einen Kurs bei einem Goldschmied gemacht, wo sie auch skizzieren musste und das habe ihr überhaupt nicht gelegen. Meistens habe sie die Ideen im Kopf oder sehe im Internet ein «Fötali», das ihr gefalle und dann versuche sie, ihre Interpretation davon als Schmuckstück umzusetzen. Meistens komme es dann sowieso ganz anders als erwartet. Sie habe sich auch schon an Projekte gewagt, die nach hinten losgegangen sind. Offene Ringe. «Haiaiai, die wollen einfach nicht so, wie ich es gerne hätte», scherzt die Emserin. Die Masse, mit der sie arbeitet, sei viel zu «gstabig» und eigne sich nicht für solche offenen Ringe. «ArtClay» sei einfach nicht die richtige Art und Weise für so feine und präzise Arbeiten, meint Gabriela Lutz-Tuor und zuckt mit den Schultern.
Doch man kann nicht einfach von heute auf morgen Silberschmuck verkaufen. Dafür braucht es ihn: den Stempel. Die sogenannte Eintragungsbescheinigung der Verantwortlichkeitsmarke, welche man beim Zentralamt für Edelmetallkontrolle erhält. Dieser Stempel dient als Nachweis, dass man wirklich echten Silberschmuck verkauft und dies auch vom Bund abgesegnet wurde.
Den Abdruck des Stempels kann man meistens auf der Innenseite eines Ringes erkennen. «Wahrscheinlich sieht man die Zahl 925 am häufigsten», meint Gabriela Lutz-Tuor. Dazu kommt noch ihr persönlicher Stempel auf all ihre Schmuckstücke. Zwei winzig kleine Buchstaben: LG. «Das ist gleichzeitig auch mein Logo», so die Emserin.
Der ominöse Stempel
«Die meisten Leute halten diesen Stempelabdruck für einen Produktionsfehler oder einen Ausrutscher, da dieser so klein ist und von blossem Auge kaum zu sehen ist.» Anders wie ihr Blumenring, der auffällig gross und nicht zu übersehen ist. «Doch dabei muss dieser Abdruck genau dort hin», erklärt sie und setzt ein breites Grinsen auf.
Wenn man also das nächste Mal auf einem Markt unterwegs ist und jemanden sieht, der oder die Silberschmuck verkauft, darf man ruhig auch mal nach dem Stempel verlangen, um sicherzugehen, dass das auch ja kein Betrug ist.
Ein bisschen Silber gefällig?
Gabriela Lutz-Tuor wohnhaft in Domat/Ems, hat im Untergeschoss ihres eigenen Zuhauses ein Atelier: ihr eigenes kleines Reich. Dort bietet sie unter anderem verschiedene Kurse an. Die perfekte Geschenkidee für einen gemütlichen Samstag zusammen mit Freunden und Freundinnen. Man muss aber nicht unbedingt nach Ems, sondern kann auch in der Klubschule Migros Chur einen Kurs bei ihr besuchen. Ausserdem kann man sich ihre Schmuckstücke bald auch am Weihnachtsmarkt in Chur ansehen und sich ein Bild von ihrer Arbeit machen.
Mehr zu Gabriela Lutz-Tuor und ihren Kursen www.gabrielas.ch
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