Landquarter Polsterei haucht 160-jährigen Möbeln neues Leben ein
Mit alter Handwerkskunst werden in Landquart antike Möbel für das «Post Hotel Löwe» in Mulegns restauriert und dank eines besonderen Designer-Stoffs zu echten Schmuckstücken.
Mit alter Handwerkskunst werden in Landquart antike Möbel für das «Post Hotel Löwe» in Mulegns restauriert und dank eines besonderen Designer-Stoffs zu echten Schmuckstücken.
Von Andri Dürst
Sofa, Diwan oder Gutschi – für das allseits bekannte Möbel gibt es viele Bezeichnungen. Es ist nicht nur bequem, sondern wird von Kindern zuweilen auch als Hüpfburg missbraucht. Besonders amüsant ist das, wenn die Polsterung aus guten, alten Sprungfedern statt aus modernem Schaumstoff besteht. Doch die alte Technik diene weniger dem amüsanten Hüpfen, sondern viel mehr dem Komfort und der Langlebigkeit, erklärt Reto Pingeon. Er ist Inhaber von Raum Raetia, einer Polsterei in Landquart. Und derzeit stehen in seiner Werkstatt ganz viele Sitzmöbel mit solchen Sprungfedern. Momentan darf seine Firma nämlich sechs Stühle, vier Sessel und zwei Sofas für das historische «Post Hotel Löwe» in Mulegns aufarbeiten.
Von Designerhand geschaffen
Während links im Raum das Rattern einer Nähmaschine zu hören ist, klopft rechts ein Hammer. Verschiedene Angestellte von Raum Raetia sind derzeit daran, den aus den 1860er-Jahren stammenden Möbeln neues Leben einzuhauchen. Dabei bleibt eigentlich nur die Holzkonstruktion erhalten, alles andere wird ausgetauscht, und zwar nach alter Handwerksmanier. «Als wir die Möbel in Mulegns abholten, waren die Bezüge schon recht abgenutzt und die Polster durchgesessen», erklärt der Inhaber. Nun also wird alles wieder neu aufgebaut – mit einem besonderen «Touch». «Das Design für die Bezüge stammt von Martin Leuthold, einem der bekanntesten Textildesigner aus der Haute Couture, der für die Neugestaltung des ‹Post Hotel Löwe› verantwortlich zeichnet.» Und tatsächlich: Die neuen Stoffe sehen aussergewöhnlich aus. Blumen und andere Ornamente zieren den gelben Stoff. Sie sind eine Neuinterpretation der Belle Époque und spielen mit deren Opulenz und Eleganz – ein Design auf die Spitze getrieben, könnte man sagen. «Die Möbel gehören zum sogenannten Fürstenzimmer und passen zum dortigen Design», weiss der Raum-Raetia-Chef. Es sei übrigens nicht der erste Auftrag, den man für Origen – das ist die Kulturinstitution, die hinter der Sanierung des «Löwen» steckt – machen dürfe.
Rosshaar und Kokosfasern
Das Aufarbeiten von alten Sitzmöbeln ist für das Team von Raum Raetia an sich nichts Ungewöhnliches – im Showroom steht beispielsweise ein Sessel aus den 1950er-Jahren, der mit einem modernen Bezug ausgestattet wurde. Doch die Möbel aus Mulegns sind eine Besonderheit, da sie sehr alt sind. Das Know-how für die Restauration der Möbel sei durchaus noch vorhanden, gehöre aber nicht mehr zum Alltag einer Polsterei, meint Reto Pingeon. Schaut man den Angestellten in der Werkstatt über die Schultern, so staunt man, wie flink sie die verschiedenen Arbeitsschritte vollziehen. «Beim Aufarbeiten eines alten Sessels ist die ganze Bandbreite des Handwerks gefragt: Einige Schritte erfordern viel Kraft, andere wiederum viel Fingerspitzengefühl. Besonders beim Montieren der Sprungfedern sind die Muckis gefordert: Die metallenen Drahtgeflechte werden auf ein Tuch aus rauem Zwilchstoff gestellt und dann mit einer speziellen Technik verknüpft. Eine spezielle Technik ist auch beim Montieren der Garnierschicht gefragt. Diese wird montiert, sobald die Federn verknüpft und mit Rosshaar ummantelt wurden. «Besonders die Ecken des Sessels müssen robust sein», gibt der Polstereiinhaber zu bedenken. Eine Angestellte zeigt derweil, wie es geht: Mit einer langen Rundnadel vernäht sie eine Ecke des jutteartigen Stoffs, aus dem die Garnierschicht besteht.
Nicht ganz ohne Tücken
Später kommen noch eine Schicht Rosshaar sowie Kokosfasern auf die Garnierschicht, um Unebenheiten auszugleichen. Dann wird das Ganze mit einem Leinentuch bezogen. Eigentlich sieht dann so ein Möbel schon fast fertig aus. Doch das Wichtigste fehlt noch, nämlich der eigentliche Bezug. Auch bei diesem Arbeitsschritt ist Konzentration gefragt: Eine Angestellte zeigt, wie der Rand des Deckstoffs am Holz des Stuhls befestigt wird. Sie schlägt dazu eng aufeinanderfolgend sogenannte Ziernägel ein. Keine einfache Aufgabe, da das Holz recht hart ist. «Bei alten Möbeln gibt es manchmal auch schon so viele Löcher, sodass wir fast nicht mehr wissen, wo wir die neuen Nägel noch einschlagen sollen», sagt Reto Pingeon und grinst. Doch auch für solche Fälle ist man bei Raum Raetia gerüstet. Kein Wunder, hat sich die Firma mittlerweile einen Namen in der Hotellerie gemacht und darf des Öfteren Möbel aus Gästehäusern restaurieren. Trotzdem – die Sessel und das Sofa aus dem «Post Hotel Löwe» sind und bleiben etwas Besonderes. Und wer weiss, vielleicht halten sie ja nochmals 160 Jahre, ehe sie wieder in eine Polsterei kommen.
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