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Wie Davos das «gemeine Volk» mit Uhren versorgte

In Winterthur ist ab kommendem Samstag eine Ausstellung über die Davoser Holzräderuhr zu sehen. Kernstück der Schau sind 35 Originaluhren.

Südostschweiz
15.09.10 - 02:00 Uhr
Zeitung

Winterthur/Davos. – Zwischen 1668 und 1839 hat sich im Raum Davos ein eigenständiger Zweig innerhalb der Schweizer Holzräder-Uhrmacherei entwickelt. Das Bedürfnis nach ei- ner erschwinglichen, nach dem Geschmack der Leute gefertigten, eigenen Uhr kam auch bei weniger wohlhabenden Personen auf.Die Uhrensammlung Kellenberger im Gewerbemuseum in Winterthur präsentiert ab kommendem Samstag 35 dieser rustikalen, angesehenen und beliebten Exponate. Sie vermitteln laut einer Mitteilung einen Überblick zu diesem eigenwilligen Schaffen in Davos. Erstmals erlaubt eine Ausstellung einen derart breiten Einblick in diese spezifische Werkgruppe der Schweizer Holzräder-Uhrmacherei.

Eine Familie im Vorteil

Die Familie Ambühl aus dem Sertigtal hatte das Zeug dazu, die Davoser Uhren zu bauen. Voraussetzung war: eine Eisenuhr aus Chur als Vorbild zu haben, auswärts erlerntes und in der Familie tradiertes Fachwissen zu besitzen und über gute lokale Werkstoffe sowie grosses handwerkliches Können zu verfügen.Die Konstruktion der Davoser Holzräderuhr entspricht dem hölzernen Nachbau einer Eisenuhr des frühen 17. Jahrhunderts, gekleidet in ein Holzgehäuse mit rustikal geschnittenem und volkstümlich verziertem Zifferblatt. Jede Uhr bezeugt das Baujahr in grossen, kunstvollen gotischen Lettern auf dem Giebelfuss. Während der über 170 Jahre, in denen die Davoser Uhr erhältlich war, wurde im Wesentlichen dieselbe Konstruktion inklusive der Radunruh mit dem ungenauen Gang beibehalten. Dies, obwohl die Uhr technisch schon zu Beginn «veraltet» war, denn bereits Mitte des 17. Jahrhunderts wurden in England und Holland viel exaktere Uhren mit Pendel gebaut.Die Züge sind aus Lärchenholz gearbeitet, das übrige Werkgestell aus Arve, und für die Räder wurde Bergbirke verwendet. Bei den frühesten bekannten Davoser Uhren gleicht der noch girlandenartig geschnittene Giebel auffällig den Ornamenten der als Vorbild dienenden Eisenuhr. Der etwas später folgende, eigenwillig geformte typische Giebel, als Bourbonenlilie und Steinbockshörner gedeutet, entspricht wohl vereinfachten barocken Ornamenten. Der Giebel ist mit einfachen Linien oder Punkten geschmückt.Die konzentrische Konstruktion für Stunden- und Viertelstundenzeiger war zwar längst erfunden, jedoch für Holzuhren zu kompliziert. Deshalb haben bei der Davoser Uhr der Stunden- und Viertelstundenzeiger nach alter Art je ein eigenes Zifferblatt, beide mit römischen Ziffern. Der griffig geformte Viertelstundenzeiger dient auch zum Nachstellen der Uhr. Der schlanke Stundenzeiger ist als Zeigerhand und Mond am Gegenende geschnitzt und sitzt direkt der Weckerscheibe auf. Diese ist Teil des Stundenrads, das bei den frühesten grossen Uhren mit Wecker noch offen sichtbar ist, ganz nach Art früher gotischer Eisenuhren.

Schwarzwälderuhr als Konkurrenz

Die Davoser Holzräderuhr hatte einen regionalen Markt, der durch die Saumwege über Wolfgang-, Flüela-, Scaletta- und Strelapass ins Prätti-gau, Oberengadin sowie ins Schanfigg erschlossen war. Mit dem Bau der Bündner Passstrassen im 19. Jahrhundert und dem Aufkommen der ab etwa 1820 industriell hergestellten Schwarzwälderuhr endete die Blütezeit der Davoser Holzräderuhr. (so)

«Die Davoser Holzräderuhr – Ura Tavo», Vernissage: Samstag, 18. September, 16 Uhr. Bis 20. Februar 2011. Uhrensammlung Kellenberger im Gewerbemuseum Winterthur. Weitere Informationen unter www.uhrensammlung.ch.

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