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«Vielleicht erwarte ich einen Exploit in Adelboden sogar»

Swiss-Ski hat sich am Dienstag zur Misere des alpinen Schweizer Männer-Ski-Teams geäussert. Cheftrainer Osi Inglin ist aber überzeugt, dass es wieder aufwärts geht und hofft auf einen Exploit in Adelboden. «Ich erwarte den sogar», sagt er.

Südostschweiz
12.01.13 - 01:00 Uhr

Von Jürg Sigel

Ski alpin. – Osi Inglin hat im Frühjahr 2011 die Nachfolge von Martin Rufener als Cheftrainer des alpinen Schweizer Männer-Ski-Teams angetreten. Zuvor kümmerte sich Inglin seit 2006 am Sportgymnasium Davos um die alpinen Skifahrer. Bereits zwischen 1993 und 2002 war er als Trainer Swiss-Ski angestellt und wurde auch im Männer-Weltcup eingesetzt. 2005/06 war Inglin verantwortlich für das Frauenteam.

2011 verkündete Swiss-Ski, mit Inglin den eingeschlagenen, erfolgreichen Weg weiterzugehen. Inzwischen ist vom Erfolg früherer Jahre nur die Erinnerung geblieben. Die Männer-Truppe steckt in einem bösen Tief. Das ist nicht die Schuld Inglins. Die jetzige Situation war, wenn auch nicht so extrem, vorhersehbar. Inglin wusste, auf was er sich einlässt, als er vor zwei Jahren den Job annahm. Doch der 44-Jährige ist überzeugt, dass wieder bessere Zeiten anbrechen – mit ihm als Cheftrainer. In Adelboden erwartet er an diesem Wochenende sogar einen Exploir.

«... dann ist man eben dort, wo wir aktuell stehen»

Osi Inglin, was sagen Sie als Cheftrainer zum Tief der Schweizer Männer?

Osi Inglin: Im Skirennsport sind gewisse prognostische Abschätzungen nicht sehr schwierig. Ich war mir bewusst, dass 2012/13 und 2013/14 durch den bevorstehenden Rücktritt von Didier Cuche und anderen Abgängen ein Substanzverlust eintreten kann. Denn bei der nächsten Generation, in der wir eine Breite haben, handelt es sich um die Jahrgänge 1992 und jünger. So gesehen war die problematische Saison, in der wir uns jetzt befinden, vorhersehbar.

Die Rückschläge sind aber doch krass.

Ja, von der Heftigkeit bin ich überrascht. Andererseits war ich mir bewusst, dass wir uns während zwei Jahren auf extrem dünnem Eis bewegen werden. Dann kamen noch einzelne Schicksalsschläge wie die Verletzung von Beat Feuz dazu, was das Ganze zusätzlich dramatisierte. So oder so habe ich mir nie einzureden versucht, dass es im selben Stil weitergehen könnte, wie wir letzte Saison aufgehört haben.

Der Start in den Winter war schwach, ein Aufwärtstrend ist nicht erkennbar. Kann man im Skirennsport während der Saison wirklich nicht reagieren?

Dass kein Aufwärtstrend ersichtlich ist, muss ich bestätigen. Es gibt einige Ausnahmen, Fahrer, die sich in die richtige Richtung bewegen. Generell befinden wir uns aber in einer Negativspirale, aus der herauszufinden schwer ist. Um auf höchstem Niveau mithalten zu können, ist grosses Selbstvertrauen erforderlich. Wenn dieses nur ein bisschen nicht vorhanden ist, dann befindet man sich eben dort, wo wir aktuell stehen. Das internationale Level ganz vorne ist extrem hoch. Wenn da ein Mosaiksteinchen fehlt, sprich die Überzeugung und momentan eine gewisse Lockerheit, kann man nur versuchen, einerseits über gute Trainings und andererseit über ein allfälliges Erfolgserlebnis die Zuversicht zurückzugewinnen. Gelingt dies, kann es sehr schnell wieder einen Schritt vorwärtsgehen.

Wird dies bald der Fall sein?

Es ist eine Kunst von allen involvierten Trainern und Betreuern, weiterhin an die Athleten zu glauben, auch wenn dies vielleicht sechs Millionen Schweizer derzeit nicht tun. Jeder Fahrer arbeitet hart, konsequent und zielorientiert, um wieder in die Top 10 zu gelangen und sich dann in Richtung Podest zu bewegen.

Der Cheftrainer hat den Mut also nicht verloren und ist von der Wende überzeugt?

Man muss daran glauben, darf aber nicht träumen. Wir müssen uns an der Realität orientieren. Alle wissen, dass es sehr schwierig ist, gerade in Adelboden. Nichtsdestotrotz hoffe ich hier auf einen Exploit. Vielleicht erwarte ich einen solchen sogar, obwohl wir im Riesenslalom der Weltspitze schon seit Jahren ein bisschen hinterherhinken. Im Slalom sind wir noch etwas weit hinten, als Gruppe funktionieren wir aber. Sowohl in Adelboden als auch eine Woche später in Wengen ist eine positive Überraschung nicht auszuschliessen.

Es wird hart gearbeitet, die Speedgruppe führt derzeit spezifische Trainings durch. Was genau wird getan?

Wir wissen, wo die Hebel anzusetzen sind. Wir wissen, wo wir in den Rennen viel Zeit einbüssen. Diese momentanen Trainings sind ein Schritt, oder ein kleiner Schritt, um eine bessere Situation zu erreichen. Wir erhoffen uns, dass dadurch eine gewisse Sicherheit und das Selbstvertrauen zurückkehren, die dem Athleten helfen, im Wettkampf mutiger, frecher und mit mehr Überzeugung ans Werk zu gehen.

Hat man vielleicht zu lange gewartet, um zu versuchen, das Steuer herumzureissen?

Der Skirennsport ist ein ehrlicher Sport in dem Sinn, dass Feuerwehrübungen in der Regel nichts bewirken. Wir können nicht plötzlich einen neuen Trainer und zwei Spieler einkaufen, wie dies im Fussball und Eishockey getan wird. Der Skirennsport funktioniert anders, da muss alles auf lange Zeit mit einer gewissen Systematik geplant werden. Eine Hau-Ruck-Aktion würde die Schweizer Skirennfahrer nicht unverzüglich wieder aufs Podest führen.

«Ich bange nicht um meinen Job»

Blicken wir ein bisschen voraus Richtung Februar. Haben Sie keine Angst vor einem Schweizer WM-Debakel in Schladming?

Angst ist im Skirennsport der schlechteste Begleiter. Es wäre komplett daneben, wenn ich sagen würde, dass dieses Szenario eintreten könnte. Es wäre aber auch falsch, mit der Möglichkeit einer Nullnummer zu rechnen. Wir werden in Schladming nicht die Favoriten sein, doch Grossevents haben immer einen eigenen Charakter. Die Athleten müssen an der WM mit der Überzeugung an den Start gehen, etwas leisten zu können. Wenn einer eine andere Einstellung mitnimmt, ist er dort am falschen Ort. An einer WM etwas leisten heisst, eine Medaille zu holen. Fertig, aus.

Apropos Angst. Sie bangen auch nicht um Ihren Job?

Definitiv nicht. Wie erwähnt, wusste ich um die Probleme, die auf uns zukommen können und nun auch auf uns zukamen. Bei den Vertragsverhandlungen habe ich ausbedungen, dass wir eine längerfristige Zusammenarbeit anstreben. Ich verstehe, wenn Trainerdiskussionen geführt werden. Aber Angst habe ich wirklich nicht. Ich bin mit Herzblut dabei, mit Überzeugung, aber auch mit einem Konzept, von dem ich überzeugt bin, dass wir längerfristig wieder Erfolge werden feiern dürfen. Dazu gehört, dass wir die Jungen möglichst schnell an den Weltcup heranführen. Nicht dass sie im Fokus stehen, sondern damit sie auf dieser Stufe schnuppern können.

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