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Theaterproben in den Bündner Bergen

Die Dreharbeiten sorgten nicht nur in Graubünden für Aufsehen: Nach der Premiere an den diesjährigen Filmfestspielen in Cannes startet «Sils Maria» diese Woche schweizweit in den Kinos.

Südostschweiz
18.12.14 - 01:00 Uhr

nadine hilzinger

Nacktbilder von Juliette Binoche, die sie beim Baden im Silsersee mit Filmpartnerin Kristen Stewart in Unterwäsche zeigen, landeten weltweit in der Boulevardpresse und verbreiteten sich gewohnt rasant online.

Dabei ist wenig Sensationelles an den Bildern und ihr Informationsgehalt mehr als fraglich. Zwei Frauen, die ihrer Arbeit nachgehen, dafür unverhältnismässig grosse Aufmerksamkeit erhalten, dabei nicht selten vor allem auf ihr Äusseres reduziert werden und zu Belustigung der Massen auch abseits des Filmsets unter Beobachtung stehen.

Maria in Sils Maria

Das galt einst auch für die gefeierte Schauspielerin Maria Enders (Juliette Binoche). Zwanzig Jahre nach ihrem Durchbruch in der Rolle als junge Verführerin Sigrid in «Maloja Snake», soll es nun zu einer Wiederaufnahme des Theaterstücks kommen. Dieses Mal allerdings wird sie den Part der Verführten Helena mimen, die an der Liebe zu einer jungen Frau zu Grunde geht.

Gemeinsam mit ihrer Assistentin Valentine (Kristen Stewart) zieht sich Maria zum Rollenstudium ins Oberengadin zurück. Im Haus des verstorbenen Autors macht sie sich gewissenhaft an die Arbeit. Sie wandert mit ihrer jungen Assistentin durch die Bündner Bergwelt, quält sich mit Erinnerungen, hadert, kämpft mit der Gegenwart und hält nach der Maloja-Schlange Ausschau, die sich zunächst lediglich in einem Archivausschnitt («Das Wolkenphänomen von Maloja», 1924,von Bergfilm-Pionier Arnold Fanck) zeigt.

Mal trivial, mal tiefgründig

Die meteorologische Besonderheit wird in der Erzählung quasi zur Schlange, die sich selbst in den Schwanz beisst. Zum mystischen Symbol für die Handlung, das Vergangenheit und Gegenwart verschlingt und doch kaum Relevanz besitzt. Die Landschaft und das Haus in Sils Maria werden zur Dunkelkammer, die die Aussenwelt ausschliesst, um zu entwickeln, was zu einem anderen Zeitpunkt längst aufgenommen wurde. Die Branche, in der das Spiel mit der Wirklichkeit zum Alltagsgeschäft gehört, in der Fiktion und Realität vermischt werden und Aufrichtigkeit unter einer dicken Schicht Make-up getragen wird, bespiegelt sich hier vor allem selbst.

Der eigentliche Coup von «Sils Maria» ist seine Besetzung, die das Spiel auf der Metaebene erst interessant macht. Hollywoods Jungstar Kristen Stewart, die sich abseits des Blockbuster-Kinos freizuspielen sucht hier, da die arrivierte französische Arthouse-Grösse Juliette Binoche, die erst gar nicht gegen ihr Image anzukämpfen hat. Die Gespräche über die Schauspielerei, den Starrummel, die Skandälchen und den Medienhype im Zeitalter der schnell verfügbaren Bilder, der aus dem Nichts Karrieren schaffen und zerstören kann, bieten den Schauspielerinnen eine willkommene Bühne.

Richtig lebendig wird’s mit dem Auftauchen von Chloë Grace Moretz, die als Nachwuchstalent Jo-Ann Ellis eine neue Dynamik bringt. Olivier Assayas’ «Sils Maria» wird so zum immer detailreicheren Vexierbild, dem allerdings zwischen Tiefgründigkeit und Trivialität der Zauber allmählich abhanden kommt.

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