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Schneider-Ammanns erster grosser Test

Die Auswirkungen der Euro-krise auf die Schweiz fordert auch den Bundesrat, allen voran Volkswirtschaftsminister Johann Schneider-Ammann. Eine Analyse.

Südostschweiz
24.06.11 - 02:00 Uhr

Von Christof Forster

Bern. – Was Bundesrat Johann Schneider-Ammann auch sagt, es wird ihm fast reflexartig um die Ohren geschlagen. Seine Idee, bloss zu prüfen, ob der Tiger-Teilersatz vorzuziehen sei, weil so Schweizer Firmen schneller von Gegengeschäften profitieren könnten, machte tags drauf prompt negative Schlagzeilen auf Radio DRS. Der Vorschlag sei ohne Absprache mit seiner Partei und dem Gesamt-Bundesrat erfolgt, lautete der Tenor der Kritik.

Die Rüge ist unverständlich: Der Volkswirtschaftsminister hatte am Mittwoch einen guten Auftritt. Überzeugend legte er dar, wie sich der Bundesrat mit der Eurokrise und ihren Auswirkungen auf die Schweiz auseinandersetzt. Kein einziges Mal musste er auf das Wissen von Seco-Chefökonom Aymo Brunetti zurückgreifen. Die Wechselfälle des Schweizer Frankens sind ihm hinlänglich bekannt aus seiner Zeit als Export-Unternehmer und Präsident des Verbands der Maschinenindustriellen (Swissmem).

Bekanntes Terrain

Die Eurokrise ist Schneider-Ammanns erster grosser Test nach dem Wechsel in den Bundesrat. Bislang ist er durch eine lange Einarbeitungszeit und kommunikative Schwächen, zum Beispiel beim Atom-Ausstieg, aufgefallen. Beim Euro bewegt er sich jetzt auf bekanntem Terrain. Inzwischen hat er erkannt, dass die Lage bei den Exporteuren sehr angespannt ist. Diese Einsicht sei vor drei Monaten in seinem Departement noch nicht gefestigt gewesen, heisst es in der Exportbranche. Er versuche sicher nicht, die Situation zu beschwichtigen, sagten die Gewerkschaften.

Der Volkswirtschaftsminister befindet sich in einer paradoxen Situation. Die Leiden der Exportindustrie am starken Franken sind bislang in keiner einzigen Statistik aufgetaucht. Die Exporte sind bis im April gewachsen, erst im Mai zeigen sich jetzt erste Bremsspuren. Die Auftragsbücher vieler Unternehmen sind immer noch voll. Nirgends ist sichtbar, dass rund ein Drittel der Swissmem-Firmen in die operative Verlustzone abgerutscht ist. Spektakuläre Kürzungen oder Verlagerungen von Stellen ins Ausland gab es bislang zum Glück nur in Einzelfällen. Der Blick von aussen kontrastiert mit den Warnungen der Branche, die Lage sei dramatisch.

Schwierig für Schneider-Ammann ist auch, dass Gewerkschaften und Medien laut nach Massnahmen gegen die Frankenstärke rufen. Viel tun kann er aber nicht. Währungspolitik ist Sache der Nationalbank. Sie musste ihren Kampf gegen den starken Franken erfolglos aufgeben. Was jetzt der Exportindustrie derart stark zusetzt, spiegelt eigentlich ihre Stärke. Ihnen ist es gelungen, Güter und Dienstleistungen zu produzieren, die auf den Weltmärkten stark gefragt sind.

Es braucht unkonventionellen Weg

Was passiert aber, wenn sich der Franken der Parität zum Euro nähert? Geht es nach Swissmem muss Schneider-Ammann dann den «ordnungspolitisch korrekten Weg» verlassen. Der Staat würde notleidenden Unternehmen direkt unter die Arme greifen. Für den Gewerkschaftsbund dagegen ist die Zeit reif, dass die Nationalbank für den Franken-Euro-Kurs eine Untergrenze festlegt und diese dank Flankenschutz des Bundesrats auch verteidigen kann.

Schneider-Ammanns grosse Kunst in der Eurokrise wird sein, zu merken, wann er den bisherigen Pfad verlassen und unkonventionell handeln muss.

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