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Ruth Licht: «Als Fotograf muss man anders schauen können»

Seit 25 Jahren ist sie bereits pensioniert. Das hält sie aber nicht davon ab, sich noch immer für die Fotografie, für Arosa, das Heimatmuseum, Kunst und Kultur und das Schanfigg zu engagieren. Sie ist eine unermüdliche Schafferin: Ruth Licht.

Südostschweiz
15.09.10 - 02:00 Uhr
Zeitung

Von Maya Höneisen

Arosa. – Sieben Jahrzehnte Fotografie: Da kommt allerhand zusammen. «Ja, das stimmt, ich muss mein Archiv einmal aufarbeiten». Ruth Licht sitzt auf der alten Eckbank am Fenster in der Stube des Heimatmuseums Schanfigg in Arosa. Eine alte Holzräderuhr an der Wand erinnert an die Vergänglichkeit der Zeit. Zahlreiche Gebrauchsgegenstände im über 450 Jahre alten Walserhaus sind Zeugen der Kulturgeschichte der Talschaft Schanfigg, der Besiedlung durch die Walser und dem Aufstieg des Bergbauerndorfs zum Weltkurort. All dem ist die 87-jährige Licht eng verbunden. Beinahe ihr ganzes Leben hat sie im Schanfigg verbracht und kennt jeden Winkel des Tals. Im Zentrum ihres Lebens standen stets zwei Dinge: die Liebe zur Fotografie und die Begeisterung für Kunst und Kultur.

In einer Männerdomäne aktiv

In den Vierzigerjahren kam Licht zur Fotografie. Eigentlich hätte sie ihr Vater, der Aroser Architekt Jakob Licht, damals in eine kunstgewerbliche Ausbildung nach Deutschland schicken wollen, erzählt sie. Dies war aber in den Kriegsjahren nicht möglich. Er setzte deshalb durch, dass sie eine Lehre im Geschäft Foto Brandt in Arosa als Fotografin machen konnte. Zu dieser Zeit war das für eine Frau schon beinahe revolutionär. Das Berufsfeld der Fotografie besetzten vorwiegend Männer. Frauen übernahmen die zudienenden Arbeiten im Labor und im Laden. Die Entscheidung für diesen Berufsweg hing wohl auch eng zusammen mit dem elterlichen Interesse an Kunst und Kultur sowie mit der Selbstverständlichkeit, mit der sie die Bildung ihrer Kinder förderten.Im Jahr 1943 begann Licht ihre Ausbildung. «Mein Lehrmeister war ein sehr genauer Mensch», besinnt sie sich zurück. «Man musste die Arbeit immer 120-prozentig machen, sonst war er unzufrieden.» 1946 schloss Licht die Lehre ab, blieb aber kurze Zeit noch bei Foto Brandt in Arosa. Zwei Jahre später fotografierte sie an der Olympiade in St. Moritz als so genannte Strassenfotografin. Das heisst, sie sprach tagsüber die Leute auf der Strasse oder in Hotels an und bot ihnen ein Foto als Andenken. Die Filme wurden dann abends im Labor entwickelt und am nächsten Tag ausgeliefert. «Das war eine besonders spannende Zeit. Ich wollte dabei sein, zuvorderst sein.» Nach einer kleinen Pause fügt sie an: «Als Fotograf muss man anders schauen und vorausschauen können. Man muss spüren, was als nächstes passieren könnte, was wichtig ist, die Nase vorn haben.»Auf St. Moritz folgten Stationen in Basel, Weggis und Solothurn, wo Licht in verschiedenen Fotofachgeschäften als Fotografin und als Fotolaborantin Arbeit fand. 1956 kehrte sie nach Arosa und zu Foto Brandt zurück. Als Hotelfotografin nahm sie Josephine Baker und Lionel Hampton bei Konzerten im Hotel «Tschuggen» auf, fotografierte aber auch Sport- und Vereinsanlässe und sprang bei Bauprojekten, wie etwa dem Bau der Weisshornbahn, für ihren Arbeitgeber ein.

Zurück zum Ort der Herkunft

Von ihren vielen Reisen durch Europa, Südamerika, Südafrika, Thailand und Burma brachte Licht Bilder mit, die sie jeweils in der Pension ihrer Mutter den Gästen zeigte. Die Freiheit der berufstätigen Fotografin hatte aber auch ihren Preis. Licht blieb alleinstehend – keine ganz einfache Situation als Frau in einem Bergdorf. 1968 gründete sie deshalb den «Kreis der Berufstätigen» mit. Vor allem ledige, berufstätige Frauen schlossen sich diesem an und gestalteten ein vielfältiges, hauptsächlich kulturelles Programm in der Talschaft. Hier konnte Licht die Fotografie mit ihrem Interesse für Kunst und Kultur verbinden. Nach und nach entwickelten sich daraus Dia-Vorträge, auf welche Arosa Tourismus aufmerksam wurde und die sie auch heute, nebst ihrer Aufgabe als Kuratorin im Heimatmuseum, noch regelmässig für den Kulturkreis Arosa hält.

Ausstellungen zum Geburtstag

Zu ihrem 80. Geburtstag schenkte sich Licht ihre erste Ausstellung: «Begegnung mit Licht. 60 Jahre Blick durch's Objektiv», zum 85.Geburtstag die zweite: «Begegnung mit Menschen. Augenblicke». Die dritte wünscht sie sich zum 90. Geburtstag. Aber eben, schliesst sie das Gespräch: «Dazu muss ich erst mein Archiv aufarbeiten.»

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