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Putin-Gegner Nawalny aus dem Weg geräumt – vorläufig

Der berühmte Kreml-Gegner Alexej Nawalny ist gestern wegen Veruntreuung zu fünf Jahren Straflager verurteilt worden. Dem Urteil haftet politische Motivation an – das finden nicht nur Kritiker von Wladimir Putin.

Südostschweiz
19.07.13 - 02:00 Uhr

Kirow/Moskau. – Der russische Oppositionspolitiker Alexej Nawalny muss für fünf Jahre ins Straflager. Noch im Gerichtssaal führten Uniformierte den Gegner von Russlands Präsident Wladimir Putin gestern in Kirow in Handschellen ab. Der wegen Veruntreuung verurteilte 37-jährige Anwalt kam in ein Untersuchungsgefängnis. Er will den Schuldspruch anfechten. In ganz Russland versammelten sich Tausende Anhänger des Bloggers spontan zu Protesten. Die Polizei nahm Dutzende Menschen fest.

Kommt nun plötzliche Wende?

Gestern Abend kündigte die Generalstaatsanwaltschaft im Fall Nawalny überraschend eine Haftbeschwerde an. Sie begründete den unerwarteten Entscheid damit, dass der Richter keinen Grund für die Inhaftierung gehabt habe. Beobachter sprachen von einer beispiellosen Wende in dem Fall. Heute soll das übergeordnete Gericht in Kirow – 900 Kilometer nordöstlich von Moskau – über die Haftbeschwerde entscheiden.

Menschenrechtler und Repräsentanten des Westens hatten gestern nach dem Urteil von einem Schauprozess und einem neuen Beispiel für politische Willkürjustiz gesprochen. Die EU-Aussenbeauftragte Catherine Ashton zeigte sich «besorgt». US-Botschafter Michael McFaul erklärte, sein Land sei «tief enttäuscht».

Gemäss Urteil Holzfirma geprellt

Nawalny, der als Kämpfer gegen die Korruption gilt, verzichtete nach dem Richterspruch auf seine Kandidatur bei der Moskauer Bürgermeisterwahl im September. Das Urteil gilt als Gradmesser für den Umgang mit Andersdenkenden in Russland.

Richter Sergej Blinow sah in Kirow die Vorwürfe gegen Nawalny nach dem dreimonatigen Prozess als erwiesen an. Der Familienvater soll 2009 als Berater des örtlichen Gouverneurs eine staatliche Holzfirma um rund 494 000 Franken geprellt haben. Nawalny habe dafür gesorgt, dass 10 000 Kubikmeter Holz weit unter Wert verkauft wurden. Blinow sprach von einem «Verbrechen». Nawalny weist die Vorwürfe als politische Inszenierung zurück. Die Staatsanwaltschaft hatte sechs Jahre Arbeitslager für Nawalny gefordert, um die Gesellschaft vor ihm zu schützen. Die Verteidigung plädierte auf Freispruch.

Richter Blinow verurteilte auch Nawalnys Geschäftspartner Pjotr Ofizerow zu vier Jahren Straflager. Zudem erhielten beide eine Geldstrafe von umgerechnet je 15 500 Franken. Die Urteilsverkündung ist noch nicht rechtskräftig.

«Vorhersehbar und unvermeidlich»

Beobachter kritisierten viele Verfahrensmängel im Prozess. Friedensnobelpreisträger Michail Gorbatschow sagte, das Urteil beweise, dass es in Russland keine unabhängige Justiz gebe. Der inhaftierte Putin-Kritiker Michail Chodorkowski nannte das Urteil «vorhersehbar und unvermeidlich».

Ex-Finanzminister Alexej Kudrin schrieb auf Twitter, dass der

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