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Informativ und unterhaltsam

Der von Stefan Niggli herausgegebene Grüscher Flurnamenordner ist das Ergebnis einer jahrzehntelangen Sammlertätigkeit. Da sich der Verfasser bei seinen Deutungsversuchen nicht nur auf sprachliche Herkunft abstützt, sondern ganz bewusst auch Geschichte und Geschichten zu Rate zieht, ist die Lektüre unterhaltsam und spannend.

Südostschweiz
24.09.10 - 02:00 Uhr

Von Edy Walser

Zufälle gibts! Die von Stefan Niggli unter dem Titel «Grüscher Flurnamen, Geschichte und Geschichten» in Ordnerform herausgegebene Flurnamensammlung ist zur gleichen Zeit erschienen wie das von Professor Hans Stricker dargestellte und wissenschaftlich bearbeitete Seewiser Flurnamenbuch. «Dass das Seewiser Flurnamenbuch und die Grüscher Flurnamensammlung gleichzeitig erschienen sind, ist ein Zufall», so Niggli. Um es gleich vorwegzunehmen: Ein glücklicher Zufall, denn nicht nur das Seewiser, sondern auch das Grüscher Flurnamenbuch ist eine kultur- und lokalgeschichtliche Bereicherung erster Güte. Die beiden Flurnamensammlungen unterscheiden sich insofern, als die Deutung der Seewiser Flurnamen ausschliesslich nach sprachwissenschaftlichen Kriterien erfolgt, wogegen bei der Deutung der Grüscher Orts- und Flurnamen – wie es im Titel heisst – auch Geschichte und Geschichten miteinbezogen werden.

Lokalhistorischer Leckerbissen

Stefan Niggli hat mit seiner Sammlung «Grüscher Flurnamen, Geschichte und Geschichten» das Ziel erreicht, das er mit seiner jahrzehntelangen Arbeit angestrebt hat: Ein bedeutendes Kulturgut dem drohenden Vergessen entrissen und der Nachwelt erhalten. Wie er im Geleitwort festhält, hoffe er mit dieser umfangreichen Sammlung, die trotz aller Nachforschungen Stückwerk bleibe, eine solide Grundlage zu weiterer Forschung gelegt zu haben. Dass sich der ehemalige Vorsteher des Amts für Volksschule und Schulinspektor des Bezirks Herrschaft/ Prättigau/Davos bei seinen Deutungsversuchen vieler Flurnamen nicht nur auf geschichtliche Quellen stützt, sondern ganz bewusst auch Geschichten zu Rate zieht, macht das Ganze zu einem historischen Leckerbissen.

Zwei Kostproben

Um den Leserinnen und Lesern den Grüscher Flurnamenordner, der über die Gemeindekanzlei zu beziehen ist, schmackhaft zu machen, seien hier zwei konkrete Beispiele aus Nigglis Sammlung zitiert.«Dr Baahof: Stationsgebäude in Dorfmitte. Beschreibung: RhB-Stationsgebäude mit Schuppen und dem gesamten Bahnareal. Der Bahnhof entstand 1898 mit dem Bau der Bahnlinie Landquart-Klosters (dann 1890 bis Davos). Deutung: Haltestelle der Eisenbahn.»Es gab einen langen Streit um den Standort des Bahnhofs. Die Rhätische Bahn kaufte das heutige Bahnareal von Privaten. Ein sehr sorgfältig geschriebener Vertrag vom 1. März 1889 liegt vor; er ist unter anderen von Direktor Schucan unterzeichnet. Laut Vertrag vom 8. März 1889 kaufte die Eisenbahngesellschaft am Bahnhofareal unter anderem ein Stück Ackerland von 106 Quadratmetern für 159 Franken.«ds Ingerloch: Beschreibung: Ehemalige offene Herdstelle, die heute verschwunden ist, bei der Weggabelung ins Underdorf. Hier wurden die gesammelten Maikäfer gebrüht. Deutung: Inger sind Engerlinge. Die Mundart bezeichnet sowohl die Larven wie auch die Käfer.»Das Einsammeln der Inger in den Flurjahren war Pflicht all jener, die Boden besassen oder bewirtschafteten. Um die Tiere, die sich an den Blättern der Laubbäume festklammerten, einsammeln zu können, verwendete man einen «Ingerhimmel». Dieser «Ingerhimmel» fing die Inger auf, die man am frühen Morgen, wenn sie noch «maarfel» (klamm vor Kälte) waren, einsammelte.

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