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Erinnerungen an Hesse – einen fast gewöhnlichen Grossvater

Im Rahmen der aktuellen Hermann-Hesse-Ausstellung war am Sonntag der Enkel des Schriftstellers, Silver Hesse, im Kulturforum Würth in Chur zu Gast. Er erzählte von seinen persönlichen Erlebnissen mit seinem berühmten Grossvater.

Südostschweiz
01.09.10 - 02:00 Uhr
Kultur

Von Maya Höneisen

Chur. – Für ihn sei Hermann Hesse (1877-1962) ein ganz gewöhnlicher Grossvater gewesen, der «Nonno», erzählte am Sonntag Silver Hesse anlässlich des von Regina Bucher, Direktorin des Hermann-Hesse-Museums in Montagnola im Kanton Tessin, geführten Podiumsgesprächs im Churer Kulturforum Würth. Silver Hesse ist der Sohn von Heiner Hesse, dem mittleren Sohn von Hermann Hesse. Tätig ist Silver Hesse heute vor allem als Verwalter des literarischen Nachlasses von Hermann Hesse und Vizepräsident der Fondazione Hermann Hesse in Montagnola.

Tausende von Büchern

Seine Familie habe den Grossvater ab und zu im Tessin besucht, erzählte der heute 68-jährige Silver Hesse. Als Zehnjähriger habe er einmal versucht, in der Bibliothek Hermann Hesses die Bücher zu zählen, habe aber bald aufgehört damit und sich auf eine Hochrechnung beschränkt: Tausende seien es gewesen, erinnerte er sich.Als für ihn prägendes Zusammentreffen erwähnte Silver Hesse einen Besuch, den er als 17-Jähriger anlässlich einer Arbeitswoche des von ihm absolvierten Lehrerseminars bei seinem Grossvater in der Casa Rossa in Montagnola machte. Er habe Hermann Hesse als sehr verständnisvollen Gesprächspartner erlebt: «Den alten Mann interessierte es, was ich als junger Mensch dachte», beschrieb er dieses Gespräch. 50 Jahre sei es her seit diesem Nachmittag, der für ihn unvergesslich geblieben sei. Inzwischen sei er selber vierfacher Grossvater.Auf die Frage der Gesprächsleiterin Bucher nach seinen persönlichen Präferenzen aus dem Werk seines Grossvaters nannte er den «Steppenwolf» (1927) und die «Morgenlandfahrt» (1932), insbesondere wegen deren zeitpolitischer Aussagen. Vor allem seien es aber auch die unzähligen Buchrezensionen. Hermann Hesse habe eine spezielle Liebe zu Autoren, zu Menschen und Literatur gehabt und nur Kritiken zu Büchern geschrieben, die ihm persönlich wichtig gewesen seien.

Interesse an fremden Kulturen

Humorvoll erzählte Silver Hesse aus der Geschichte der Familie um seinen berühmten Grossvater. Der Umgang untereinander sei offen und herzlich gewesen, alle hätten sich gegenseitig sehr geschätzt. Auf die Frage aus dem Publikum, wie Hermann Hesse zu einem Freidenker geworden sei, antwortete er: «Hermann Hesse befasste sich schon sehr früh mit anderen Gesellschaften und Religionen.» Auslöser dafür sei wohl die missionarische Tätigkeit seiner Eltern in Indien gewesen. Tatsächlich befasste sich Hermann Hesse zeit seines Lebens mit verschiedenen Kulturen, besonders auch mit der fernöstlichen Philosophie. Ein Ausdruck dieser Auseinandersetzungen ist das Werk «Siddharta», welches 1922 erschien.1946 erhielt Hermann Hesse den Nobelpreis für Literatur für sein Gesamtwerk. Davon sei er selbst unbelastet geblieben, erzählte Silver Hesse. Kaum jemand habe ihm gegenüber – er war damals noch ein Kind – reagiert. Der Nobelpreis habe seinen Grossvater nicht interessiert, im Gegenteil, er habe sich damit schwergetan. Tatsächlich nahm ihn Hermann Hesse auch nicht selbst entgegen. Nachdem er sich schon während des Ersten Weltkrieges gegen nationalistisches Gedankengut gestellt hatte, und es ab Mitte der Dreissigerjahre keine Zeitung in Deutschland mehr wagte, Artikel von ihm zu veröffentlichen, fühlte er sich in Deutschland angegriffen und ausgegrenzt.

Ein umfangreicher Nachlass

Seit 2003 verwaltet Silver Hesse den Nachlass seines Grossvaters. Unzählige Gespräche mit seinem eigenen Vater Heiner, der inzwischen verstorben ist, über dessen Vater hätten ihm das Werk nähergebracht, hielt er fest. Die unzähligen Briefe Hermann Hesses, insgesamt sind es an die 35 000, von denen rund 18 000 heute noch vorhanden sind, stünden im Moment im Vordergrund seiner Arbeit. Dazu sei die Herausgabe einer zehnbändigen Briefausgabe geplant.

Die Ausstellung zu Hermann Hesse im Kulturforum Würth in Chur dauert noch bis zum 5. September.

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