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Dekoration allein ist nicht des Theaters Lebenselixier

Das Stück «Cantos de Sirena» ist am Samstag im Verkehrshaus in Luzern uraufgeführt worden. Der Abend verkörperte vielmehr ein visuelles Spektakel als eine geschlossene Einheit aus Musik und Theater.

Südostschweiz
12.01.15 - 01:00 Uhr

Von Alfred Ziltener (sda)

Luzern. – Es hätte ein Höhepunkt der Opernsaison werden können: Erstmals gastiert das Luzerner Theater im Verkehrshaus Luzern. Carlus Padrissa von der katalanischen Theatergruppe «La Fura dels Baus» hat dort die Uraufführung seines Musiktheaters «Cantos de Sirena» inszeniert. Der Luzerner Musikdirektor Howard Arman dirigiert seine eigene Partitur.

Arman hat Gebrauchsmusik im besten Sinn komponiert, einen facettenreichen Soundtrack, in den bekannte Opernausschnitte, vorwiegend aus Barock und französischer Romantik, eingelassen sind. Neben einem soliden Ensemble des Luzerner Sinfonieorchesters sind auch elektronische Klangmaschinen von Roland Olbeter zu hören. Dazu kommen der intensive Sprecher Patrick Slanzi und Sänger des Luzerner Ensembles. Im Zentrum steht der klare, schlanke Mezzosopran von Marie-Luise Dressen. Mit barocker Beweglichkeit und kultiviertem Legato verkörpert sie den Protagonisten in dieser modernen Version des «Faust»-Stoffs.

Am Leben vorbeigelebt

Der alte Faust, hier ein abgewrackter Künstler, wird von inneren Stimmen zu einem narzisstisch-hedonistischen Leben unter dem Motto «Mein Körper ist mein Gott» verleitet. Er lässt sich in eine junge Frau umoperieren und wirkt nun als Fausta inmitten von Simulatoren und selbst geschaffenen Klonen. Zu spät erkennt Fausta, dass sie so an der Realität und an sich selbst vorbeigelebt hat.

In der Handlung wäre einiger ak- tueller Zündstoff drin, doch das spielt kaum eine Rolle. «La Fura dels Baus» ist berühmt geworden durch spektakuläres, bildmächtiges Maschinentheater, und daran knüpft Padrissa an. Grosse Visionen erlaubt der niedrige, enge Spielraum im Untergeschoss des Verkehrs-Museums allerdings nicht.

So werden in den aus früheren «Fura»-Arbeiten bekannten riesigen Aquarien singende Fisch-Menschen auf die Spielfläche geschoben. Aus einem schwarzen Würfel steigen Fausts Dämonen, und die Chirurgin hängt an einer Art übergrossem Mikrofongalgen und wird rasend schnell um sich selbst gedreht. Dazu kommen Lichteffekte und Projektionen, und das Publikum darf «Geschmackserlebnisse», etwa Baumflechten und Fleur de Sel, ausprobieren

Doch es gelingt Padrissa nicht, die einzelnen Momente zu einem stringenten Abend zu verschmelzen. Immer wieder hängt die Aufführung durch, und eine Tänzergruppe muss mit beliebig choreografierter Betriebsamkeit (Sandra Marin Garcia) die Lücken füllen. Auch Personenführung ist nicht Padrissas Sache. Selbst Faust/Fausta erhält kaum Profil, sondern bleibt letztlich ein Element der Dekoration.

Viel optischer Kitsch, wenig Inhalt

So hangelt sich der Abend als Triumph des Kunstgewerbes zähflüssig über zwei Stunden. Wenn am Schluss die letzten Verse aus Goethes «Faust» in der Vertonung von Franz Liszt erklingen und dazu goldgewandete Figuren durchs Publikum schreiten und mit weissen Federn wedeln, hat er seinen kitschigen Höhepunkt erreicht. Das Premierenpublikum reagierte begeistert. Der Rezensent flüchtete.

«Cantos de Sirena». Nächste Aufführungen: Freitag, 16., Samstag, 17., und Sonntag, 18. Januar. Verkehrshaus der Schweiz, Luzern.

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