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Das Schweizer Staffel-Drama zum EM-Abschluss

Die Heim-EM hat aus Schweizer Sicht mit einem sportlichen Drama geendet. Die Sprint-Staffel der Männer verpasste die Bronzemedaille nur knapp, Mujinga Kambundji als Startläuferin des Frauen-Quartetts verlor nach dem Start den Stab.

Südostschweiz
18.08.14 - 02:00 Uhr

Christian Finkbeiner

Es war alles zum grossen Showdown angerichtet. Der Letzigrund war für einmal fast ausverkauft, die Stimmung auf den Rängen sehr gut und erstmals in dieser Woche schien auch die Sonne über dem fast wolkenlosen Himmel von Zürich. Doch anstatt grenzenloser Jubel herrschte am Entsetzen im Letzigrund, der letzte von 47 Events endete für die Schweizer Protagonistinnen in einem Tränenmeer. Nur wenige Zehntelsekunden nach dem Start platzte der Traum von einer Medaille, nachdem Mujinga Kambundji mit dem Stab ihren Oberschenkel touchierte und dieser zum Schrecken der Athletin und des Publikums der Schweizer Startläuferin aus der Hand flog.

Die tragische Heldin

Die 22-jährige Bernerin avancierte damit zur tragischen Heldin des Nachmittags. Ausgerechnet sie, die an den Tagen zuvor mitten in die europäische Weltspitze gestürmt war und und mit den Plätzen 4 (100 m) und 5 (200 m) und drei Schweizer Rekorden neben Europameister Kariem Hussein für die herausragenden Leistungen aus Schweizer Sicht sorgte. Bereits im Vorfeld der Europameisterschaften hatte die Tochter eines Kongolesen und einer Schweizerin mit ihren Kolleginnen den ersten Titelkämpfen in der Schweiz nach 60 Jahren ein Gesicht gegeben, während der Wettkampftage in Zürich eroberte Kambundji mit ihrer Unbeschwertheit und Natürlichkeit und dem strahlenden Lächeln die Herzen des Schweizer Sport-Publikums.

Gestern um 17.22 Uhr endete Kambundjis Höhenflug abrupt und auf brutale Art und Weise. «Es fühlte sich an, als ginge die Welt unter», sagte Marisa Lavanchy, die vergeblich auf die Stabübergabe ihrer Kollegin wartete. Kambundji selbst war die Fassungslosigkeit auch Minuten nach dem Malheur noch ins Gesicht geschrieben. «Ich weiss nicht, was ich anders als sonst gemacht habe», so die Bernerin. «Es tut mir leid für die andern.» Bereits in Juniorenzeiten war Kambundji einmal ein ähnliches Missgeschick passiert, im Rahmen des im Herbst 2010 gestarteten Staffel-Projekts war es das erste Malheur an einem wichtigen Anlass. Sechsmal hatte das Team von Laurent Meuwly in den vier Jahren den Schweizer Rekord verbessert. Und im Vorlauf am Samstag, als die vier in 42,98 Sekunden nur vier Hundertstel über der Marke von Lausanne geblieben waren, deuteten sie an, dass ihr Potenzial noch nicht ausgereizt ist.

Neun Hundertstel an Bronze vorbei

Getröstet wurden die Frauen auch von ihren männlichen Kollegen, die ebenfalls eine bittere Pille zu schlucken hatten und wie vor vier Jahren in Barcelona als Vierte knapp am Podest vorbeischrammten. Pascal Mancini, Amaru Schenkel, Suganthan Somasundaran und Alex Wilson zeigten auch im Final eine starke Vorstellung und kamen bis auf zwei Hundertstelsekunden an ihren am Samstag im Vorlauf aufgestellten Schweizer Rekord (38,54) heran. Am Ende fehlte dem Quartett nur neun Hundertstelsekunden zur Bronzemedaille.

Ein Grund, dass hinter Grossbritannien, das in 37,93 Sekunden siegte, Deutschland und Frankreich nur der vierte Rang resultierte, lag auch am verpatzten Wechsel zwischen Somasundaran und Wilson. Der gebürtige Jamaikaner musste mehrmals nach dem Stab greifen und verlor dadurch etwas an Speed. Die Holländer vermochte er auf den Zielgeraden noch abzufangen, an den französischen Schlussläufer Ben Bassaw kam er nicht mehr heran. «Dass in einem Rennen alle Wechsel perfekt klappen, ist eine Utopie», sagte Schenkel. Auch den Franzosen gelang die dritte Übergabe alles andere als wunschgemäss. Trotz der Enttäuschung über die Rangierung können die Schweizer mit ihren Staffel-Auftritten in Zürich mehr als zufrieden sein. «Niemand hat uns diese Leistung zugetraut», sagte Schenkel. «Aber wir haben bewiesen, dass wir zusammenhalten und uns als Einheit präsentieren können, wenn es darauf ankommt.»

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