×

Das Ende der grossen Ära

Seit gestern 22.21 Uhr ist für den HC Davos nicht nur die Saison 2013/14 zu Ende. Das dritte Aus in Play-off-Runde 1 hintereinander beendet auch eine vor über zehn Jahren begonnene Ära:

Südostschweiz
23.03.14 - 01:00 Uhr

Beim HC Davos wird in der nächsten Nationalliga-A-Saison vieles anders

Von Kristian Kapp

Der HC Davos als Spitzenteam der NLA. 2002 hob sich der Rekordmeister ein weiteres Mal auf diese Ebene, als er seinen 26. nationalen Titel gewann. Es folgten innert neun Jahre vier weitere Meisterfeiern. Nebst Trainer Del Curto waren vier Spieler immer dabei, die zusammen mit dem 2010 zurückgetretenen Marc Gianola das Gesicht dieser goldenen HCD-Generation verliehen: Sandro Rizzi, Josef Marha sowie Reto und Jan von Arx. Marha ist mittlerweile auf seiner «Abschiedstour» in der tschechischen Heimat, die Von-Arx-Brüder stehen vielleicht vor ihrer letzten Saison, bei Rizzi ist der Rücktritt seit gestern Tatsache.

<strong>Es kann dem HC Davos</strong> vorgeworfen werden, dass er den nötigen Zeitpunkt für den Beginn des Umbaus und der Verjüngung verpasste. Vielleicht unmittelbar nach dem bislang letzten Titel 2011. Auch das ist indes nur die halbe Wahrheit. Denn einerseits ist ein Umbau schnell ausgerufen, jedoch nur schwer und zeitintensiv umsetzbar. Andererseits beendete Davos 2012 die Qualifikation als Zweiter, punktgleich mit dem Ersten. 2013 fehlte dem HCD bei einer 3:1-Führung nur ein Sieg zum Einzug in den Play-off-Halbfinal. Es ist also nicht so, dass die Bündner seit 2011 latent erfolglos und an Ort getreten wären. Denn auch der aktuelle, bereits verjüngte und gestern gescheiterte HC Davos war nicht unklug zusammengestellt. Es war sogar für das von Del Curto praktizierte Eishockey das am besten geeignete Team seiner schon 18-jährigen Amtszeit.

Es soll nämlich bei aller Enttäuschung über das Ausscheiden in Runde 1 nicht vergessen werden: Als der HCD zu Beginn dieser Saison praktisch in Vollbestand agierte, gewann er neun seiner ersten zehn Partien und spielte grossartiges Eishockey – dann setzte die Verletzungsmisere ein. Und als der HCD just auf die Play-offs endlich wieder mit beinahe allen Leistungsträgern antreten konnte, begann er gegen Kloten mit zwei starken Auftritten und zwei Siegen – dann setzte erneut die Verletzungsmisere ein. Man mag es zwar nicht mehr hören, da seit fast drei Jahren ein Dauerthema. Und dennoch: Der Hauptgrund, dass der HC Davos wieder ein frühzeitiges Saisonende beklagen muss, ist die Personalsituation. Wenn gleichzeitig Spieler wie Grégory Hofmann, Peter Guggisberg, Andres Ambühl, Reto von Arx und Petr Taticek fehlen, bedeutet das einen nicht kompensierbaren Qualitätsverlust, der auch jedes andere Team ins Elend stürzen würde.

<strong>Der HCD-Kader 2013/14 </strong>war also weder falsch besetzt noch wegen des einge-setzten Umbaus zu wenig konkurrenzfähig. Er verfügte sogar über genügend Breite, war er doch grösser denn je zuvor. Es fehlte allerdings an der Tiefe. Das vom Trainer praktizierte Eishockey – temporeich, kreativ, hart –, das den HCD in den letzten über zehn Jahren so erfolgreich und attraktiv machte, vertrug mit diesem Kader nicht mehr als ein oder vielleicht zwei Ausfälle. Für eine radikale Umstellung auf pragmatisches, zweckmässiges, defensives, vielleicht «langweiliges» Eishockey waren weder der Trainer mit seinen hohen Anforderungen und Maximen und schon gar nicht die Mannschaft mit ihrer Verspieltheit zu haben. Die Verweigerung jeglicher Zielstrebigkeit, die gerade im Offensivspiel immer wieder treuer Begleiter des HCD 2013/14 war, ist eine «Nebenwirkung» von Kreativität und Talent. Ohne das eine geht das andere nicht – oder nur in Wunschträumen und Theorie.

<strong>Mit Peter Guggisberg, </strong>Dario Bürgler, Robin Grossmann und René Back verlassen den HC Davos vier Leistungsträger. Genauso wie der in die Jahre gekommene Kern der Mannschaft symbolisieren auch diese Abgänge das Ende einer Ära und den wirklichen Beginn des Umbaus. All diese Veränderungen zusammengezählt, degradieren den HC Davos ab sofort zum Aussenseiter. Damit steckt der Rekordmeister auch im Dilemma. Der Klub selbst und sein Umfeld waren in den letzten Jahren dermassen erfolgsverwöhnt, dass ein Umdenken und die Abkehr vom «selbstverständlichen Erfolg» für viele schwierig bis unmöglich zu akzeptieren sein wird. Zudem ist der HCD als geografisch peripher gelegener Klub gerade in der Qualifikation auf ein gewisses Mass an sportlichem Ertrag angewiesen, um keinen massiven Einbruch der Zuschauerzahlen zu provozieren und um weiterhin mit der Aussicht auf Erfolg interessante junge Spieler anlocken zu können. Denn aus dem eigenen Verein stossen seit Jahren zu wenig NLA-taugliche Spieler nach, um auch nur ansatzweise ein Fortbestehen in der höchsten Spielklasse zu garantieren.

<strong>Mit etwas Abstand </strong>werden auch die enttäuschten Beobachter des HC Davos feststellen, dass beim Rekordmeister einerseits nicht alles schlecht war in dieser Saison und andererseits eine spannende Zukunft bevorsteht. Jüngere Spieler wie Enzo Corvi (vor allem er), Gregory Sciaroni, Dino Wieser, Sven Ryser oder Noah Schneeberger machten grosse Schritte vorwärts in ihrer Entwicklung zu künftigen Leistungsträgern. Mit Mauro Jörg, Dario Simion, Dick Axelsson, Félicien DuBois oder Marc Wieser kommen mehrere interessante, darunter auch junge Spieler, nach Davos. Mindestens elf Verteidiger und 16 Stürmer werden für einen massiven Konkurrenzkampf um 20 Plätze sorgen. Der HCD mag zwar vorerst kein Elite-Team der NLA mehr sein. Aber er ist bereit für eine neue, aufregende Ära mit einer deutlich jüngeren Mannschaft.

Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.
Mehr zu MEHR