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Chauffeur und sein Chef wegen fahrlässiger Tötung verurteilt

Im Prozess um den Engadiner Busunfall vom Oktober 2008 hat der Bezirksgerichtsausschuss Maloja gestern in Samedan sein Urteil gefällt. Sowohl der Busfahrer wie der Betriebsleiter von Engadin Bus wurden schuldig gesprochen.

Südostschweiz
16.09.10 - 02:00 Uhr
Zeitung

Von Hanspeter Hänni

Samedan. – Am zweiten Prozesstag um das tragische Busunglück vom 3. Oktober 2008 zwischen Sils und Silvaplana, bei dem drei Fahrgäste ums Leben gekommen waren, hatten gestern die Verteidiger das Wort. Beide beantragten, ihre Mandanten von Schuld und Strafe freizusprechen. Vor den Schranken standen der 46-jährige Buschauffeur und der 54-jährige Betriebsleiter von Engadin Bus.Der Verteidiger des Buschauffeurs argumentierte, die Staatsanwaltschaft Graubünden begründe ihre Anklage (Ausgabe von gestern) sehr lebensfremd. Der Chauffeur habe seine Sorgfaltspflicht nicht verletzt, sein Verhalten könne nicht ursächlich für den Unfall gewesen sein. Sowohl die Anklage wegen mehrfacher fahrlässiger Tötung wie jene wegen Verletzung von Verkehrsregeln und Führens eines nicht betriebssicheren Fahrzeugs entbehre jeglicher Grundlage.

Krasse Widersprüche

Entgegen der Anklage sei der Bus gemäss Fahrtenschreiber in angemessener Geschwindigkeit gefahren. Zur Unfallzeit sei die Strasse mit Schneematsch bedeckt gewesen. Bei solchen Verhältnissen sei es nicht angezeigt, Schneeketten zu montieren, erklärte der Verteidiger gestützt auf entsprechende Expertengutachten. Das Profil der Busreifen habe zwischen fünf und acht Millimeter aufgewiesen. Also weit mehr als das geforderte Minimum von 1,6 Millimetern. Hinsichtlich des Unfallhergangs bestünden krasse Widersprüche. Solche Ungereimtheiten dürften dem Gericht niemals als Grundlage dienen, den Angeklagten zu verurteilen.Auch der Verteidiger des Betriebsleiters von Engadin Bus argumentierte, dass seinen Mandanten kein Verschulden treffe, weder hinsichtlich fahrlässiger Tötung noch wegen Führenlassens eines nicht betriebssicheren Fahrzeugs. Strafbar könne ein Verhalten nur dann sein, wenn es zweifelsfrei nachgewiesen sei. Dies sei vorliegend aber nicht der Fall. Es gelte somit die Unschuldsvermutung. Der Verteidiger bezeichnete das Untersuchungsverfahren als unfair und unredlich, weil man sich schon kurz nach dem Unfall auf einen bestimmten Sachverhalt «fixiert» habe. Demgegenüber hätten nicht die beiden Angeklagten, sondern vielmehr die Fahrer der beiden entgegenkommenden Holztransporter das Unglück verursacht. Diese These sei fatalerweise kaum in Betracht gezogen und näher untersucht worden.

Sichtlich betroffen

In ihrem Schlusswort beteuerten sowohl der Buschauffeur wie der Betriebsleiter ihre Unschuld. Sie hätten keine Fehler gemacht. Ihr Leben habe sich seit dem Unfall massgeblich verändert. Es sei schwer, das Geschehene zu verarbeiten.Das Gericht jedoch sah die Schuld bei beiden Angeklagten als erwiesen an. Der Busfahrer wurde verurteilt zu 50 Tagessätzen zu je 100 Franken sowie einer Busse von 400 Franken -bedingt auf zwei Jahre. Die Staatsanwaltschaft hatte 150 Tagessätze zu 110 Franken und eine Busse von 800 Franken bedingt gefordert. Der Betriebsleiter erhielt eine Strafe von 30 Tagessätzen zu je 100 Franken und eine Busse von 300 Franken – ebenfalls bedingt auf zwei Jahre. Die Anklage hatte 100 Tagessätze zu 100 Franken und eine Busse von 700 Franken bedingt gefordert. Mit diesem Urteil ist das Gericht weit unter den Anträgen der Staatsanwaltschaft geblieben.

Weiterzug denkbar

Urs Cadruvi (Verwaltungsratspräsident Stadtbus Chur AG) und Dieter Heller (Verwaltungsrat und Ehrenpräsident Stadtbus Chur AG) wollten zum Schuldspruch keinen Kommentar abgeben. Sie erklärten, über einen allfälligen Weiterzug erst zu entscheiden, wenn das schriftliche und begründete Urteil vorliege.

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