×

Barockes Ambiente als Rahmen für zwei Könner des Jazz

Jazz-Pianistin Irène Schweizer und der Saxofonist Omri Ziegele haben vergangenen Samstag in der Chesa Planta in Samedan ein umjubeltes Konzert gegeben. «Where's Africa» war ein Musikabend in geschichtsträchtigem Rahmen.

Südostschweiz
14.09.10 - 02:00 Uhr
Zeitung

Von Marina U. Fuchs

Samedan. – Es grenzte fast an eine Sensation. Da traten eine weltbekannte Pianistin und ein hervorragender Saxofonist einfach so im intimen Rahmen vor kleinem, aber sehr sachverständigem Publikum in Samedan auf und genossen das doch eher ungewohnte Umfeld nach eigener Aussage sehr. Es war aber auch ein ungewöhnlicher Ort, an dem das Konzert stattfand.

Grösstes Privathaus im Engadin

Die stattliche Chesa Planta, ein mächtiges Patrizierhaus mitten in Samedan, ist Zeugnis traditionsreicher Bündner und Engadiner Kulturgeschichte. Das Gebäude wurde im 16. Jahrhundert ursprünglich als Bauernhaus errichtet und war der Stammsitz der von Salis-Samedan. Es ging später in den Besitz der von Planta-Samedan über und wurde im 17. bis 19. Jahrhundert zum stattlichen Patrizierhaus ausgebaut. Das eindrückliche Doppelhaus unter einem Walmdach ist das grösste Privathaus im Engadin, es beherbergt eine Kulturstiftung, ein Museum, das Kulturarchiv, eine Bibliothek und hat einen eigenen Park – und das im Dorfkern.So viel zum Ambiente, in das zu dem Konzert von Irène Schweizer und Omri Ziegele unter dem Titel «Where's Africa» geladen wurde. So hochtrabend das klingen mag, man empfand es genau so. Für einmal fühlte man sich nicht primär als zahlender Konzertbesucher, sondern wie als Gast im privaten Rahmen, bei einem liebevoll arrangierten Hauskonzert. Da stand der Flügel mitten im langgezogenen Raum, Tische mit bequemen Stühlen rechts und links davon, und ein Glas Wein gab es auch noch.

Überraschendes Programm

Aber nun endlich zu den musikalischen Stars des Abends. Schweizer muss man eigentlich nicht mehr vorstellen. Seit Jahrzehnten prägt die Schaffhauserin die Jazzszene in der Schweiz und ist weltweit gefragt und bewundert. Mit anspruchsvollem und oft radikalem Free Jazz begeistert sie seit jeher ihre Fans, und auch der aus Israel stammende quirlige Saxofonist Ziegele ist eher für seine provokanten Töne bekannt.Umso mehr überraschte das Programm in der Chesa Planta. Da gab es für einmal eingängige Melodien zu hören, Jazz-Standards wie «Angelica» von Duke Ellington wechselten mit südafrikanischen Klängen. Es war zum Sich-in-der-Musik-Verlieren, zum Mitswingen, ja Träumen – Genuss pur. Da haben sich zwei schon 1997 zu einem wunderbar eingespielten Duo zusammengefunden, das trotzdem nichts von seiner Frische eingebüsst hat, seiner Unmittelbarkeit, seinem mitreissenden Klang. Schweizer und Ziegele improvisierten quer durch die Jazzgeschichte, sie gingen aufeinander ein, gaben sich Raum und ergänzten sich.Das Programm, das in der Chesa Planta geboten wurde, entstand bereits vor einigen Jahren und ist als CD im Handel erhältlich. Der etwas überraschende Titel «Where's Africa» lässt sich gleich mehrfach erklären. Zum einen wurde Schweizer stark vom südafrikanischen Jazz beeinflusst, und zum anderen liegen ihre künstlerischen Wurzeln im legendären Zürcher Jazzclub «Africana». Gemeinsam sind Schweizer und Ziegele viel im Café «Casablanca» aufgetreten. Im Beiheft zur CD gibt es aber noch einen weiteren Deutungsansatz: So solle der Hörer «Africa» nicht nur als Ort einer historisch-biografischen Sehnsucht Schweizers begreifen, sondern auch als Ort der ironisch-idealen Sehnsucht Ziegeles nach dem Dunklen und Unerforschten in ihm.

Zurück zu den Wurzeln

Mit der eingängigen Musik von «Where's Africa» sind die beiden Künstler wieder bei ihren swingenden Wurzeln angekommen und begeisterten an dem Abend in Samedan mit ihren lockeren, gar einschmeichelnden Tönen ebenso wie sonst mit ihren so anderen, avantgardistischen und experimentellen, scharfkantigen Rhythmen. Spielfreude prägte das Konzert, Hingabe an die Musik, grosses Können und ein grandioser Blick zurück – dahin, wo alles musikalisch begonnen hatte.

Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.
Mehr zu Zeitung MEHR