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Sandro Rizzi: «Wir stehen zu Recht dort, wo wir sind»

Der HC Davos steht vor dem Ende einer harzigen Qualifikation. Captain Sandro Rizzi äussert sich zu Defiziten, neuen HCD-Phänomenen und sagt, was sich bis zu den Play-offs noch ändern muss.

Südostschweiz
22.02.13 - 01:01 Uhr

Mit Sandro Rizzi sprach Kristian Kapp

Bis zu den Play-offs sind noch drei Spiele zu absolvieren. Wo steht der HC Davos im Moment? Sandro Rizzi: Wir sind noch nicht dort, wo wir sein wollen. In den letzten Spielen unterliefen uns zu viele individuelle Fehler. Beim letzten Spiel in Zug liefen wir dem Gegner ins offene Messer. Da gilt es sicher, wieder eine Balance zu finden.

Angenommen, heute wäre Play-off-Start. Wäre der HCD bereit? Für uns ist es nicht schlecht, dass wir noch gut eine Woche Zeit bis zu den Play-offs haben. Unser Spiel stimmt noch nicht. Aber ob wir das jetzt in diesen paar Tagen noch hinbekommen? Wir werden alles daran setzen. Zumindest gehen wir diese Saison nicht als Favorit in die erste Runde.

Sie haben den Zug-Match vom letzten Samstag angesprochen. Ihre Mannschaft gab dem Beobachter Rätsel auf. Sehr gute Shifts wechselten sich immer wieder mit furchtbaren ab. Das Spiel schien ein Spiegelbild der ganzen Saison zu sein … Das ist so. Wir haben in der ganzen Saison, und vor allem auswärts, nie wirklich Konstanz in unser Spiel bringen können. Als wir Anfang 2013 fünf Spiele gewannen, dachte man, wir hätten den Tritt gefunden. Doch dann folgten schlimme Spiele wie jenes zu Hause gegen Rapperswil-Jona.

Es ist noch nicht lange her, als die Konstanz eine der Stärken des HCD war. Das stimmt. Wir haben fürher selten oder fast nie drei Mal oder öfter hintereinander verloren. Das ist diese Saison neu. An was es liegt? Es wäre zu einfach, dies mit den vielen Verletzten, oder dem Umbruch im Team zu begründen.

In Zug fiel noch etwas auf: Davos kassierte vier Konter-Gegentore, verteilt auf vier verschiedenen Linien … Das ist auch untypisch. Wir probierten nach dem ersten Drittel, etwas offensiver zu spielen. Es geht aber nicht, dass du so oft ausgekontert wirst. Es nützt dann auch nichts, wenn du dann optisch eigentlich überlegen bist.

Und wenn wir schon bei untypischem Verhalten Ihrer Mannschaft sind: Bei drei dieser vier Konter-Gegentore war gerade der Center, also eigentlich der defensivste aller Stürmer, tief vorne «ertrunken». Das ist wirklich nicht typisch. Es war vielleicht eine Folge dessen, dass wir schon die ganze Saison dem Gegner zu viel Raum geben. Der Abstand zwischen unseren Flügelstürmern und den drei Defensivleuten, also dem Center und den beiden Verteidigern, ist oft viel zu gross. In Zug probierten wir dies zu ändern, indem Center und Verteidiger den Flügeln näher aufrückten. Aber uns Mittelstürmern darf es natürlich nie passieren, dass wir dermassen «dreinlaufen». Es ist vielleicht aber nicht schlecht, ist das in Zug so passiert. Alle sahen, dass es so nicht geht.

Am Wochenende gegen die Spitzenteams Bern und ZSC wird Ihre Mannschaft also die Lehren ziehen? Wir müssen anders vorgehen. Und es wäre an der Zeit, dass wir in Zürich ein gutes Auswärtsspiel hinlegen. Das würde Selbstvertrauen für die Play-offs geben. Schliesslich werden wir dort auch mindestens einmal gegen ein Spitzenteam auswärts gewinnen müssen.

Diese Saison kassiert der HC Davos fast drei Gegentore pro Spiel. Lang ists her, dass die HCD-Defensive statistisch so schlecht aussah … In der Tat waren wir in den letzten rund zehn Jahren immer top oder zumindest in den Top 4 der Liga, was die Anzahl Gegentore anging. Dass es jetzt anders aussieht, liegt auch am Saisonstart, als wir extrem viele Gegentore nach individuellen Fehlern und schlimmen Puckverlusten in der eigenen Zone kassierten. Fast kein Spieler blieb verschont vor solchen Fehlern. Es braucht enorme Energie, wenn du in Spielen, in denen du eigentlich dem Gegner ebenbürtig bist, immer wieder wegen solchen Fehlern Rückständen nachlaufen musst und am Ende verlierst. Solche Niederlagen nagen am Selbstvertrauen. Es war auch für unseren Goalie Leonardo Genoni eine neue Situation, regelmässig mit so vielen Schüssen eingedeckt zu werden. Er wurde wohl noch nie mit so vielen 1-gegen-1-Situationen konfrontiert wie diese Saison.

Schaut man die HCD-Kaderliste an, findet man keinen einzigen Spieler, der wirklich ohne Abstriche eine persönlich gute Saison spielt … Die Probleme ziehen sich durch alle Linien. Wir hatten auch extrem viele Umstellungen, doch es lief keiner Linie über eine längere Zeit konstant gut. Auch das ist neu für uns.

In der Offensive «nervt» der HCD seine Zuschauer, weil er zwar immer noch zu relativ vielen Torchancen kommt, aber immer wieder hervorragende Situationen ohne Abschluss versanden lässt. Anfang Saison waren wir viel zu verspielt. Und wahrscheinlich sind wir es auch jetzt immer noch. Uns fehlen deshalb die «hässlichen» Tore: Die reingewürgten, die Ablenker, die verwerteten Abpraller. Solche Tore sieht man bei uns praktisch nicht.

Warum ist das so? Es ist eine Kopfsache, wenn du das schöne Pässchen suchst, statt unbedingt das Tor erzielen zu wollen. Auch bei den Verteidigern gilt dies: Wir haben so oft gute Schusschancen, spielen aber den «finalen» Pass. Das muss anders werden. Ich spüre aber auch, dass es nicht mehr viel braucht, bis es diesbezüglich «klick» macht.

Die Zahlen lügen hier nicht: Der HCD hat kaum einen Stürmer, der im Schnitt mehr als zwei Mal aufs Tor schiesst. Von den Verteidigern erst gar nicht zu sprechen. Lockout-Spieler Rick Nash vergleichsweise schoss in 17 Spielen 85 Mal aufs Tor … Das fehlt bei uns. Der von mir zuvor erwähnte zu grosse Abstand zwischen Defensiv- und Offensivleuten spielt hier sicher auch eine Rolle. Wir haben eine Art «Handorgel-Effekt» in unserem Spiel. Unser Eishockey basiert auf Tempo nach vorne. Doch oft ist unser puckführender Spieler vorne alleine gegen drei Gegner. Und bis die anderen ihm gefolgt sind, ist die Situation schon vorbei, und keiner ist da für einen Abpraller. Es gilt, bis zu den Play-offs dies in den Griff zu bekommen, damit wir es unserem Gegner das Verteidigen wieder schwieriger machen.

Arno Del Curto, Ihr Trainer, hat schon oft gesagt, dass sich die Sache mit den Schüssen nie ändern wird … Das kann sein (lacht). Er hat sicher nicht Unrecht. Der unbändige Wille, aufs Tor gehen zu wollen, ist wohl in der Schweiz generell keine Stärke der Stürmer. Das sah man im Vergleich mit den Lockoutspielern wie Rick Nash oder Tyler Seguin. Diese suchten den Abschluss vehement.

Sie sagten, man soll die lange Verletztenliste nicht als erste «Ausrede» nehmen. Rechnet man aber die Ausfälle des HCD diese Saison zusammen, kommt man in bislang 47 Spielen auf deren 242. Das sind also im Schnitt gut fünf Spieler, die pro Partie fehlten. Das ist viel. Natürlich ist es nicht einfach. Vor allem, weil es vor allem Leistungsträger betraf. Und weil es so viele Verletzte waren, hattest du nach der Blessur auch nicht die nötige Zeit, um wieder in den Rhythmus zu kommen. Wir müssen einfach das Beste aus dieser Situation machen. Aber auch Teams wie Kloten oder zuletzt Genf hatten viele Verletzte. Da musst du dich halt durchkämpfen. Und in der Vergangenheit gelang uns dies auch besser. Wir hoffen jetzt, dass das Schlimmste hinter uns ist und wir in den Play-offs verschont bleiben.

Seit letztem Samstag ist Davos für die Play-offs qualifiziert. Zuvor erlebten Sie aber Ihren ersten «Strichkampf» seit 13 Jahren. Es war ungewohnt. Wenn wir ehrlich sind, müssen wir auch zugeben, das wir eine Weile brauchten, um diese Situation zu akzeptieren und den «Strichkampf» anzunehmen. Es herrschte diesbezüglich zu lange Ruhe. Wir haben Spieler im Team, die erst seit zwei oder drei Jahren im Team sind und vorher nur die andere Seite kannten.

Was haben Sie aus dieser Erfahrung gelernt? Auch wenn sie für Team und Fans nicht schön sind: Solche Situationen sind immer lehrreich und bringen dich weiter. Ich war immer überzeugt davon: Es braucht zwischendurch solche Jahre. Sie tun der Mannschaft und gerade den Spielern, die noch nicht so lange dabei sind, nicht schlecht. Der Erfolg darf nicht zur Selbstverständlichkeit werden. Um stets vorne mitspielen zu können, braucht es Konstanz über 50 Spiele. Nur zehn oder 15 Super-Spiele reichen da nicht. Darum sage ich auch: Wir sind nicht Siebte, weil wir Pech hatten. Wir gehören diese Saison in der Tabelle nicht an einen anderen Ort hin, sondern sind zu Recht dort, wo wir sind. Wir haben vor allem auswärts unsere Leistung selten bis nie abrufen können.

Sind Sie als Captain mehr gefordert in so einer Saison? Das spielt bei uns nicht so eine Rolle. Die Führungsrollen verteilen sich auf mehrere Schultern. Am Ende ist aber jeder selber verantwortlich dafür, sich zu wehren und sich nicht dem Schicksal zu ergeben. Jeder Tag ist ein Krampf.

Der Heimvorteil in den Play-offs ist weg, von hinten droht auch keine Gefahr mehr. Worum geht es für Davos noch in den drei ausstehenden Qualifikationsspielen? Mit Zürich und Bern treffen wir auf zwei Teams aus den Top 4. Bern spielt sogar noch um den Qualifikationssieg. Für uns ist gegen diese Teams vielleicht noch wichtiger als das Resultat, wirklich gutes Eishockey zu zeigen. Und endlich einmal unser Spiel über 60 Minuten durchzuziehen.

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