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Kobel freut sich auf «das grösste Spiel meiner Laufbahn»

Vor dem Halbfinal-Rückspiel Dortmunds bei PSG gewährt Gregor Kobel einen Einblick in seine Goalie-Seele. Im Interview mit Keystone-SDA spricht der Schweizer Keeper über «traumhafte» Europacup-Wochen.

Agentur
sda
07.05.24 - 04:00 Uhr
Fussball
Gregor Kobel muss am Dienstagabend in Paris nochmals die Offensive von PSG in Schach halten
Gregor Kobel muss am Dienstagabend in Paris nochmals die Offensive von PSG in Schach halten
KEYSTONE/AP/MARTIN MEISSNER

Bestnoten der Experten sind für ihn inzwischen Alltag, grosse Auftritte ebenfalls. Gregor Kobel ist zehn Jahre nach seiner Ankunft in Deutschland in der obersten europäischen Kategorie angekommen. In fünf seiner letzten zehn Champions-League-Partien blieb der 26-jährige Zürcher ohne Gegentor - womit er in der aktuellen Kampagne eine Rekordmarke hält. Die Kommentatoren machen ihn zum «BVB-Giganten», er selber bleibt demütig: «Dass ich jetzt so wahrgenommen werde, ist natürlich schon ein richtig schönes Gefühl.»

Was für Wochen, was für Spiele.

Gregor Kobel: «Traumhaft! Mit Dortmund unter den Top 4 zu sein, ist der Hammer. Das kam in der Vergangenheit nicht allzu oft vor. Eine coole Story - für mich und für den BVB.»

Das 4:2 im Viertelfinal-Rückspiel gegen Atlético Madrid war eine Partie für die Dortmunder Ewigkeit. Wie haben Sie dieses Duell in Erinnerung?

«Es war schon etwas ausgesprochen Besonderes. Der Spielverlauf an sich war schon packend, ein Auf und Ab. Warum auch immer war ich allerdings während des gesamten Spiels relativ gelassen und innerlich ruhig - selbst nach den zwei Gegentoren zum 2:2 kam bei mir keinerlei Nervosität auf. Ich hatte irgendwie immer das gute Gefühl, dass wir es schaffen würden.»

Wie nehmen Sie das Publikum an solchen magischen Abenden wahr?

«Der Support unserer Fans ist ja immer Weltklasse. Aber in solchen Partien sind die Zuschauer noch lauter, die Atmosphäre wirkt irgendwie elektrisierender - die Energie überträgt sich dann auch auf uns Spieler. Da braucht man auch als Spieler ein paar Stunden länger, um alles sacken zu lassen. Da liege ich länger wach.»

Bleiben diese Eindrücke irgendwo im Hinterkopf abgespeichert?

«Um ganz ehrlich zu sein, ich hatte gar keine Zeit, mich länger damit zu befassen, es geht ja momentan Schlag auf Schlag bei uns. Möglicherweise bleibt für die Zukunft was haften - für einen Goalie sind Erfahrungswerte wichtig, viel wird im Kopf entschieden. Aber eben, aktuell zählt nur der Moment, das unmittelbar nächste Spiel. Wir sind mittendrin im Wettbewerb. Nur damit setze ich mich auseinander, die Zukunft ist gerade weit weg.»

Am Mittwoch steht das Halbfinal-Rückspiel gegen das milliardenschwere Paris St-Germain um Superstar Kylian Mbappé an. Das womöglich grösste Spiel Ihrer Karriere?

«In meiner Liste ist dieses Spiel sicher ganz oben mit dabei. Ich habe noch nie ein Halbfinal-Rückspiel in der Champions League bestritten. Darum könnte es schon das grösste Spiel meiner Laufbahn sein, ja.»

Wie ist der Finalvorstoss in Paris zu schaffen?

«Wir brauchen einen fokussierten Auftritt - nicht wie in der Gruppenphase, da zeigten wir in Paris unser schlechtestes Spiel der Champions League. Wir müssen als Team auftreten. Jeder muss dem anderen helfen, für ihn einstehen. Paris verfügt über so viel Qualität, sie können unfassbar gefährlich werden. Neben einer maximalen Leistung unsererseits wird wohl auch ein Quäntchen Glück nötig sein.»

Welche Dortmunder Qualität könnte ausschlaggebend sein?

«Wir sind im europäischen Wettbewerb in jedem Spiel in der Lage, ein Top-Ergebnis zu holen. Unsere Konstanz ist augenfällig - auch gegen auf dem Papier höher eingeschätzte Equipen. Wir haben uns in der Champions League von Spiel zu Spiel gesteigert. Unser Team ist offensiv und defensiv sehr gut ausbalanciert. Die altersmässige Mischung im Kader passt ebenfalls. Und im Europacup haben wir sehr, sehr gut verteidigt - fünfmal spielten wir zu null. Wir haben uns diesen Weg in diesem Wettbewerb absolut verdient.»

Was war Ihrerseits nötig, um überhaupt auf eine solche Flughöhe zu kommen?

«Ich habe sehr viel investiert. Es beginnt eigentlich schon in der Kindheit. Die vielen Ups und Downs gehören dazu. Der Umgang mit ihnen ebenso. Ich habe gute und auch schlechte Erfahrungen gemacht. Die Arbeit, die Energie, die ich reingesteckt habe, bleibt unverändert gross - bis zum heutigen Tag.»

Apropos Erfahrungen. Wie prägend ist das halbe Jahr Abstiegskampf in Augsburg 2019 und die nachfolgende Aufstiegssaison mit dem VfB Stuttgart?

«Speziell auf meiner Position sind Erfahrungswerte Gold wert. In der Bundesliga standen lange vor allem routinierte Torhüter zwischen den Pfosten. Es ist eine wichtige Eigenschaft, gewisse Dinge durchgemacht zu haben. Deshalb waren die beiden Stationen in Augsburg und Stuttgart hilfreich für mich.»

Sie sind vor inzwischen zehn Jahren nach Deutschland gegangen. Ihr Standing hat sich umfassend verändert - aus dem forschen Jungspund ist in Dortmund innert Kürze ein reifer Vizecaptain geworden. Wie sehen Sie Ihre Rolle beim BVB?

«Man kann in einem Fussball-Team eine Rolle nicht beanspruchen. Man wächst hinein. Mir macht es Spass, Teil dieser Kerngruppe zu sein, mich einbringen zu können. Mir gefällt es, die Ziele miteinander anzugehen. Und richtig, ich versuche in meiner Karriere durchwegs vorwärts zu schauen und mich weiter zu entwickeln. Eine kritische Ehrlichkeit zu mir selber war und ist dabei kein Nachteil.»

Die vorzeitige Vertragsverlängerung im letzten Oktober bis 2028 kam in der BVB-Community vorzüglich an.

«Ich fühle mich ungemein wohl hier. Ich spüre und sehe hier die Ambition, Titel und Pokale zu gewinnen. Für mich ist der sportliche Aspekt enorm wichtig. Dortmund ist der Platz, um weiter jeden Tag besser werden zu können, um etwas gewinnen zu können. Die Vertragsverlängerung ist schon auch ein Statement von meiner Seite.»

Ein Statement sind auch die Noten des Fachmagazins Kicker. Seit bald zwei Saisons sind Sie in der allgemeinen Wahrnehmung die Nummer 1 der Bundesliga.

«Mir ist es eine Ehre, so eingestuft zu werden. Als Kind habe ich immer wieder nach Deutschland geschaut. Die grosse Fussball-Nation, die Bundesliga. Alle schauten dorthin. Dass ich jetzt so wahrgenommen werde, ist natürlich schon ein richtig schönes Gefühl. Aber ich bin auch froh, dass solche Einschätzungen andere vornehmen.»

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