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Brigitte Wolf – engagiert, aber OL ist in den Hintergrund

Brigitte Wolf hat als Orientierungsläuferin viele Triumphe gefeiert. 2003 trat sie zurück. Mit OL hat die in Chur aufgewachsene und längst im Wallis lebende 44-Jährige heute nicht mehr viel zu tun. Viel Zeit bliebe ihr dafür wohl auch nicht.

Südostschweiz
03.01.12 - 10:00 Uhr

Von Jürg Sigel

Orientierungslauf. – Eine erfolgreichere Orientierungsläuferin als Brigitte Wolf hat es in Graubünden nie gegeben. Als Wolf im Alter von zehn Jahren mit OL begann, ahnte niemand, dass soeben eine grosse Karriere gestartet wurde. 17-mal liess sich Wolf, mit 20 Jahren ins Nationalkader aufgenommen, als Schweizer Meisterin (Einzel, Staffel und Mannschaft) feiern, dreimal holte sie EM-Silber (2000 in der Langdistanz sowie 2002 in der Mitteldistanz und mit der Staffel). An der WM 1997 liess sie sich die Bronzemedaille umhängen. Und es kam noch besser: 2003 gewann sie zusammen mit Vroni König-Salmi und Simone Niggli-Luder WM-Gold in der Staffel und Bronze in der Langdistanz.

«Der Spitzensport war eine gute Zeit»

«Hätten die Weltmeisterschaften damals nicht in der Schweiz stattgefunden, wäre ich vielleicht vier Jahre vorher zurückgetreten. Doch an Titelkämpfen in der Schweiz wollte ich unbedingt dabei sein», sagt Wolf. Als Weltmeisterin beendete die 1967 in Chur geborene Brigitte Wolf ihre Aktivkarriere, wendete sich vorerst aber noch nicht ganz vom OL ab. Bis vor zwei Jahren war sie im Verband im Bereich Spitzensport als Medienchefin tätig. Inzwischen ist OL für sie jedoch weit in den Hintergrund gerückt. Andere Ex-Sportler blicken manchmal mit etwas Wehmut zurück, nicht so Brigitte Wolf. «Der Spitzensport war eine gute Zeit und eine Lebensschule», sagt sie. «Hätte ich beispielsweise an der WM im eigenen Land keine Medaille gewonnen, wäre dies eine Enttäuschung gewesen. Für mein heutiges Leben haben diese Erfolge aber keine Bedeutung mehr.» Wolf hat beruflich vieles erreicht, «ohne dass ich dabei von meinem Namen hätte profitieren können. Im OL ist das in der Schweiz halt schwierig, auch wenn man erfolgreich ist oder war.» Da könne man später nicht als TV-Experte einsteigen wie etwa Alain Sutter (Fussball) oder Bernhard Russi (Ski alpin). «Aber das war auch nie mein Ziel.»

Umzug ins Wallis der Liebe wegen

Dass sie heute praktisch keine OL mehr läuft, liegt auch an ihrem Wohnort. 1995 ist Wolf von Chur ins Wallis umgezogen, «der Liebe wegen». Die Liebe ist nie erloschen. 16 Jahre später lebt sie noch immer mit ihrem Freund zusammen – in Bitsch, wenige Autominuten von Brig entfernt. «Gäbe es an meinem Wohnort oder in der Nähe einen OL-Verein, wäre ich in diesem vielleicht in irgendeiner Funktion tätig. Doch OL existiert im Wallis praktisch nicht.» So verwundert es wenig, dass auch ihr Lebenspartner «schon während meiner Karriere nie etwas mit OL am Hut hatte. Aber er hat mich immer unterstützt.» Sport ist für Wolf jedoch wichtig geblieben, «um fit zu bleiben». Nebem dem Laufen ist zuzeit Bergsteigen und Klettern Trumpf. «Berge gibt es im Wallis ja genug … Und ein-, zweimal im Jahr setze ich mir ein grösseres Ziel. Im April 2012 werde ich mit meinen beiden Bergkolleginnen wieder die Partrouille des Glacies bestreiten», verrät die 44-Jährige. In den letzten Jahren bestritt sie – meistens mit beachtlichen Klassierungen – den Zermatt-Marathon, Langstreckenrennen wie den 100-Kilometer-Lauf in Biel oder den Gigathlon. Zudem führte sie 2008 der Swiss Alpine Marathon in Davos oder im letzten Jahr der Graubünden Marathon in ihre alte Heimat zurück. Ansonsten hält sie sich wenig im Kanton auf, in welchem sie aufgewachsen ist. «Meine Mutter besucht mich öfter im Wallis, als ich sie in Chur besuche», so Wolf. Heimweh habe sie nicht. «Als Orientierungsläuferin war ich ja oft unterwegs, so dass ich in Chur nie viele Freunde hatte.» Wolf hat sich voll und ganz im Wallis eingelebt. «Hier habe ich meinen neuen Freundeskreis.»

In Chur hatte Wolf 1987 die eidgenössische Matura absolviert und dann ein Biologie-Studium in Zürich begonnen, das sie 1993 mit dem Diplom erfolgreich abschloss. Und vom Wald, dort, wo der OL weitgehend stattfindet, kam Wolf nie los. Für diesen hat sie sich schon eingesetzt, als sie noch aktive Orientierungsläuferin war. Umwelt und Natur lagen der freischaffenden Biologin schon immer am Herzen. Seit vielen Jahren engagiert sie sich in verschiedenen Umweltorganisationen. Seit 2004 ist sie Geschäftsleiterin der Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft für den Wald (AfW) und seit 2009 Kommunikationsverantwortliche des Landschaftsparks Binntal, einem regionalen Naturpark.

Präsidentin der Grünen Partei Oberwallis

Die Frage an Wolf, was sie bisher alles getan hat, ist eigentlich falsch formuliert. Richtig wäre: «Was haben Sie bisher nicht getan?» Wolf lacht. «Es stimmt, ich habe sehr viele Interessen und habe mich immer schon in verschiedenen Bereichen engagiert.» Neben dem beruflichen Engagement ist sie Präsidentin der Walliser Gesellschaft für Wildtierbiologie, Vorstandsmitgied der Naturforschenden Gesellschaft Oberwallis und Rennleiterin des Gondo Events, einem Zweitages-Doppelmarathon. Im Frühjahr 2011 erschien ihr erstes eigenes Buch mit dem Titel «Verantwortungsarten Wallis. Pflanzen – Schmetterlinge – Heuschrecken – Schnecken», für welches sie neben den Texten auch die Fotos selber gemacht hat. Auch in der Politik mischt sie mit. «Ich bin Präsidentin der Grünen Partei Oberwallis und kandidierte bei den Wahlen 2011 für den National- und Ständerat», verrät Brigitte Wolf, die das, was sie tut, gewissenhaft und richtig tut. So gesehen ist es schade, dass sie dem OL «verloren» ging. Allerdings würde ihr dafür bei ihren zahlreichen Tätigkeiten wohl auch die Zeit fehlen.

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