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Nichts steht auf dem Prüfstand

Wenn barbarischer Terror unsere offenen Gesellschaften verändert, dann hat barbarischer Terror gesiegt.

Südostschweiz
15.11.15 - 19:25 Uhr
Politik

Europa werde ab sofort nicht mehr derselbe Kontinent sein, werde sich für immer verändern. Die offenen, auf der Respektierung und dem Schutz der Freiheits- und Bürgerrechte jedes Einzelnen aufgebauten Gesellschaften des Westens stünden auf dem Prüfstand. Solches und Ähnliches ist seit den barbarischen Terrorakten in Paris vom Freitag da und dort zu lesen.

Wenn dies aber die Reaktion einer europäischen – oder westlichen – «Wertegemeinschaft» auf die Bluttaten einer Handvoll Terroristen ist, dann ist es eine schwache, ja eine feige Reaktion. Eine Reaktion, die einen erschreckenden Mangel an Selbstbewusstsein offenlegt. Und obendrein einen erschreckenden Mangel an Bewusstsein dafür, was jede und jeder Einzelne von uns unserer freiheitlichen Ordnung zu verdanken hat.

Selbstverständlich muss diese Gesellschaft sich mit allen rechtsstaatlichen Mitteln vor jedweder Art von Fanatikern und Gewalttätern schützen. Selbstverständlich hat der Bürger nicht nur ein Recht auf freie Meinungsäusserung, Religions- oder Reisefreiheit, sondern eben auch ein Recht auf Unversehrtheit, auf Schutz durch einen Staat und seine Sicherheitsorgane.

Aber das Gewährleisten dieser Sicherheit vor religiösen, politischen oder anderen Amokläufern erschöpft sich nicht in schärferen Kontrollen oder totalerer Überwachung. Anschläge in Thailand oder Russland beweisen, dass auch Militär- und Geheimdienstregimes nicht imstande sind, Terrorismus zu verhindern und den Einzelnen zu schützen. Auch das Frankreich seit «Charlie Hebdo» zeigt, dass das Anziehen der Sicherheitsschraube nur sehr bedingt mehr Sicherheit garantiert.

Die innere Sicherheit ist letztlich dort am grössten, wo sich eine Gesellschaft ihrer selbst und der Richtigkeit und Gültigkeit ihrer Werte sicher ist. Dort, wo möglichst alle an den Vorteilen teilhaben, die eine Ordnung für den Einzelnen bereithält. Wo möglichst wenige an Rändern leben, an denen die Segnungen dieser Ordnung nicht mehr ankommen.

Im Namen der Sicherheit nun Rechte infrage zu stellen und Werte über Bord zu werfen, wäre eine schändliche Kapitulation. Eine Kapitulation letztlich vor Barbaren.

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