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Tischtennis: Schnell und schwierig

Tischtennis gehört in der Schweiz zu den Randsportarten, in Chur aber erfreut sich der Sport grosser Beliebtheit

Bündner Woche
09.05.24 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit
Den Ball im Blick: gar nicht so einfach beim schnellen Ballwechsel beim Tischtennis.
Den Ball im Blick: gar nicht so einfach beim schnellen Ballwechsel beim Tischtennis.
Cindy Ziegler

von Cindy Ziegler

Schwerer Regen fällt auf das Dach der Dreifachhalle der Churer Sportanlage Sand. Für Sport an der frischen Luft konnte sich am ersten Donnerstag im Mai niemand begeistern. Drinnen im Trockenen aber läuft vieles. Unihockey, Volley- und Basketball, Schwimmen – und Tischtennis. In zwei Hallen stehen mehrere Tischtennisplatten parallel zueinander. Rasend schnell wechseln die Bälle die Seite. Von links nach rechts. Von rechts nach links. Und wieder zurück. Aufschlag. Man kann mit den Augen kaum folgen. Trainer Michal Kubat gibt Anweisungen. «Tiefer in die Knie», sagt er zu einem Mann. Der Tscheche selbst ist professioneller Spieler und wird als externer Trainer vom Tischtennisclub Chur eingesetzt. Mit geschultem Auge sieht er dem Ball nach und blickt dann auf die Handhaltung des Spielers. Er ist noch nicht ganz zufrieden.

Vom Rasentennis zum Raumtennis

Tischtennis gehört wie Tennis zu den Rückschlagsportarten. Ursprünglich entwickelte sich der Sport aus dem normalen Tennis heraus. Eine Frühform wurde bereits 1874 in England gespielt – damals vor allem vom Adel im Freien. Wegen des berühmten englischen Regenwetters wurde aus dem Rasentennis dann Raumtennis. 1875 formulierte ein Engländer die ersten Regeln für das, was heute als Tischtennis bekannt ist. Nach dem Ersten Weltkrieg entwickelte es sich von der Freizeitbeschäftigung Pingpong zum Wettkampfsport Tischtennis. Seit 1988 ist Letzteres olympisch.

Tischtennis ist seit 1988 olympisch.
Tischtennis ist seit 1988 olympisch.
Cindy Ziegler

In der Schweiz gehört Tischtennis zu den Randsportarten. Ganz anders in Deutschland (670 000 lizenzierte Spielerinnen und Spieler), Russland (3 Millionen) und China (10 Millionen). Und dennoch. In Chur lebt der Sport. Den Churer Verein gibt es seit bald 80 Jahren und – ganz anders als andere Vereine – hatte und hat er keine Nachwuchsprobleme. Mit zwei Jugendmannschaften, drei Seniorenteams und neun aktiven Mannschaften gehört der Tischtennisclub Chur zu den grössten der Schweiz. Jugendtrainer Andreas Bossi weiss warum: «Tischtennis ist eine der wenigen Sportarten, die generationsübergreifend funktionieren. Bei uns trainieren 70-Jährige mit der Jugend.»

«Tischtennis ist viel mentale Arbeit»
Andreas Bossi, Jugendtrainer


Währenddessen in der Halle. Trainer Kubat hat von den Aufschlagübungen zum Spiel gewechselt. Die Spielerinnen und Spieler treffen sich am Tisch für einen Satz auf 11. Ja, auf 11. Ein weitverbreiteter Irrtum ist, dass man auf 21 spielt. «Diese Regelung gibt es seit etwa 25 Jahren nicht mehr», erklärt Andreas Bossi. Es gewinnt, wer zuerst drei Gewinnsätze für sich entscheidet. Und übrigens muss auch nicht übers Kreuz angespielt werden. Allgemein muss sich der Verein mit vielen Vorurteilen auseinandersetzen. «Tischtennis ist ein anspruchsvoller Sport, der neben einer guten Koordination auch eine schnelle Reaktion verlangt.» Und mehr noch: «Tischtennis ist viel mentale Arbeit», so der Jugendtrainer.

Genau, präzise und wahnsinnig schnell


Vielfach werde Tischtennis unterschätzt und mit Pingpong verwechselt, das gerne im Sommer auf dem Pausenplatz gespielt wird. «Oft wird Tischtennis deshalb belächelt. Aber nach zwei Stunden Training hat man Muskelkater», weiss Andreas Bossi. Viele der Mitglieder des Tischtennisclubs Chur trainieren bis zu viermal pro Woche. Es ist ein hohes Niveau. Wenn man kein Gefühl für den Ball habe, dann könne man das mit Tischtennis gleich vergessen. «Tischtennis ist meiner Meinung nach die schwierigste aller Rückschlagsportarten. Sie ist genau, präzise und wahnsinnig schnell. Zudem ist man sich am Tisch nahe, weshalb man nicht nur Physis, sondern auch die Psyche trainieren muss.»

Beim Training wird deshalb mehrstufig gearbeitet. Es beginnt mit Aufwärmen. Dann wird die Koordination trainiert, zum Beispiel mit Jonglieren. «Dabei geht es darum, dass man den Ball immer im Auge hat», erklärt Andreas Bossi. Geübt werden aber auch Schnelligkeit und Reaktionsfähigkeit. Das Handgelenk kommt viel zum Einsatz und es werden viele Seitwärtsbewegungen verlangt.

Die Grundelemente des Ursprungsports Tennis sind auch beim Tischtennis elementar: Ball…
Die Grundelemente des Ursprungsports Tennis sind auch beim Tischtennis elementar: Ball…
Cindy Ziegler
… Netz…
… Netz…
Cindy Ziegler
… und Schläger.
… und Schläger.
Cindy Ziegler

Satz Nummer 1 ist entschieden. Die Spielerinnen und Spieler klatschen sich ab und wechseln die Tische. So gibt es immer wieder neue Paarungen. Etwas wie ein Einspielen gibt es nicht. Sofort wechselt der Ball wieder die Seiten. Rasend schnell. Von links nach rechts. Von rechts nach links. Und wieder zurück. Aufschlag.

«Es gibt viele gute Gründe, um Tischtennis zu spielen», meint Andreas Bossi. Er schätzt, dass der Sport sehr variantenreich sei. «Je nachdem, wie man den Ball anschneidet, muss der Gegner oder die Gegnerin anders reagieren.» Das allerbeste aber sei, dass er Tischtennis auch noch mit 90 oder länger spielen könne, sagt der Juniorentrainer und lacht. 

Wie die meisten hat auch bei Andreas Bossi alles auf dem Pausenplatz begonnen. «Aber das war kein Tischtennis, sondern Pingpong. Wenn es ‘luftet’, dann kann man keinen ‘gescheiten’ Schnitt machen», erklärt er. Und tatsächlich. Als Laiin versteht man im Training wenig. Liest man sich die offiziellen Regeln durch, noch viel weniger.

Bis zu viermal pro Wochen trainieren die Spielerinnen und Spieler des Tischtennisclubs Chur.
Bis zu viermal pro Wochen trainieren die Spielerinnen und Spieler des Tischtennisclubs Chur.
Cindy Ziegler

Wenden wir uns also zum Schluss noch kurz Rekorden zu. Diese sind einfacher verständlich. Das längste Mannschaftsspiel wurde 1936 in Prag ausgetragen. Das Finale um den Swaythling-Cup zwischen Österreich und Rumänien begann am Sonntag, dem 15. März, um 11 Uhr und endete am folgenden Mittwoch. Am Ende gewann Österreich. Der längste Ballwechsel dauerte laut Guinnessbuch 8 Stunden, 30 Minuten und 6 Sekunden zwischen den US-Amerikanern Max Fergus und Luke Logan. Dieser Rekord wurde später um mehr als 10 Minuten überboten von Daniel Ives und seinem Vater Peter, allerdings liegt dafür noch kein Eintrag im Guinnessbuch vor.

Zurück in die Halle: Michal Kubat klatscht in die Hände. Er hat sich während des Spiels einen Überblick verschaffen und ist grundsätzlich zufrieden. Auch wenn es immer besser gehen würde. Durch und durch Sportler eben.

www.ttcchur.ch

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