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Grenzüberschreitung war sein Programm - Künstler Günter Brus ist tot

Günter Brus war einmal das Schmuddelkind der Kunstszene, dann Staatsfeind in Österreich. Seine Kunst schockierte und trieb ihn einst zur Flucht nach Berlin. Aus der Empörung wurde aber Jahre später Bewunderung. Der Künstler des «Wiener Aktionismus» erhielt viele Auszeichnungen, und in Graz 2011 ein eigenes Museum: das «Bruseum» innerhalb der Neuen Galerie Graz. Bis zu seinem Tod am 10. Februar lebte er in seiner Heimatstadt Graz.

Agentur
sda
11.02.24 - 12:36 Uhr
Kultur
ARCHIV - Günter Brus auf einer Aufnahme aus dem Jahr 2018. Der Künstler ist im Alter von 85 Jahren gestorben. Foto: Hans Punz/APA/dpa
ARCHIV - Günter Brus auf einer Aufnahme aus dem Jahr 2018. Der Künstler ist im Alter von 85 Jahren gestorben. Foto: Hans Punz/APA/dpa
Keystone/APA/Hans Punz

Brus wurde 1968 berühmt-berüchtigt durch die Aktion «Kunst und Revolution» in der Universität Wien. Sie ging als Uni-Ferkelei in die Geschichte ein. Um die Nachkriegs-Gesellschaft aufzurütteln, brach er dabei mit Künstlerkollegen zahlreiche Tabus: Brus schnitt sich mit einer Rasierklinge, beschmierte sich mit eigenem Kot, onanierte - und sang dabei die österreichische Nationalhymne.

Für manchen Zuschauer überschritt seine Kunst die ästhetische Schmerzgrenze. Er bezeichnete dies aber als notwendige Weckrufe in einem zugestaubten Österreich. «Es war, leicht übertrieben, ein Polizeistaat», sagte Günter Brus später. Für die Uni-Ferkelei wurde er wegen «Herabwürdigung österreichischer Symbole und Verletzung der Sittlichkeit und Schamhaftigkeit» zu sechs Monaten Haft verurteilt.

Anarchistischen Charakter hätten solche Aktionen gehabt, sagte Brus. Sie seien im Besonderen auf die Situation in Österreich ausgerichtet gewesen. «Es war schier unerträglich, in welchem pseudodemokratischen Land wir damals gelebt haben.» Die anschliessende Flucht vor dem Gefängnis nach Berlin bezeichnete er als «das Positivste für mich persönlich, Berlin war für mich ein Befreiungsschlag».

Brus wurde 1938 als Sohn eines Gemischtwarenhändlers in der Steiermark geboren, nach seiner Schulzeit studierte er in Graz und Wien Kunst, bis er zum Militärdienst musste. In den 60er-Jahren begründete der experimentierfreudige Maler unter dem Einfluss des amerikanischen «Action Painting» mit Künstlern wie Hermann Nitsch, Otto Muehl und Rudolf Schwarzkogler den Wiener Aktionismus. Im Widerspruch zu geltenden künstlerischen Konventionen veranstaltete er aufsehenerregende Aktionen, in denen er seinen gesamten Körper, gerne nackt, für die Kunst einsetzte.

Mit skandalösen Performances hielt er sich nach der «Uni-Ferkelei» aber zunehmend zurück. Stattdessen malte Brus und schuf dabei magische wie manische Bildwelten. Je älter er wurde, desto mehr sah er sich zudem als Autor. Für romanähnliche Werke fehlte ihm nach eigenen Angaben aber der Atem.

Nachdem seine Haftstrafe vom damaligen Bundespräsidenten in eine Geldstrafe umgewandelt wurde, kehrte Brus 1979 nach Österreich zurück. Dort begann erst in den 1980er-Jahren eine offensive Auseinandersetzung mit Licht und Schatten der österreichischen Geschichte, und Brus wurde mit den Jahren rehabilitiert: Unter vielen anderen Auszeichnungen erhielt er 1996 den Grossen Österreichischen Staatspreis für Bildende Kunst.

Von scharfer Gesellschaftskritik liess sich Brus bis ins hohe Alter nicht abbringen. «Es ist eine Trägheit entstanden, die durch den Wohlstand begründet ist», sagte er kurz vor seinem 80. Geburtstag. «Die Leute sind politisch zu faul, um nachzudenken.» Die dauerhafte Heimat-Sehnsucht, die in Filmen, im Fernsehen und nicht zuletzt von «Pseudo-Popsängern, Gabalier und so» angeheizt werde, könne er fast nicht ertragen.

Sich erneut mit radikaler Kunst dagegen stellen, das wollte Brus aber nicht mehr. Er habe künstlerisch alles erreicht, sagte er der Wiener Tageszeitung «Kurier». «Ich bin zufrieden in jeder Hinsicht.»

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