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Bad Ragartz: Eine Tour durch die Freiluftausstellung

In Bad Ragaz startet die 9. Triennale der Skulptur – eine Rundfahrt mit dem Mäzenen-Ehepaar Hohmeister

Bündner Woche
04.05.24 - 04:30 Uhr
Kultur

von Cindy Ziegler

Rolf Hohmeister bittet in sein Kunstmobil. Zur Cabriofahrt durch die Triennale der Skulptur in Bad Ragaz. Noch ist es ein bisschen früh. Erst zur Eröffnung am 4. Mai werden alle Skulpturen dastehen, wo sie bis Ende Oktober bestaunt werden können. Nicht nur ein bisschen früh, sondern auch noch ein bisschen frisch ist es. Und trotzdem, die Rundfahrt wird zum Erlebnis.

Haben Freude an der Kunst: Esther und Rolf Hohmeister.
Haben Freude an der Kunst: Esther und Rolf Hohmeister.
Cindy Ziegler

«Wunderbar, nicht?»

Rolf und Esther Hohmeister organisieren die Kunstveranstaltung «Bad Ragartz» bereits zum neunten Mal. Die Auswahl der Skulpturen, die überall im Dorf ihren Platz finden, machen die beiden zusammen mit einem Gremium, das auch Fachleuten, vor allem aber aus der Familie besteht. Auch der jüngste Enkel habe eine gleichberechtigte Stimme, erklären die beiden vor der Rundfahrt am Küchentisch. In die Küche des Ehepaars kehren wir später zurück. Erster Halt auf der Rundfahrt ist der Kurpark.

Drei Frauen, überlebensgross und im Pop-Art-Stil, heissen willkommen. Rolf Hohmeister parkiert den umgebauten Piaggio Ape und zeigt auf die Skulpturen. «Wunderbar, nicht?», fragt er. Seine Ehefrau auf der Rückbank nickt. Zu jeder der Skulpturen wissen die beiden eine Geschichte zu erzählen. Weiter geht die Fahrt durch den Kurpark. Bei einem grossen Bogen aus hellem Stein hält Chauffeur Hohmeister wieder und steigt aus. «Das ist eines meiner liebsten Werke. Wie schön es sich in die Landschaft einbringt», sagt er und zeigt durch den Bogen. Zwischendurch blitzt die schneebedeckte Falkniskette, der grüne Park und weitere farbige Skulpturen. Nach einem Foto steigen Rolf und Esther Hohmeister wieder ins Kunstmobil. Es geht vorbei an Huhn und Hahn – riesig und in Lila. Der Künstler, Ottmar Hörl hat bereits früher die Maskottchen der Triennale erschaffen. Dieses Jahr also farbiges Federvieh.

Die Farbe übrigens ist nicht zufällig, sondern ganz bewusst ausgesucht. Wie eigentlich alles bei «Bad Ragartz». Rolf Hohmeister erklärt die Farbenlehre Goethes. Dieser nach folgt nach Blau, Grün, Gelb und Orange nun Lila. «Diese Farbe strahlt für mich ein positives Gefühl aus. Eine schöne Ruhe. Vielleicht auch darum, ist es auch die Farbe der Fastenzeit», sagt Esther Hohmeister. Tochter Carla, selber Künstlerin, spricht am Küchentisch von einem Gegensatz zum Trubel, der doch leuchtend ist. Und ihr Vater, Rolf Hohmeister, ergänzt: «Inhaltlich bedeutet Lila aber auch Zukunft. Das passt zur Triennale.»

Kunst mit Bezug zur Gegenwart

Zukunftsfähig ist die Skulpturenausstellung. Gegenwart ist dennoch das diesjährige Motto. Dieses soll immer das Wort Kunst – oder eben Art – beinhalten. Aber mehr noch. Die Gegenwart ist Teil der Ausstellung und der Skulpturen. Im Giessenpark zeigt Rolf Hohmeister das an einem Werk. Pinocchio zieht die Fäden und dirigiert die Menschen, die er unter sich hat. Seine Nase ist vom Lügen lang. «Wie viele Staatschefs gibt es auf dieser Welt, die lügend und manipulierend regieren? Dieses Werk eines chinesischen Künstlers hat eine grosse Aussagekraft», erklärt Rolf Hohmeister. Wir sehen weitere Skulpturen. Bei einer ist es Esther Hohmeister, die aussteigt und die Skulptur umarmt. Als sie sie wieder loslässt, erklingen sanfte Klänge.

Als Esther Hohmeister die Skulptur wieder loslässt, erklingen sanfte Klänge.
Als Esther Hohmeister die Skulptur wieder loslässt, erklingen sanfte Klänge.
Cindy Ziegler

450 Kunstwerke von 88 Kunstschaffenden

Beim Golfpark sind Mitarbeitende der Firma Käppeli gerade dabei, eine mehrteilige Skulptur aufzustellen. Mit dabei der Künstler aus Hamburg. Rolf und Esther Hohmeister halten an zum kurzen Schwatz. Zur Begrüssung umarmen sie sich. Es ist ein enges Verhältnis, das die Hohmeisters mit den Kunstschaffenden pflegen. Rolf Hohmeister rechnet am Küchentisch vor: In den über 20 Jahren, seit es die Triennale gibt, sassen über 10 000 Künstlerinnen und Künstler an ebendiesem schlichten Holztisch im Hause Hohmeister. Und er trumpft mit weiteren beeindruckenden Zahlen nach. Bei der diesjährigen Ausgabe der Skulpturenausstellung werden 2400 Tonnen Kunst von88 Kunstschaffenden ausgestellt. Die 450 Kunstwerke finden ihren Weg aus19 verschiedenen Ländern nach Bad Ragaz und erstmals nach Vaduz, wo die Triennale in diesem Jahr auch Platz einnimmt. Ebenfalls neu in diesem Jahr ist das Labor für junge Kunst. In diesem Rahmen wurden gezielt junge Künstlerinnen und Künstler gefördert, die unter 30 Jahre alt sind.

Alle drei Jahre organisieren und erschaffen Rolf und Esther Hohmeister und ihr Team die Skulpturenausstellung unter freiem Himmel. «Die grösste sicherlich in Europa, vielleicht sogar weltweit», präzisiert Rolf Hohmeister. Er ist damals, in den 1990er-Jahren, Initiant der «Bad Ragartz». Als junger Mann wollte er Künstler werden. «Aber in den 50er-Jahren musste man ja was Rechtes lernen. Und so wurde ich ein Arzt, der Kunst sammelte», sagt er und lacht spitzbübisch. Er sei ein «Nobelmessi». Esther Hohmeister meint, sie sei dann einfach mit auf diesen Zug gesprungen. «Ein Schnellzug», ergänzt sie. Wandert der Blick durchs Wohnzimmer der Hohmeisters, findet man überall Kunst.

Sehen und nicht nur anschauen

Trotz – oder vielleicht auch wegen – des grossen Kunstverständnisses fällt es der Familie Hohmeister schwer zu definieren, was denn nun Kunst überhaupt sei. Esther Hohmeister zitiert Picasso: «Wenn ich wüsste, was Kunst ist, würde ich es für mich behalten.» Kunst soll bewegen und berühren, meint Rolf Hohmeister. Und zwar bei Künstler und Rezipientin. «Im besten Fall entsteht ein Pingpong», sagt er. Carla Hohmeister meint, Kunst brauche Standpunkte. Man müsse sie sehen und nicht nur anschauen.

Die Kunst als Schwester der Natur

Zur Skulpturenausstellung unter freiem Himmel kam es ursprünglich, weil es in Bad Ragaz keine Museumsräume gab. Mittlerweile ist es aber weit mehr als das. «Wir leben seit 50 Jahren in Bad Ragaz. Wir kennen hier jeden Pflasterstein und jeden Hydranten. Uns war es wichtig, dass wir etwas zur Lebensqualität beitragen an dem Ort, wo wir zu Hause sind», erklärt Esther Hohmeister. Kunst füge sich in die Umgebung ein. «Im besten Fall ist die Skulptur die Schwester der Natur. Die eine lässt der anderen Platz und umgekehrt», so Rolf Hohmeister. Auch hier wieder die Gegenseitigkeit. Bad Ragaz mit seinen Parkanlagen sei prädestiniert für diese Ausstellung, die zum Spazieren einlädt.

 

 

Kunst soll bewegen und berühren, meint Rolf Hohmeister.
Kunst soll bewegen und berühren, meint Rolf Hohmeister.
Cindy Ziegler

In den Jahrzehnten, in denen es Triennale nun schon gibt, hat sich einerseits viel verändert und andererseits auch gar nichts. «Heute ist die Kunst weniger statisch. Sie ist dynamisch und spielt mit Licht, Ton und Bewegung. Inhaltlich beschäftigt sie sich aber immer noch mit demselben. Mit der Gesellschaft», so der Mäzen. Und mit den Jahren hätten auch immer mehr Besucherinnen und Besucher den Weg nach Bad Ragaz gefunden. Wobei, so richtig messen lässt sich das nicht. «Kunst kann man sowieso schlecht mit Zahlen darstellen», findet Rolf Hohmeister.

Die Hohmeisters sind zum Zmittag mit einem Künstler verabredet. Die Vorfreude auf die neunte Ausgabe von «Bad Ragartz» ist den beiden anzumerken. Genauso wie die Liebe zu Formen und Farben und zu Bad Ragaz. Dem Ort, wo es Träume gibt. Träume, die sich das Ehepaar erfüllt hat und gerne mit allen teilt. «Die Triennale ist ein Geschenk», sagt Esther Hohmeister.

Die neunte Schweizerische Triennale der Skulptur in Bad Ragaz findet vom 4. Mai bis zum 30. Oktober statt. Das Rahmenprogramm sowie weitere Informationen unter www.badragartz.ch.

 

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