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Wie die Flimser das Martinsloch verdeckten und den Elmern die Sonne stahlen

Am 1. Oktober 1989 deckten waghalsige Bündner das Martinsloch mit einer Blache ab, um den Elmern die durchscheinende Sonne zu stehlen. Stefan Casanova erinnert sich an ihre Aktion.

Südostschweiz
12.10.22 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit

von Stefan Casanova*

Mit Erstaunen habe ich die Geschichte von der gestohlenen Sonne im Martinsloch gelesen. Vor allem, weil sie ja mittlerweile 33 Jahre her ist. Da scheinen wir acht ja etwas Nachhaltiges produziert zu haben.

Thomas Dvorak, Urs Züst, Thomas Casanova, Walter Biei, Rene Albin, Beat Hoitinga, Christoph Spadin und ich hatten damals das Ganze inszeniert. Unser Vorhaben war nicht ganz einfach. Zuerst entschieden wir uns für schwarzen Stoff, von dem wir 150 Quadratmeter gekauft hatten. Wir mussten jedoch feststellen, dass er zu lichtdurchlässig für unsere Idee war. Deshalb nahmen wir schwarzen Gartenplastik, den wir in Flims im ehemaligen Parkhaus mit Tape zusammenklebten. Die entstandene Riesenblache war ziemlich schwer.

Einen Plan B ausdenken

Zwei Wochen vorher kletterten Thomas Dvorak und ich über das Martinsloch, um Kletterhaken in den Fels zu bohren. Durch die Haken zogen wir Schnüre, mit denen später die Seile eingezogen wurden, um die Blache hochziehen.

«Am Morgen der Schock. Flims lag unter einer dicken Nebeldecke. Wir dachten, alle Vorbereitungen waren umsonst.»

Stefan Casanova, hat das Martinsloch abgedeckt

Bei der nächsten Besichtigung, eine Woche vor dem Sonnenereignis, stellten wir fest, dass eine Schnur nicht mehr da war. Deshalb wollten wir nochmals aufs Martinsloch klettern. Als wir auf dem Segnespass zum Abmarsch bereitstanden, haben wir uns aber wegen des Schnees und den sonst schlechten Wetterverhältnissen nicht mehr getraut. So mussten wir uns einen Plan B ausdenken oder die Sache vergessen. Wir gingen zurück zum Martinsloch und spannten neue Seile, so hoch wie möglich.

Zu fünft an einer Ecke ziehend

Einen Tag vor unserer Verdunklungsaktion haben wir den Plastik und alles andere Material im Loch deponiert und so weit es ging vorbereitet. In der Segneshütte übernachteten wir. Am nächsten Morgen der Schock. Flims lag unter einer dichten Nebeldecke. Wir dachten, alles war umsonst. Es war hart, uns zu motivieren trotzdem hochzusteigen. Aber es hatte sich gelohnt. Elm war nebelfrei, und so machten wir uns an die Arbeit. In Elm postierten sich Beat Hoitinga und Christoph Spadin mit Funkgeräten. Sie sollten uns helfen, den genauen Zeitpunkt für das Hochziehen der Blache zu ermitteln. Als es so weit war, blies der Wind sehr stark. Drei Ecken waren bereits fixiert, die vierte hielten wir zu fünft mit einem Seil fest. Einige Minuten ging das gut, bis der einzige Haken, den wir nicht selbst gebohrt hatten, ausriss. Es gab einen Knall, und alle unsere Rucksäcke hingen wie an einer Perlenschnur im Martinsloch. Somit wars das mit unserem Vorhaben, das Loch zu verdecken.

Es hat sich gelohnt: Die jungen Flimser werden mit einem herrlichen Farbenspiel belohnt.
Es hat sich gelohnt: Die jungen Flimser werden mit einem herrlichen Farbenspiel belohnt.
Bild Thomas Dvorak

Die Reaktionen, die wir damals ausgelöst hatten, waren ziemlich schräg. Es wurde sogar über ein Verbrechen gesprochen.

Elmer dachten über rechtliche Schritte nach

Im November 1989, einige Wochen später, hatte ich einen Skipatrol-Kurs in den Flumserbergen. Kursleiter war damals der Elmer Walter Bäbler. Wenn ich mich recht erinnere, war er damals Gemeinderat. Er erzählte mir, wie sich die Elmer über die Sache aufgeregt und sogar rechtliche Schritte abgeklärt hätten. Daraufhin schrieb ich ihm einen Brief. Er sollte weniger eine Entschuldigung, sondern eher im Stil «Hey, nehmt das nicht so ernst, wir sind doch gute Nachbarn» sein.

Ganz anonym agierten wir damals also nicht. Zumindest wusste Walter Bäbler genau, wer wir waren. Auf meinen Brief antwortete er mit einer Karte, die ich die letzten 33 Jahre über stets aufbewahrt habe.

* Stefan Casanova, 53, lebt in Flims. Er ist Inhaber einer Sportartikel-Distribution.

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