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«Haut ist dünner geworden»

Frank Hillgärtner arbeitet seit fünf Jahren auf der Intensivstation (IPS) im Kantonsspital Graubünden. Seit der Coronakrise sind die Tage des Leitenden Arztes länger als sonst geworden. Er berichtet uns von seiner Spätschicht, die morgens um 10 Uhr begann und nachts um 1 Uhr zu Ende ging.

22.04.20 - 11:00 Uhr
Leben & Freizeit

«Als ich um 10 Uhr ins Spital kam, stand eine Sitzung mit dem verantwortlichen Kader auf dem Programm. Dabei besprachen wir das Behandlungskonzept für die Covid-19-Patienten. Hier ging es zum Beispiel um die richtige Ernährung, die Beatmung und die Schmerztherapie. Danach erfasste ich Patientendaten für das neu geschaffene, nationale Register. Darin halten wir die Daten der Covid-19-Patienten fest. Neben einigen Vitalfunktionen erfassen wir Vorerkrankungen, das Alter und den Verlauf der Krankheit. Ebenso wird erfasst, wohin der Weg nach der Intensivstation geführt hat; auf die normale Abteilung oder ob der Patient verstorben ist?

Bevor die Übergabe meines Kollegen der Frühschicht an mich erfolgte, las ich mich in die Patientenakten ein. Kaum hatte ich den Dienst übernommen, folgte ein Neueintritt eines Covid-19-Patienten, den es zu versorgen galt. Hier geht es beispielsweise um die richtige Beatmung und die Gabe von Antibiotika.

Frank Hillgärtner arbeitet seit fünf Jahren auf der Intensivstation (IPS) im Kantonsspital Graubünden.
Frank Hillgärtner arbeitet seit fünf Jahren auf der Intensivstation (IPS) im Kantonsspital Graubünden.

Bevor die Patienten auf die IPS kommen, werden sie auf einer Covid spezialisierten normalen Abteilung oder in auswärtigen Spitälern behandelt. Die Patienten sind mehrere Wochen bei uns auf der IPS – bei unkomplizierten Verläufen.

Nachdem der Neueintritt versorgt war, machte ich bis circa 21 Uhr Visite bei jedem unserer Patienten. Dabei trage ich immer eine persönliche Schutzausrüstung. Bei Eingriffen, zum Beispiel einer Lungenspiegelung, braucht es die Montur mit Helm zum Eigenschutz. Die Arbeit damit ist ungewohnt und anstrengend, insbesondere weil es heiss und stickig ist.

Bei Eingriffen braucht es die Montur mit Helm zum Eigenschutz.
Bei Eingriffen braucht es die Montur mit Helm zum Eigenschutz.

Damit eine Weiterverbreitung des Virus vermieden wird, ist der Vorgang des richtigen An- und Auskleidens genau vorgeschrieben.

Innerhalb kurzer Zeit haben wir sehr viel neues Personal rekrutiert. Ärzte, Oberärzte und Pflegepersonal aus anderen Bereichen unterstützen uns bei unserer Arbeit. Nur so konnten wir den erwarteten Ansturm an Mehrarbeit auf zwei gleichzeitig betriebenen Intensivstationen organisieren. Einerseits sind wir für die Hilfe dankbar! Anderseits ist die Eingliederung dieser Mitarbeiter zeit- und organisationsaufwendig.

Die eingespielten Teams und der tägliche Betrieb, wie man ihn kennt, haben sich verändert. Man kann sich momentan weniger darauf verlassen, dass eine bewusste Arbeitsroutine vorhanden ist. Grundlegende Abläufe, Therapiekonzepte, wie die Gabe von Medikamenten, müssen häufiger erklärt werden. Man muss auf potenzielle Gefahrenquellen hinweisen, um Fehler zu vermeiden. Aus diesem Grund haben wir bei einigen medizinischen Basissachen eine zusätzliche Kontrollfunktion – das Vier-Augen-Prinzip.

Frank Hillgärtner spät abends bei der mündlichen Übergabe.
Frank Hillgärtner spät abends bei der mündlichen Übergabe.

Ab 22 Uhr gab ich die Verantwortung im Rahmen einer mündlichen Übergabe – die rund eine Stunde dauerte – an den Kollegen der Nachtschicht weiter. Danach musste ich noch einige Sachen dokumentieren.

Es sind fordernde und arbeitsintensive Tage, die Unterstützung von allen Seiten ist enorm. Psychisch sind diese langwierigen, von Komplikationen geprägten, Verläufe belastend und ich spüre, dass die Haut dünner und der Schlaf schlechter geworden ist.»

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