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So seid ihr bereit für die Wanderung: die Tipps vom Profi

Es ist der Volkssport Nummer 1: In der Schweiz ist eine wahre Wanderlust ausgebrochen, auch junge Menschen zieht es öfters in die Berge. Ein Profi gibt Tipps, wie der Wanderausflug zum Erfolg wird.

Claudio
Sidler
06.09.23 - 04:45 Uhr
Freizeitsport
Herrliche Aussichten: Eine Familie passiert den Bärenseewen auf ihrer Bergwanderung oberhalb Schiers im Prättigau, im Hintergrund ist die Schesaplana zu sehen.
Herrliche Aussichten: Eine Familie passiert den Bärenseewen auf ihrer Bergwanderung oberhalb Schiers im Prättigau, im Hintergrund ist die Schesaplana zu sehen.
Bild Arno Balzarini / Keystone

Frische Luft, atemberaubende Aussichten und weisse Berggipfel – das Wandern gehört zur Schweiz wie die Cervelat und das Sackmesser. Über die Hälfte der Schweizer Bevölkerung wandert regelmässig, im Durchschnitt werden im Jahr 15 Wanderungen pro Person unternommen. Diese Zahlen machen das Wandern zur beliebtesten Sportart der Schweiz, wobei es auch junge Menschen immer öfters in die Berge zieht.

Michael Meier vom Verein Wanderwege Graubünden teilt diese Einschätzung: «Ich merke vor allem in den letzten Jahren, dass es auch immer mehr Junge in die Berge zieht. Das ist wunderbar.» Der hauptberufliche Schulleiter aus Seewis ist im Sommer, wann immer möglich, in den Bergen anzutreffen und immer öfters auch als Wanderleiter. «Die Nachfrage nach geführten Wanderungen hat sicherlich zugenommen.» 50 Ausbildungstage und ungefähr 14’000 Franken hat Meier für seine Ausbildung bisher investiert, im Oktober will er zudem noch die eidgenössische Prüfung ablegen.

Vielseitig sei die Ausbildung, erzählt Meier, der in Tourenplanung, Meteorologie, Flora und Fauna, Lawinenkunde, Erste Hilfe und noch vielem mehr geschult wurde. Sein Wissen teilt der Wanderprofi gerne und verrät, was es für eine gelungene Wanderung zu beachten gilt.

Wie fit muss ich sein?

«Nicht jeder ist gleich fit, das muss besonders in einer Gruppe allen klar sein. Auch für leichte Routen braucht man eine gewisse Grundkondition. Diese kann man auch gut im Treppenhaus testen. Kann ich fünf Treppen hochsteigen, ohne zu sehr ins Schnaufen zu kommen? Oder auf einem Spaziergang: Kann ich zügig gehen und nebenbei noch ein Gespräch führen? Neben der Kondition ist aber auch die Trittsicherheit wichtig. Falls die letzte Wanderung schon längere Zeit zurückliegt, empfehle ich, mit einem Spaziergang oder einer sehr leichten Wanderung zu beginnen und sich langsam zu steigern.»

Gut ausgerüstet: Ein Mann mit Schirm wandert von Bivio nach Mulegns.
Gut ausgerüstet: Ein Mann mit Schirm wandert von Bivio nach Mulegns.
Bild Archiv

Wo finde ich eine passende Route?

«Die Vorbereitung für eine Wanderung ist sehr wichtig. Ich empfehle, die Routen beispielsweise auf Graubünden Tourismus auszusuchen, da diese detaillierte Angaben zu Schwierigkeit, Dauer und Strecke zur Verfügung stellen. Das mit der Schwierigkeit ist aber so eine Sache. Unvorhergesehene Dinge wie ein Gewitter können eine Strecke anspruchsvoller machen, man sollte darum nie ganz am Limit wandern. Lieber erst eine leichtere Wanderung wählen und sich langsam steigern.»

Welche Kleidung benötige ich?

«Passende, bequeme und rutschfeste Wanderschuhe sind ein Muss. Es lohnt sich, diese in einem Bergsportgeschäft zu besorgen und nicht im Internet. Die Beratung sind die paar Franken mehr definitiv wert. Trailrunningschuhe sind hingegen nur für Profis, da die Rutschfestigkeit nicht die gleiche ist wie bei einem Wanderschuh. Für den Oberkörper empfehle ich das «Zwiebelprinzip». Mehrere Schichten, die schnell abgelegt oder angezogen werden können. Das Wetter in den Bergen ist oft wechselhaft und ganz anders als im Tal. Baumwolle würde ich dabei meiden, sondern funktionelle und schnell trocknende Kleidung verwenden. Ich habe zudem bei mehrstündigen Touren auch immer eine Regenjacke, Regenhose, Mütze und Handschuhe im Rucksack. Müsste man aus irgendeinem Grund an einem Ort verweilen, kann es schnell ungemütlich werden.»

Was kommt in meinen Rucksack?

«Genug Proviant und genug zu trinken. Gerade beim Wasser sollte man nicht sparen. Für eine Halbtagestour ist ein Liter das Minimum. Traubenzucker ist ebenfalls zu empfehlen, falls plötzlich der Zuckerspiegel zu tief ist. Ich habe zudem immer eine kleine Apotheke dabei, und wenn ich alleine unterwegs bin, eine Powerbank. Man sollte sich in den Bergen aber sowieso nie zu sehr auf das Handy verlassen, da man teilweise auch keinen Empfang hat.»

Muss sein: Eine Wandergruppe macht in Davos eine Pause.
Muss sein: Eine Wandergruppe macht in Davos eine Pause.
Bild Archiv

Was gilt es beim Wetter zu beachten?

«Ich empfehle die Meteo-Suisse-App, um das Wetter zu kontrollieren. Wenn ein Gewitter angekündigt ist, bleibe ich zu Hause. Aber auch das Wetter der vergangenen Tage könnte einen Wanderweg glitschig oder gar unpassierbar machen. Ausserdem sollte man vor einer Wanderung Sonnencreme auftragen und auf jeden Fall eine Sonnenbrille und einen Sonnenhut mitnehmen.»

Was mache ich, wenn mich in den Bergen ein Gewitter überrascht?

«Die Intensität der Gewitter hat in den letzten Jahren zugenommen, besonders in den Bergen bekommt man das zu spüren. Gewitterwarnungen sind darum sehr ernst zu nehmen. Am besten sucht man dann in einem geschützten Raum Unterschlupf. Auf einer freien Fläche sollte man sich derweil so klein wie möglich machen und Ketten und Drähte meiden. Auch Wanderstöcke sollte man wegpacken sowie alles andere aus Metall. Bäume und Wälder sind bei Gewitter gefährliche Orte, denn durch den Wind könnten sich Äste lösen.»

Nicht immer zu empfehlen: Ein Mann füttert auf dem Weg zum Arflinafurgga ein Schottisches Hochlandrind.
Nicht immer zu empfehlen: Ein Mann füttert auf dem Weg zum Arflinafurgga ein Schottisches Hochlandrind.
Bild Archiv

Muss ich mich vor Tieren in Acht nehmen?

«Herdenhunde haben die Aufgabe, ihre Herde zu beschützen. Ein Wanderer kann da schnell als Bedrohung wahrgenommen werden. Ich empfehle, die Herde erst zu beobachten und beim kleinsten Zweifel einen Bogen zu machen. Auch Mutterkühe können ein Risiko darstellen, da sie ihre Kälber verteidigen wollen. Man kann darum nicht jede Kuh streicheln. Ich empfehle auch hier, die Kuh oder die Herde erst zu beobachten und beim kleinsten Zweifel einen Bogen zu machen.»

Was gilt es sonst noch zu beachten?

«Das Trinken nicht vergessen, sonst leidet die Konzentration. Ich empfehle darum regelmässige Pausen. Und nach der Wanderung darf gerne angestossen werden, und man kann dabei auch gleich die eigene Leistung reflektieren. War es mir zu streng? Oder liegt noch mehr drin? Ehrlich mit sich selber zu sein, ist manchmal schwer, aber es lohnt sich.»

Weitere Tipps gibt es auf: www.sicher-bergwandern.ch.

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