Breaking: Für Ella Bürkli ist es Kunst und Sport zugleich
Ella Bürkli ist Breakdancerin. Hier findet ihr ein Gespräch über die neue olympische Disziplin und einen ganzen Lebensstil.
Ella Bürkli ist Breakdancerin. Hier findet ihr ein Gespräch über die neue olympische Disziplin und einen ganzen Lebensstil.

von Cindy Ziegler
In ihren weiten Baggy-Hosen und dem Langarmshirt, das gerade von den trainierten Schultern herunterhängt, wirkt Ella Bürkli anders als andere junge Frauen in ihrem Alter. Die Kleidung lässt erahnen, welchem Sport sich die 17-Jährige verschrieben hat. Seit sie ein kleines Mädchen ist, liebt sie es, zu tanzen. Und seit ein paar Jahren ist es das Breaking, was ihre Leidenschaft ist. Dabei ist das mehr als bloss Tanzen, es ist eben ein ganzer Lebensstil. Doch dazu später mehr.
Wir treffen Ella Bürkli in der Tanzschule Stellwerk, wo sie ihre ersten Schritte auf dem Parkett machte. Die kleine Ella war schon früh mit dabei. Gründerin Regina Vedana erinnert sich noch gut an diese Zeit. Heute sitzt sie neben der jungen Churerin, die kürzlich mit dem Jugendförderung-Sportpreis der Stadt Chur ausgezeichnet wurde. Eine erste Ehrung, der wohl noch ein paar folgen werden. Als sogenanntes B-Girl ist Ella Bürkli erfolgreich, derzeit ist sie sowohl bei der Jugend als auch bei den Erwachsenen die Zweitbeste der Schweiz. An die Olympiade in Paris, wo Breaking heuer zum ersten Mal als Sportart stattfindet, geht Ella Bürkli höchstens als Zuschauerin. Vielleicht in vier Jahren dann richtig, meint sie und grinst.
Eine rohe Form des Tanzens
Breaking – früher Breakdance – ist eine Tanzform, die ursprünglich in der Bronx auf New Yorks Strassen getanzt wurde. In den 1970ern und frühen 1980ern wurde daraus für rivalisierende Gangs eine Alternative für Gewalt. Für Ella Bürkli ist es aber nicht nur das, sondern auch eine Form von Kunst und ein Hochleistungssport. «Breaking ist Tanzen in einer rohen Form. Für mich ist es eine Möglichkeit, mich auszudrücken», erklärt sie. Ausgetragen wird Breaking in sogenannten Battles. Eins gegen eins. Eine Jury von mindestens drei sogenannten Judges bewerten die Aspekte Kreativität, Vokabular, Musikalität, Technik und Ausführung. Dabei kann jedes Jurymitglied Punkte vergeben. Und auch wenn das geregelt sei, komme es auch darauf an, was individuell gefällt, kritisiert die junge Tänzerin.
Menschen ausserhalb der Szene erreichen
Und trotzdem. Dass Breaking nun eine olympische Disziplin ist, sieht Ella Bürkli als Chance für ihren Sport. Denn das trägt ihn in die Welt hinaus und bringt ihn an Menschen, die sich sonst nicht in der Szene bewegen. Auch Regina Vedana freut sich auf den Wettbewerb. Der Weg dahin sei ein langer gewesen, umso wichtiger sei es nun, dass die Battles auch am Fernsehen und vor Ort verfolgt werden – auch wenn sich in diesem Jahr keine Schweizerin und kein Schweizer qualifiziert haben. Breaking ist übrigens die erste Tanzform überhaupt, die Teil einer Olympiade ist.

Ella Bürkli führt ganz kurz durch das Wichtigste, was es zu ihrem Sport, zu ihrer Kunst, zu sagen gibt. Die Battles werden an sogenannten Cyphers ausgetragen, die Athletinnen heissen B-Girls, die Athleten B-Boys. In den Rounds, den Tanzdurchgängen, zeigen sie Bewegungen auf verschiedenen Ebenen. Die wichtigsten heissen Top Rocks (das Tanzen an sich), Foot Work (alles am Boden), Freezes (Eingefrorene Bewegungen, um Akzente zu setzen) und Power Moves (Drehungen). Letztere sind das Spezialgebiet der Maturandin. Für diese speziellen Drehungen braucht es besonders viel Kraft. Auch dafür trainiert die Tänzerin drei bis vier Stunden pro Tag, dazu macht sie noch drei Mal die Woche eine zusätzliche Stunde Krafttraining. Sie überlegt strategisch, bereitet Rounds vor, übt neues Vokabular oder kreiert sogenannte Signatures, eigene Moves.
Wenn die junge Frau vom Breaking spricht, leuchten ihre Augen. Sie betreibt den Sport nicht nur, sie lebt ihn. So sei das halt. Es ist ein Lifestyle, man lebe in der Szene. «Man stellt sich die Battles immer so brutal vor. Aber es ist eigentlich nicht wirklich ein Gegeneinander. Denn man teilt die Liebe fürs Tanzen. Wenn man miteinander tanzt, dann verbindet das», meint Ella Bürkli. Regina Vedana nickt und meint, dass dieses Von-Einander-Lernen und die Gemeinschaft auch das sei, was sie am meisten an diesem Sport beeindrucke. Seit 2004 bietet die Tanzschule Stellwerk Breaking an – ursprünglich als Kurs für die Jungs, wo sie ihre Energie rauslassen konnten. Seither ist die Sportart immer mehr gewachsen. Aber so eine ambitionierte Tänzerin wie Ella es sei, gebe es selten.
Die Szene in Chur ist (noch) klein
Trotz ausgeprägter Hip-Hop-Kultur ist die Breaking-Szene in Chur noch sehr klein. Einen Austausch mit Gleichgesinnten innerhalb des Kantons findet Ella Bürkli deshalb nicht. Dafür aber in Zürich, wo sie im Nachwuchskader mittrainiert. Dass die Olympiade nun ebenfalls den Sport fördert, überrascht weder Ella Bürkli noch Regina Vedana. Es ist neben Skateboarding und BMX bereits die dritte Sportart aus der urbanen Szene, die neben klassischen Disziplinen ausgetragen wird. «Vielleicht geht es dabei auch darum, das Image von Olympia etwas zu entstauben», meint Regina Vedana und lacht. Dann wird sie schnell ernst. «Ich denke, es hilft aber auch dem Tanzsport allgemein, überhaupt als Sport anerkennt zu werden und nicht nur als Kunst, die dann mit Kulturförderung unterstützt wird.»
Wie es für Breaking als Olympia-Disziplin weitergeht, ist ungewiss. Klarer ist jedoch, dass man von Ella Bürkli noch viel hören wird. Ziele hat die 17-Jährige noch viele. Zum Beispiel am Red Bull Cypher One mitzumachen, dem grössten Breaking-Event in der Schweiz. «Und eigentlich will ich diesen auch gewinnen», sagt Ella Bürkli selbstbewusst.

Das organisatorische Team der olympischen Jugend-Sommerspiele 2018 beschloss gemeinsam mit dem IOC, dass Breaking/Breakdance Teil des Programmes für die Spiele in Buenos Aires sein werde. Es traten je 12 Athletinnen und Athleten an. Bei den Erwachsenen wird Breaking bei den Olympischen Spielen 2024 in Paris zum ersten Mal in diesen Wettbewerb aufgenommen. Dieser umfasst zwei Veranstaltungen – eine für Männer und eine für Frauen – bei denen 16 B-Boys und 16 B-Girls in Einzelbattles gegeneinander antreten. Athletinnen und Athleten führen eine Kombination aus Power-Moves wie Windmühle, 6-Step und verschiedene Arten von Freeze vor und improvisieren zur Musik und zum Beat des DJs. Wer am Ende die Jury überzeugt, wird die erste Olympische Break-Medaille mit nach Hause nehmen dürfen.
Hier findet ihr eine Kurzzusammenfassung der Sportart, wie sie bei den Olympischen Spielen in Paris ausgetragen wird.
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