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Zum 20. Geburtstag wird eine Glarnerin in Holland von einem falschen Pöstler mit Blumen überrascht 

Ronja Dürst aus Mühlehorn arbeitet für einige Monate in den Niederlanden auf einem Campingplatz. In dieser Kolumne erzählt die – jetzt – 20-Jährige von ihrem Alltag, hier von ihrem «Jarig in Nederland».

Südostschweiz
24.07.23 - 18:00 Uhr
Leben & Freizeit
Gut versteckt: Hinter dem Blumenstrauss verbirgt sich nicht der Postbote, sondern mein Vater.
Gut versteckt: Hinter dem Blumenstrauss verbirgt sich nicht der Postbote, sondern mein Vater.
Bilder Ronja Dürst

von Ronja Dürst

Die Sonne ist gerade am Untergehen, als wir zu meinem 20. Geburtstag mit einem Glas Weisswein anstossen. Zu dritt habe ich es mir mit meinen zwei Gastschwestern auf einem blauen Picknicktuch gemütlich gemacht, welches auf dem Sand ausgebreitet ist. In der Mitte steht eine kleine Musikbox, rings um uns herum liegen verschiedene Romane, Kartenspiele und salzige Snacks. Es geht ein leichter Wind, der die Musik von Shawn Mendes weiter in den Süden trägt.

Nicht weit von uns ist eine kleine Familie am Ufer und steht mit den Füssen im Meer. Mirjam und Carlijn schauen ebenfalls auf das offene Meer hinaus und beobachten die Lichter der Schiffe, wie sie sich dem Horizont nähern.

Ich atme die frische Meeresluft tief ein und schmunzle beim Gedanken an den heutigen Tag. Als ich vor rund 14 Stunden in den Landwinkel ging, um meine Schicht zu beginnen, hätte ich nicht gedacht, dass mein Geburtstag so verlaufen würde.

Überraschung hinter dem Blumenstrauss

Nur wenige Leute sind morgens im Laden. Ein Grossteil der Feriengäste sind schon auf dem Weg zum Strand, als ich einer älteren Frau das Rückgeld für ihren Einkauf reiche. Hinter ihr geht die Tür auf und im Augenwinkel erkenne ich einen riesigen Blumenstrauss. Die Dame verdeckt den Mann, der den Laden betritt zur Hälfte. Ich schiele an ihr vorbei und spreche mein «Alstublieft» (bitte) nicht mehr vollständig aus.

An der Tür steht nicht wie erwartet der Postbote. Der grosse Mann, der nur wenige Meter von der Kasse steht, ist mein Vater, der mich an meinem Geburtstag überrascht.

Automatisch drehe ich mich weg und verdecke mit den zitternden Händen mein Gesicht. Tränen der Freude kullern und mit weichen Beinen gehe ich in Richtung der Tür, während er mir entgegenkommt. «Alles Gueti!», sagt er, und ich lache und weine zugleich.

Wir umarmen uns und ich bin unfassbar froh, ihn nach den drei Monaten so unerwartet wieder bei mir zu haben. Es dauert nicht lange und meine Gastmutter kommt mit ausgebreiteten Armen aus dem Lager. Auch sie hat Tränen in den Augen.

«Wist jij ervan …?» (Wussten Sie ...?), frage ich lachend, doch sie schüttelt nur ungläubig den Kopf. Carlijn, meine Gastschwester und Mitarbeiterin, steht ebenfalls mit breitem Lachen im Laden und beobachtet das Szenario. Obwohl ich an dem Tag bis abends eingeteilt bin, darf ich spontan über Mittag freinehmen und mit meinem Vater an den Strand gehen.

Lieder, Kaffee und «Slagroom»

Am Nachmittag treffen wir uns um 15 Uhr wieder im Büro, das sich im Laden befindet. Die Inhaber und auch die beiden jüngeren Töchter sitzen mit mir und meinem Vater am Tisch. Auch ein älteres Ehepaar namens Art und Toos sitzen dabei. Sie kennen die Familie Duvekot schon lange, haben einen festen Stellplatz auf dem Campingplatz und kommen jeden Morgen und Mittag zum Kaffee.

Die Gruppe beginnt zu singen, dass man es bis in den Laden hört, als ich auf dem mit Ballons verzierten Bürostuhl Platz nehme. Von der Decke hängt eine Kordel mit Glückwünschen herab und auf dem Holztisch stehen eine kleine Torte mit «zwitzischem Slagroom» (schweizerischem Schlagrahm), Cappuccinos und Geschenke.

Geburtstagstorte mit «zwitzischem slagroom»: Mir wird zum Wiegenfest eine Torte mit schweizerischem Schlagrahm geschenkt.
Geburtstagstorte mit «zwitzischem slagroom»: Mir wird zum Wiegenfest eine Torte mit schweizerischem Schlagrahm geschenkt.
Bild Ronja Dürst

«Van harte gefeliciteerd met Ronja» (herzlichen Glückwunsch an Ronja), sagt Carien, die Gastmutter zu meinem Vater. In den Niederlanden ist es üblich, allen Familienmitgliedern zu gratulieren, wenn jemand Geburtstag hat oder auch bei anderen Feieranlässen wie einer bestandenen Ausbildungsprüfung oder Ähnlichem.

Hände geben und Hände falten

«Ist das überall in den Niederlanden so, dass jedem Familienmitglied gratuliert wird?», frage ich am Abend bei Carlijn nach, während ich meinen Blick vom orange gefärbten Himmel löse. Sie überlegt kurz und nickt dann. «Ja, volgens mij wel» (ja, ich denke schon).

Sie erklärt weiter, dass es an traditionellen niederländischen Geburtstagsfeiern so sei, dass die Gäste im Kreis stehen und jedem einzelnen im Raum zum Geburtstag des Geburtstagskinds gratulieren, indem sie einander die Hand geben.

Nicht ganz traditionell haben wir den Abend abgerundet. Wir sitzen alle gemeinsam am Tisch. Art und Toos mit Martin und Carien am einen Kopfende und meine Gastschwestern und ich mit meinem Vater über die restlichen Stühle verteilt.

In der Mitte des gedeckten Tisches ist ein grosser Topf mit Nasi Goreng, ein indisches Gericht, das in den Niederlanden häufig gegessen wird. Im ganzen Wohnzimmer breitet sich der Geruch von würzigem Reis mit Gemüse, Fleisch und Sataysauce aus.

Wir falten die Hände, um mit geschlossenen Augen zu beten. Carien dankt dem «Heer», dass wir hier gemeinsam am Tisch sitzen dürfen, dass wir uns über den überraschenden Besuch meines Vaters freuen konnten und dass wir einander, die Arbeit und unsere Gesundheit haben.

Und während des Gebets danke ich Gott im Stillen für mein grösstes Geschenk: dass ich mit solch herzlichen Menschen meinen Geburtstag verbringen darf.

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Herzlichen Glückwunsch und eine Top Gesundheit nachträglich zum Geburi.

Seeland ist für mich eine der schönsten Gegend von Nederland. Ich habe viele Jahre meine Ferien in Burgh Haamstede verbracht es ist auch meine zweite Heimat

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