Renommierte Treuhandfirma in den Konkurs getrieben: Zwillingsbruder erstattet Anzeige
Im Januar 2015 hat die Churer Treuhandfirma Allemann, Zinsli und Partner AG die Bilanz deponiert. Der Hauptgrund: Der ehemalige Verwaltungsratspräsident hatte Millionen veruntreut.
Im Januar 2015 hat die Churer Treuhandfirma Allemann, Zinsli und Partner AG die Bilanz deponiert. Der Hauptgrund: Der ehemalige Verwaltungsratspräsident hatte Millionen veruntreut.
Es war ein Fall, der national für Schlagzeilen sorgte. Die Traditionsfirma Allemann, Zinsli und Partner AG ist pleite. Verkündet wurde dies im Januar 2015 von einem Verwaltungsrat – notabene dem Zwillingsbruder desjenigen, der Millionen Franken an Gelder veruntreut und damit einen Weiterbetrieb der Firma verunmöglicht hatte. Ein Rückblick auf die Ereignisse, die mit der Verurteilung des ehemaligen Verwaltungsratspräsidenten endeten.
Strafanzeige gegen Zwillingsbruder
1961 wird die Traditionsfirma Allemann Zinsli Partner AG (AZP) von Richard Allemann und Paul Zinsli gegründet. Sie ist bis zum Niedergang eine der grössten Steuerberatungs-, Treuhand- und Revisionsgesellschaften in Graubünden. Allemann war bekannter SVP-Politiker, Grossrat und lange Zeit Bankratspräsident der Graubündner Kantonalbank.
Den Anfang vom Ende in der öffentlichen Wahrnehmung symbolisiert der 9. Januar 2015. An diesem Tag tritt J.H vor die Medien. Ein Gang vor die Medien, der unangenehmer nicht sein könnte: Er muss an diesem Tag verkünden, dass er Strafanzeige gegen seinen Zwillingsbruder – den ehemaligen Verwaltungsratspräsidenten C.H. eingereicht hat. Der Grund: mutmassliche Veruntreuung und Urkundenfälschung. Er sagt vor den Medien dann auch: «Dieser Schritt fällt mir sehr schwer, doch ich will Klarheit gegenüber unseren Kunden schaffen sowie die Mitarbeitenden und mich selbst schützen.» Auf die Veruntreuung aufmerksam geworden ist die Firma aufgrund eines anonymen Tipps Mitte November 2014. Darin wird auf Unregelmässigkeiten im Zusammenhang mit der Geschäftsführung seines Zwillingsbruders aufmerksam gemacht. C.H. ist daraufhin aus dem Verwaltungsrat zurückgetreten, auf eine Strafanzeige wurde aber vorerst verzichtet. Zwischen Weihnachten und Neujahr sei das Kartenhaus dann aber in sich zusammengefallen.
Das Ende besiegelt
Drei Wochen später herrscht Klarheit: Für die Allemann Zinsli Partner AG geht es nicht weiter. Am 31. Januar 2015 deponiert das Treuhandbüro beim Bezirksgericht Plessur die Bilanz. 15 Mitarbeitende stehen auf einen Schlag ohne Job da. Für fast alle werden in den Monaten darauf Lösungen gefunden. Auch andere Geschädigte werden im Strudel von C.H. mitgerissen. So gehören zu den Geschädigten etwa die Parkhaus Chur AG und die Evangelische Kirchgemeinde Bad Ragaz.
702 Fälle und ein Millionenschaden
Am 19. November 2019 beginnt der Prozess gegen C.H vor dem Regionalgericht Plessur. In diesem wird der tiefe Fall des Beschuldigten deutlich. Während des Prozesses wird immer wieder betont, dass er «hoch angesehen» gewesen sei. Doch der hoch angesehene Mann hat während rund vier Jahren 702 Mal auf fremde Konten zugegriffen. Insgesamt 16,2 Millionen Franken überweist er auf eigene Konten oder jene der AZP. Einen Teil überweist er später zurück, es bleibt unter dem Strich ein Schaden von 7,8 Millionen Franken.
Um die Bezüge zu verschleiern, fälscht C.H verschiedene Dokumente. So etwa Bankbelege, Depot- und Betreibungsauszüge, Verträge, Briefe und E-Mails. Auch das Motiv für die Millionen-Veruntreuung wird bekannt: C.H. hatte privat Börsengeschäfte getätigt. Zwischen den Jahren 2007 und 2014 2612 Käufe im Umfang von 56,2 Millionen Franken und Verkäufe im Umfang von 50,6 Millionen Franken – und damit ein Verlust von 5,6 Millionen, der irgendwie gedeckt werden muss. Ein Gutachten der Psychiatrischen Dienste Graubünden attestiert dem Mann eine besondere Art der Spielsucht – schuldfähig sei er dennoch. Der Staatsanwalt fordert 7,5 Jahre Freiheitsstrafe, da C.H. seine Vertrauensposition hemmungslos ausgenutzt habe. Auch der Verteidiger gibt zu, dass es «nichts zu beschönigen gibt». Er spricht von einer Eigendynamik, welche das Verhalten von C.H. angenommen habe. Er fordert drei Jahre Freiheitsstrafe, wobei zwei davon mit einer Probezeit von fünf Jahren zur Bewährung auszusetzen seien. Denn: «Wenn der frühere Treuhänder hinter Gittern verschwindet, werden alle bisherigen Bestrebungen zur Resozialisierung torpediert.» Der Mandant arbeite und habe einen guten Verdienst. Und er wolle vom entstandenen Schaden bis zur Pensionierung 930’000 Franken zurückzahlen. Mit einem langen Gefängnisaufenthalt sei dies wohl nicht möglich.
Richter wählt Mittelweg
Am Tag darauf fällt der Richter sein Urteil. Er verurteilt den Angeklagten zu fünf Jahren Freiheitsentzug und ordnet eine begleitende Therapie gegen seine Spielsucht an. Man habe verschiedene Aspekte «leicht anders qualifiziert» als Anklage und Verteidigung, sagt der vorsitzende Richter bei der mündlichen Urteilseröffnung. So wird der Angeklagte in einigen Fällen nicht der Veruntreuung, sondern der ungetreuen Geschäftsbesorgung für schuldig befunden, was weniger streng bestraft wird. Das Gericht hält fest, dass C.H. einen wesentlichen Teil seiner Taten aus rein egoistischen Gründen begangen habe. Berücksichtigt hat das Gericht laut dem Vorsitzenden auch, dass der Angeklagte während einer gewissen Zeit seiner Taten an Formen von Depression und Spielsucht litt und dass C.H. ein vollumfängliches Geständnis abgegeben habe und bereit zu einer umfassenden Zusammenarbeit mit den Behörden war.
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Patrick Kuoni ist Redaktor bei Südostschweiz Print/Online. Er berichtet über Geschehnisse aus dem Kanton Graubünden. Der Schwerpunkt seiner Berichterstattung liegt auf den Themenbereichen Politik, Wirtschaft und Tourismus. Wenn er nicht an einer Geschichte schreibt, ist er als einer der Tagesverantwortlichen für die Zeitung «Südostschweiz» tätig. Patrick Kuoni ist in Igis (heutige Gemeinde Landquart) aufgewachsen und seit April 2018 fester Teil der Medienfamilie Südostschweiz. Mehr Infos

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