Es geht um 50 Millionen: Unsere Leserinnen und Leser sind beim Deal der Gemeinden mit der Weissen Arena skeptisch
Flims, Laax und Falera planen eine Rieseninvestition in die Weisse Arena Bergbahnen AG. Unsere Leserinnen und Leser sind sich nicht sicher, ob die Gemeinden bereit für die Risiken und Ausgaben sind.
Flims, Laax und Falera planen eine Rieseninvestition in die Weisse Arena Bergbahnen AG. Unsere Leserinnen und Leser sind sich nicht sicher, ob die Gemeinden bereit für die Risiken und Ausgaben sind.
Die Gemeinden Flims, Laax und Falera sollen die touristische Infrastruktur am Berg der Weissen Arena Bergbahnen AG mit einer Gesellschaft übernehmen. Die Bergbahnen und Lifte, Bergrestaurants, Betriebsgebäude und Lawinenschutzanlagen sollen dann von der Weisse Arena Bergbahnen AG gepachtet und weiter betrieben werden. Zusammen sollen die Gemeinden dafür 50 Millionen Franken aufbringen. Die Volksabstimmungen zu dem Vorhaben finden Ende Monat statt; Falera (23. Oktober), Laax (24. Oktober) und Flims (26. Oktober). Unsere Leserinnen und Leser äussern sich mit teils deutlichen Worten zum Thema.
Viele Leserinnen und Leser von «suedostschweiz.ch» haben eine Meinung zum Thema. Einige haben sie in unserem Leserforum hinterlassen. Wir haben einzelne davon für euch aufbereitet.
✍🏻 Adrian Steiger, Ex-Gemeindepräsident aus Flims:
Gretchenfrage in Flims
Die anstehende Entscheidung der Stimmbürgerinnen und Stimmbürger in Flims über massive Investitionen in eine Bergbahninfrastruktur fordert eine objektive Sicht der Dinge.
Die bestehenden Investitionen in die Infrastruktur der Finanz Infra AG wurden in Synergie mit öffentlichen Aufgaben getätigt. Die neuen Beschneiungsanlagen dienen auch der Stromerzeugung, das Parkhaus im Stennazentrum der Verkehrserschliessung. Die Gemeinden haben somit schon heute «den Fuss in der Türe». Weitere Investitionen müssen wohl überlegt sein.
Das Problem der Nachfolgeregelung des Haupt-Aktionariates steht an. Ist es nicht sinnvoll, dass die Gemeinden über die Nachfolge mitbestimmen können, bevor sie ins volle Risiko gehen?
Die Gemeinden kommen mit den geplanten Investitionen wohl oder übel in die Verantwortung der Preisgestaltung der Bergbahnen. Wie werden die Interessen der Einheimischen, «Zweitheimischen», Hotelgäste und Tagesausflügler abgedeckt? Das ist ein wichtiges Kriterium für die Wahl des neuen Investors auf Seiten des Betreibers.
Auch die Bonitäten der Gemeinden haben Grenzen. Instandhaltungskosten werden meistens unterschätzt und hochtechnische Bauwerke haben heutzutage eine kurze Lebensdauer mit grossem Abschreibungsbedarf. Zudem stehen auch andere Aufgaben an. Irgendwann ist das Fass voll und der Zinshammer schlägt zu.
Somit stellt sich die Gretchenfrage: Was ist die Aufgabe einer Gemeinde und was sind die dazu erforderlichen Bedingungen?
✍🏻 Venanzi Vincenz aus Lenzerheide:
Verantwortung bedeutet, das Richtige zu tun
Eine Schweizer Gemeinde ist in erster Linie für Bildung, Sozialhilfe, Raumplanung, Infrastruktur, Sicherheit sowie die Umsetzung kantonaler und eidgenössischer Gesetze zuständig. Doch touristisches Unternehmertum? Das zählt nicht zu den Pflichtaufgaben – und sollte es auch nicht werden. Trotzdem planen die Gemeinden Flims, Laax und Falera ein gemeinsames Investment von rund 94,5 Millionen Franken in die Infrastruktur der Weissen Arena Bergbahnen AG.
Die Verkäuferin bleibt an Bord, pachtet, betreibt und finanziert die Anlagen weiterhin selbst – auf den ersten Blick ein risikoarmer Deal. Doch ist es wirklich Aufgabe von drei Gemeinden mit zusammen nicht einmal 6000 Einwohnerinnen und Einwohnern, sich wie ein Tourismuskonzern zu verhalten? Managen die Bündner tatsächlich effizienter als beispielsweise der weltgrösste Skigebietsbetreiber – der US-Riese Vail Resorts? Würde nicht allein schon die globale Vertriebspower der Amerikaner frische Impulse in die Region bringen? Und mal ehrlich: Ist die Angst vor ausländischen Investoren wirklich fast 100 Millionen Franken wert? Warum dieser eigentümliche Protektionismus – ausgerechnet in einer Region, die ihr Einkommen weitgehend dem Tourismus verdankt? Einer Branche, die nun einmal von jenen «Ausländern» lebt, die man auf unternehmerischer Seite offenbar lieber draussen hält?
Viele Antworten liegen einige Autominuten entfernt – in Chur. Dort wurden in den letzten 20 Jahren über 15 Millionen Franken Steuergelder in die marode Brambrüeschbahn gesteckt. Jetzt stehen weitere 40 Millionen zur Diskussion – für eine Seilbahn, die auf nicht beschneite, veraltete Berginfrastruktur führt. Klimawandel? Ignoriert. Investoren? Fehlanzeige. Die Frequenzzahlen sprechen Bände: In der Wintersaison 2023/24 verzeichnete der Churer Hausberg weniger als 110'000 Ersteintritte die Alpenarena im Vergleich über eine Million. Wirtschaftlich Welten. Politisch ein Weckruf! Öffentliche Mittel sind kein Freipass für Nostalgie. Sie verlangen kluge Entscheidungen, klare Rollen und politische Weitsicht. Wer den Tourismus stärken will, darf nicht automatisch ins Unternehmertum abdriften. Verantwortung in der Politik bedeutet nicht, alles zu ermöglichen – sondern das Richtige zu tun. Für die Gesellschaft. Nicht für Prestige.
✍🏻 Robert Vincenz-Weiler aus Chur:
Schönwetterpolitik kann sich heute niemand mehr leisten
Die anstehende Entscheidung über Millioneninvestitionen in die Flimser Bergbahninfrastruktur ist kein nostalgischer Abstecher ins Winterwonderland, sondern ein riskanter Balanceakt zwischen strategischer Weichenstellung, begrenzten Gemeindebudgets und politischer Verantwortung.
Der «Fuss in der Tür» ist längst drin – jetzt steht die Gemeinde davor, das ganze Haus zu kaufen – inklusive Reparaturstau, Aktionärsinteressen und dem potenziellen Zinshammer. Wer hier beherzt «Ja» sagt, sollte wissen: Es geht nicht um glitzernde Pisten, sondern um die schleichende Transformation eines Gemeinwesens zur AG – mit Gemeinderat als Aufsichtsrat.
Ein Blick nach Chur mahnt zur Vorsicht: Die Brambrüeschbahn wurde zum Mahnmal falsch gestellter Fragen – öffentlich gewollt, wirtschaftlich verfehlt, am Ende teuer bezahlt. Droht Flims ein ähnliches Szenario? Wie in Chur ist auch in Flims die Bonität endlich – und die Liste der Pflichtaufgaben lang: Schulen, Pflege, Digitalisierung, Klimaanpassung. Was bringt der schönste Sessellift, wenn das Dach der Primarschule tropft?
Ja, eine starke Tourismusregion braucht Zukunftsperspektiven. Aber öffentlicher Idealismus darf nicht zum Investitionsabenteuer verkommen. Öffentliche Mittel verlangen öffentlichen Verstand. Nicht Glanzprojekte, sondern echter, nachhaltiger Mehrwert! Wer dreistellige Millionenbeträge will, muss auch den politischen Auftrag neu denken – und offenlegen, was wirklich zur Abstimmung steht. Alles andere ist Schönwetterpolitik. Und die kann sich heute niemand mehr leisten.
✍🏻 Arthur Spieser aus Flims:
Weisse Arena Gruppe und Finanz Infra GV Flims
Reto Gurtner ist ein Visionär und ein genialer Stratege. Was Gurtner all die Jahre für die Region Flims-Laax-Falera geleistet hat, erfordert höchste Anerkennung und Dank. Er hat dem Tourismus Leben eingehaucht und mit vielen unkonventionellen Ideen grösste Erfolge gefeiert. Gurtner ist aber auch ein genialer Stratege. Sein neuester Coup, die Bahninfrastruktur aus der Weissen Arena Gruppe via der Finanz Infra AG an die drei Gemeinden zu verkaufen. Dies mit dem Argument, dass damit der Betrieb der Bergbahnen weiterhin in einheimischer Hand bleiben könnte.
Die Gemeinden kaufen via Finanz Infra die gesamte Bahninfrastruktur für 94,5 Millionen Franken und tragen in Zukunft sämtliche Risiken für neue Investitionen. Der zugesagte Pachtzins variiert je nach Geschäftsgang der Weisse Arena Gruppe (WAG). Sollte dieser aus klimatischen oder wirtschaftlichen Gründen spürbar schrumpfen, nimmt die Finanz Infra auch entsprechend weniger Pachtzins ein. Die von Infrastrukturrisiken befreite WAG-Bilanz wird gestärkt und der Wert der Aktien wird steigen. Die Hauptaktionäre oder deren Erben können weiterhin selbst entscheiden, wem sie ihr Aktienpaket verkaufen wollen. Wobei – ist es tatsächlich negativ, wenn ein renommierter Skisportbetreiber wie Vail Resorts oder die Schröcksnadel-Gruppe den Betrieb der WAG übernimmt? Auch die müssten sich mit den Gemeinden über Überfahrts- und Wasserrechte einig sein und könnten nicht einfach machen, was sie wollen. Die Stimmbürger von Flims-Laax-Falera müssen selbst entscheiden, ob sie ihren Gemeinden hohe Schulden mit noch unbekannten Risiken zumuten wollen ohne die Garantie zu haben, dass die WAG letztendlich doch nicht an eine ausländische Gruppe verkauft wird.
✍🏻 Paul Müller aus Chur:
100 Millionen für die Weisse Arena AG: Ein kolossales Risiko!
Mit Erstaunen betrachte ich dieses finanzielle Harakiri: Flims, Laax und Falera wollen für sage und schreibe 100 Millionen Franken die Bergbahnen der Weissen Arena AG kaufen. Die Begründung? Purer, provinzieller Alarmismus vor ominösen «ausländischen Investoren».
Rechnen wir den Irrsinn durch: Dieses alpine Himmelfahrtskommando kostet über 16'000 Franken Schulden pro Einwohner – vom Baby bis zum Urgrossvater. Sie glauben, dieser Deal sei durch Verträge auf Jahrzehnte gesichert? Verträge sind dazu da, sie zu brechen. Und was dann? In letzter Instanz bleiben die Gemeinden auf dem Risiko sitzen! Oder hätten Sie je gedacht, dass ein global operierender Schweizer Bankkonzern wie die Credit Suisse vom Staat gerettet werden müsste?
Der alpine Tourismus – vor allem das weisse Pulvergeschäft – ist ein tickendes Hochrisiko Fass: Klimawandel, Schneemangel, Hanginstabilität und Wassernot bedrohen den klassischen Wintertourismus direkt. Die Saisons sterben, der Schnee muss für horrende und exponentiell steigende Kosten produziert werden. Die Abhängigkeit vom Skibetrieb ist schon heute ein wirtschaftlicher Witz. Ökonomische Fragilität bis zur Pleite: Bergbahnen sind Kapitalvernichtungsmaschinen. Sie sind personalintensiv, gierig nach ständigen Millioneninvestitionen und kassieren jede globale Krise ungefiltert ein. Die wahren Probleme werden ignoriert: Während man 100 Millionen für nostalgische Hobbys verpulvert, versinkt die Region im demografischen Kollaps. Die Bevölkerung vergreist, Pfleger und Lehrer fehlen, und der Mangel an bezahlbarem Wohnraum wird durch die Zweitwohnsitz-Plage zur sozialen Bombe. Das sind existenzielle Feuer, die die Gemeinden löschen sollten!
Ein Blick nach Chur reicht zur Warnung: Seit 1999 hält die Stadt mit viel Romantik an der Brambrüeschbahn fest. Das kostet den Steuerzahler jährlich Hunderttausende. Beim geplanten Neubau droht ein Finanzloch von weit über 40 Millionen Franken. Und es bleibt nicht dabei: Die maroden Berganlagen fordern sicherlich weitere Millionen! Selbst wenn dieser Irrsinn «nur» 1400 Franken pro Churer kostet – es sind Millionen, die der Stadt Chur dort fehlen, wo sie dringend gebraucht würden. Der Kauf der Weissen Arena AG ist kein Befreiungsschlag gegen ausländische Konzerne. Es ist ein finanzielles und politisches Eigentor – und eine kolossale Selbstfesselung an Risiken, für die Flims, Laax und Falera weder gerüstet noch zuständig sein dürfen.
✍🏻 Petra Casty, Trin Mulin:
Verhandlungsgeschick
Ende September wurde die Botschaft zum Kauf des Skigebiets der Weissen Arena Gruppe durch die Gemeinden Flims, Laax, Falera publiziert. Die Finanzierung erfolgt über die Finanz Infra AG, bei welcher auch unsere Gemeinde Trin einen Aktienanteil von acht Prozent besitzt. In Anzeige der gleichen Botschaft steht geschrieben, dass die drei Gemeinden auch die Trinser Aktien kaufen wollen, um so eine 100-Prozent-Beteiligung zu sichern.
Im Jahr 2013 wurden die Aktien mit unseren Steuergeldern gekauft, um die Finanzierung der Beschneiungsanlagen zu sichern. Zudem stellte Trin damals eine Bürgschaft zur Verfügung, die inzwischen aufgelöst wurde. Dadurch erhielten unsere Einwohnerinnen und Einwohner vergünstigte Abonnemente, die dieses Frühjahr gestrichen wurden. Jetzt, wo wieder Bewegung um die Weisse Arena kommt, wäre der richtige Zeitpunkt da, um die gestrichenen Vorteile für unsere Bevölkerung wieder vertraglich zu sichern. Schliesslich ist unsere Gemeinde mit einem Vertreter im Verwaltungsrat der Finanz Infra AG und somit stets über die aktuelle Situation im Bild. Es kann doch nicht sein, dass die Trinser Bevölkerung nur dann zur Kasse gebeten wird, wenn es gerade brennt und danach zählt alles nicht mehr. Es ist an der Zeit, dass unser Gemeindevorstand mit der Weissen Arena und mit der Finanz Infra AG die Vergünstigungen vertraglich zurückholt – bald kommt der Schnee und viele Trinserinnen und Trinser, jung und alt, erwarten nun Taten statt Worte.
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Philipp Wyss ist Wirtschaftsredaktor der gemeinsamen Redaktion der Zeitung «Südostschweiz» und der Internetseite «suedostschweiz.ch». Mehr Infos





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Es entscheiden nicht die…
Es entscheiden nicht die Südostschweiz- LeserInnen, sondern die StimmbürgerInnen der drei Gemeinden. Diese wissen, dass sie ihren Wohlstand der weissen Arena verdanken und werden die Chance sich Einfluss zu sichern nutzen,callen Bedenkenträgern zum Trotz.