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Funker aus Leidenschaft

Claudio Eugster und Sepp Schlegel sind leidenschaftliche Funker – ein Besuch in ihrer Welt im Gartenhäuschen.

Bündner Woche
08.02.23 - 04:30 Uhr
Leben & Freizeit
Funkerkollegen: Sepp Schlegel aka Gaby 66 (links) und Claudio Eugster aka Schottajoggi 66.
Funkerkollegen: Sepp Schlegel aka Gaby 66 (links) und Claudio Eugster aka Schottajoggi 66.
Cindy Ziegler

von Cindy Ziegler

Das Autoradio spielt Ländler. Die Melodien plätschern im Hintergrund, dominant das Rauschen im Vordergrund. Eine Männerstimme. Wieder Rauschen. Eine andere Stimme. Sepp Schlegel zeigt auf ein kleines Gerät unterhalb des Autoradios. «Heiligkreuz. Nicht schlecht bei dieser Wellenlänge», meint er – mehr zu sich selbst. Der Pensionär parkiert das Auto vor einem Einfamilienhaus in Malans und führt durch ein hölzernes Gartentor zu einem Gartenhäuschen, ebenfalls aus sonnenverbranntem Holz gebaut. «Wir bekommen Besuch», sagt Claudio Eugster im Innern in das Funkgerät in seiner Hand. Bleibst du QRV?» Kurzes Rauschen. Dann vom anderen Ende, aus Heiligkreuz: «Ich gehe Stand-by, du rufst einfach».

Sepp, Gaby 66, und Claudio, Schottajoggi 66, sitzen am mit rotem Tuch gedeckten Tisch. Vor sich einen dampfenden Kaffee, Apfelsaft und viele technische Apparaturen. Sie sind – physisch – zusammengekommen, um vom Hobby zu erzählen, das sie verbindet. Das Funken. Es sei eigentlich eine frühe Form von Social Media, befinden die beiden Männer. Schliesslich sei Funken nichts anderes als ein niederschwelliges In-Kontakt-Kommen mit irgendjemandem. «Ich muss mein Gegenüber nicht kennen und kann einfach mal in die Luft ausrufen. Und vielleicht ist da jemand, der mir antwortet», sagt Claudio Eugster, der inoffizielle Präsident der losen Interessensgemeinschaft Funkgruppe Falknis. Es sei immer spannend, wenn man mit jemandem funke und ihn oder sie dann erst später persönlich kennenlerne. «Interessant ist dann, ob das Gesicht zur Stimme passt», sagt Sepp Schlegel lachend. Beide erzählen, dass sich übers Funken langjährige Freundschaften entwickelt hätten. Das sprichwörtlich auf einer Welle sein, sei der eine Aspekt. Das Buchstäbliche, die Technik, der andere.

Ein vergessenes Hobby: Claudio Eugster beim Funken mit einem Kollegen.
Ein vergessenes Hobby: Claudio Eugster beim Funken mit einem Kollegen.

Es folgt ein kleiner Exkurs. Eine kurze Einführung in die Welt der Funkerinnen und Funker. In ihrer Interessensgruppe gebe es zwei Arten von ihnen. CB-Funkerinnen und Funkamateure. Letztere haben eine Prüfung abgelegt, für den CB Funk braucht es das nicht. Und seit 2013 auch keine Konzession mehr. Die Technik ermögliche beim Amateurfunk mehr. Und was ist toll am CB-Funk? «Der ist Kult. In den 80er-Jahren gab es fast keinen Film, in dem nicht gefunkt wurde. Lastwagenfahrer. Gangster. Polizisten. Heute haben die alle ein Telefon», sagt Claudio Eugster. Er ist als Kind über seinen Vater zum Funken gekommen.

Und Sepp Schlegel? «Bei mir ist das eine lange Geschichte», sagt er und kürzt ab. Er habe in der Lehre von einem Elektriker zwei Funkgeräte geschenkt bekommen. Als der junge Sepp Schlegel diese in Betrieb nahm, hörte er fremde Stationen. Er rief in Chur an und wollte wissen, ob es sich dabei um verbotenen Schwarzfunk handelte. «Da habe ich was losgetreten», erinnert er sich. Denn kurz darauf standen zwei Herren aus Bern bei ihm in der Stube und konfiszierten die Geräte. Sie hätten Störstrahlungen gemacht und seien wohl nicht erlaubt gewesen. «Ich bin aber ohne Busse davon gekommen», erzählt der Funker. Als der CB-Funk 1973 erlaubt wurde, bekam er die Geräte zurück. Plombiert.

Auf dem Tisch im Gartenhaus kann man die Evolution des Funks nachvollziehen. Grosse und kleine Handfunkgeräte. Diverse grosse und kleine Kästchen mit Rädchen, Leuchten und Kabeln. Portale zur grossen, weiten Welt? «Die Geräte hier sind für kurze Strecken. Nur wenn man Glück hat und die atmosphärischen Bedingungen stimmen, kann man weitere Distanzen überwinden», erklärt Sepp Schlegel. Die Funksignale gehen als Bodenwelle über die Erde. Ein Teil davon geht aber auch in die Atmosphäre. Wenn diese neutral ist, verschwindet ein Teil der Strahlen im All. Sind die verschiedenen Schichten aber undurchlässig, werden die Funkstrahlen gebrochen wie in einem Spiegel. So werden sie immer wieder hochgeschossen und runtergeschickt. Das ermöglicht Überreichweiten. «Besonders vor Gewittern ist es günstig», weiss Sepp Schlegel.

Den beiden Männern fällt es schwer, nicht in Fachjargon zu verfallen. Die Funksprache schleicht sich immer wieder ins Gartenhäuschen. Besonders als über das Gerät mit dem leuchtenden Bildschirm wieder Kontakt aufgenommen wird. Mit Leopard 66 in Heiligkreuz. Beim Funken wird über Rufzeichen kommuniziert. Die Zahl hinter dem Nicknamen erklärt die geografische Herkunft. Die Doppel-Sechs steht in diesem Fall für die Region Graubünden bis und mit Walenstadt und Buchs.

Logbuch: Jedes Gespräch wird von Sepp Schlegel fein säuberlich festgehalten.
Logbuch: Jedes Gespräch wird von Sepp Schlegel fein säuberlich festgehalten.

«Leopard 66 QRZ», sagt Claudio Eugster ins kleine, schwarze Gerät in seiner Hand. Rauschen. Dann die Antwort vom Gerufenen. Die Herren unterhalten sich. Wenn der eine spricht, schweigt der andere gezwungenermassen. «Das Funken ist eine schöne Art, die Welt ein bisschen näher zusammenzurücken», erklärt Michael, wie der Leopard sonst heisst. «Leute trafen sich auf dem Funk, lernten sich kennen, heirateten und verkrachten sich.» Es sei eben wie im echten Leben. Nur, dass via Funk alle mithören können.

Von speziellen Funkerlebnissen wissen alle drei zu berichten. Claudio Eugster hat mit einem Funkspruch mal einem Menschen das Leben gerettet, für Michael war das Funken auf See ebenso lebenswichtig. Und Sepp Schlegel hatte schon ein paarmal Glück und konnte bis in die Steiermark, Ex-Jugoslawien oder nach Norddeutschland funken. Der Funk. Er verbindet die Drei und irgendwie eben auch die Welt. «Danke fürs QSO», sagt Claudio Eugster. Rauschen. «73 und 55», antwortet Michael.

Die Funkgruppe Falknis veranstaltet anlässlich ihres 3-jährigen Bestehens vom Freitag, 10., bis Sonntag, 12. Februar, ein Funkwochenende im Pfadiheim Rhiau in Sargans. Interessierte finden weitere Informationen zum Anlass und zur Gruppe unter www.funkgruppe-falknis.ch.

Kleines Funklexikon

Beim Funken wir mit Abkürzungen kommuniziert. Die Zahlen und Q-Codes sind schnell übermittelt und international verständlich. Unten eine kleine Auswahl:

55: Viel Erfolg
73: Viele Grüsse
CQ: Allgemeiner Aufruf
QRZ: Ich rufe dich / wer ruft?
QRG: Frequenz
QRL: Ich bin beschäftigt
QRM: «Matsch», ich werde gehört
QRT: Ende des Gesprächs
QRU: Es liegt nichts mehr vor
QRV: Sende- / Empfangsbereitschaft
QRX: Pause, bitte warten
QSO: Funkverbindung, Gespräch
QSY: Kanalwechsel (auch Gambio)
QTH: Mein Standort

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