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«Wölfe brauchen keine Wildnis»

Während sich die Schweizer Wolfspopulation gerade zu festigen beginnt, leben in Deutschland bis zu 22 Rudel. Experten beider Länder haben am Donnerstag in Chur über die Grossraubtiere gesprochen.

Südostschweiz
25.05.13 - 02:00 Uhr

Von Marc Melcher

Das Wolfsrudel am Calanda hat für die Schweiz historische Bedeutung – es ist das erste Rudel seit der Ausrottung. In Deutschland hat diese Entwicklung bereits vor über zehn Jahren begonnen. Zwischen den Jahren 2000 und 2004 hat sich das erste Rudel in der Lausitz niedergelassen. Mittlerweile beherbergt die deutsch-polnische Grenzregion 13 Wolfsrudel, in ganz Deutschland leben 22 Wolfsrudel oder zumindest Wolfspaare.

Am Donnerstag haben in Chur Experten aus der Schweiz und Deutschland über das Leben mit den Grossraubtieren gesprochen. Helene Möslinger vom Kontaktbüro Wolfsregion Lausitz zeigte die Entwicklung der Population auf. «Das Ziel in Deutschland ist es, dass sich die Wolfspopulation selbst erhalten kann.» Dies sei mit den aktuellen Beständen längerfristig nicht garantiert, denn: «Der Genpool ist noch zu klein. Wächst die Population nicht mehr weiter, wird die Anzahl der Tiere wieder abnehmen.»

Dabei könnte es durchaus sein, dass ein Wolf vom Calanda dereinst den Genpool in der Lausitz aufwertet – oder umgekehrt, wie Ralph Manz von der Raubtierfachstelle Kora ausführte. Denn die Wölfe können lange Distanzen zurücklegen. So seien Wölfe aus der Lausitz bis nach Weissrussland und Dänemark gewandert. «Wir kennen auch einen Fall, in dem ein Wolf von Südfrankreich in die Region Köln wanderte, wo er dann gewildert worden ist.»

Platz für bis zu 65 Rudel

Manz räumte weiter mit einem Vorurteil auf: «Wölfe brauchen keine Wildnis. Sie sind sehr anpassungsfähig und können verschiedenste Lebensräume beanspruchen.»

Dies zeige sich gerade auch in der Lausitz, wo die Wölfe auf Truppenübungsplätzen, in Tagebaugebieten oder auch in Siedlungsnähe vorkommen.

Auch die Schweizer Population soll dereinst selbsterhaltend werden. Platz dafür gebe es genügend, führte Manz aus: «Am Beispiel Frankreichs hochgerechnet, verfügt die Schweiz rein biologisch über Platz für 65 Wolfsrudel.» Theoretisch, da der «Faktor Mensch» eine so hohe Zahl wohl verhindern werde. Die Wolfspopulation im gesamten Alpenraum ist heute noch stark gefährdet. Es könne aber davon ausgegangen werden, dass die Anzahl der Tiere jährlich um 15 bis 20 Prozent wachsen wird.

Die letztjährigen Welpen des Rudels am Calanda werden in den nächsten Monaten weiterziehen, um anderswo ihre eigenen Rudel zu bilden.

Manz vermutet, dass sie bereits kleinere Touren hinter sich haben: «Mit Sicherheit kann ich es nicht sagen, aber vermutlich handelt es sich bei den Wölfen, die zuletzt in der Surselva nachgewiesen worden sind, um die Jährlinge vom Calanda.»

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