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«Wir lieben erneuerbare Energien»

Zug Intelligente Stromzähler von Landis?+?Gyr finden sich an Windrädern, Wasserkraftwerken, Solar­anlagen oder im eigenen Haushalt. CEO Andreas Umbach über die neue Landis?+?Gyr unterm Dach von Toshiba und den Zugang zum japanischen Markt.

Südostschweiz
14.06.14 - 02:00 Uhr

Interview Ernst Meier

ernst.meier@zugerzeitung.ch

Andreas Umbach, Sie leiten ein Unternehmen, das als Inbegriff für die Industrialisierung des einstigen Bauernkantons Zug steht. Es gab Zeiten, da kannte jeder im Kanton jemanden, der bei Landis & Gyr arbeitete. Wie viel von der L & G ist in der neuen Landis + Gyr geblieben?

Andreas Umbach: Wir sind von der alten Landis & Gyr noch das Herz, und das schlägt gesund weiter. L & G stellte elektromechanische Stromzähler her. Die Produktion erfolgte in Zug. Mit dem Wechsel ins Zeitalter der elektronischen Zähler war dies nicht mehr möglich. 90 Prozent der Wertschöpfung verlagerten sich ins Ausland. Der Umbauprozess war aus Zuger Sicht schmerzhaft und kostete viele Stellen. Wir sind aber gestärkt aus den Restrukturierungen hervorgegangen. L + G ist heute Marktführerin für Energiemanagement-Lösungen. Unser globales Geschäft sowie dasjenige in der Region Emea – also Europa, Mittlerer Osten und Afrika – wird weiterhin von Zug aus gesteuert, und wir entwickeln und produzieren nach wie vor einen Teil unserer Angebotspalette hier.

L + G schreibt einen Umsatz von 1,5 Milliarden Dollar. Ihre Produkte sind begehrt – trotz schwieriger Situation in der Energiebranche.

Umbach: Die Finanzkrise sowie die strukturellen Änderungen aufgrund der Energiewende bewirken, dass die grossen Stromkonzerne in Europa verhalten investieren. Wir profitieren heute jedoch stark von der Verlagerung der Energieproduktion – statt zentral in grossen Kraftwerken wird an immer mehr Orten Strom hergestellt: Windräder, Solarpanels auf Firmengebäuden, Stromtankstellen etc. – an jedem Ort, wo Strom produziert oder abgegeben wird, braucht es unsere Produkte zur Verbrauchs­erfassung, Auswertung und Abrechnung. So gesehen hilft uns die Energiewende. Wir lieben erneuerbare Energien, denn sie verlangen nach einer Digitalisierung des Stromnetzes und erhöhen die Nachfrage nach unseren Lösungen. Allein der Bereich Elektrofahrzeuge bietet uns riesiges Marktpotenzial.

Gibt es weitere Treiber?

Umbach: Ja, auch die Liberalisierung der Strommärkte verstärkt die Nachfrage nach unseren Produkten. Wenn Kunden wählen können, von welchem Versorger sie ihren Strom beziehen, und ob dieser aus Atomkraft oder Solaranlagen stammt, erfordert dies mehr Abrechnungsmöglichkeiten.

Seit knapp drei Jahren ist L + G Teil des japanischen Toshiba-Konzerns. Was hat sich geändert?

Umbach: Toshiba ist ein Glücksfall für L + G. Wir passen perfekt in das Portfolio des Technologiekonzerns, und man lässt uns als eigenständige Einheit die notwendigen Freiheiten, die für die erfolgreiche Weiterentwicklung erforderlich sind. Toshiba ist wie viele japanische Unternehmen strategisch mittel- bis langfristig orientiert. Man will mit uns das Angebot an Lösungen für intelligente Stromnetze – sogenannte Smart Grids?– ausbauen. Zudem öffnete uns Toshiba den Zugang zum japanischen Markt. L + G war zuvor nicht in Japan tätig.

Ist ein Börsengang, der immer wieder ein Thema war, vom Tisch?

Umbach: Ja – und wenn ich mir unsere Konkurrenten an der Börse anschaue, bin ich froh, dass es nicht so weit kam. Die kurzfristigen Turbulenzen in der Branche aufgrund der Energiewende liessen die Kurse stark sinken. Das bewirkte, dass vielerorts Investitionen in Forschung und Entwicklung zurückgestellt wurden. Wir sind davon nicht betroffen.

Sie sind seit 15 Jahren im Unternehmen und haben in dieser Zeit vier sehr unterschiedliche Besitzer erlebt.

Umbach: Rückblickend betrachtet war jeder Eigentümer ein Glücksfall für unser Unternehmen – so unterschiedlich die Firmen auch waren. Siemens ermöglichte nach der Übernahme der alten Landis & Gyr 1998 die Zusammenlegung der Zählersparten beider Firmen. Mit Kohlberg Kravis Roberts & Co. ab 2002 hatten wir eine mit Restrukturierungen erfahrene Beteiligungs­ge­sellschaft im Rücken. Nach dem erfolgreichen Turnaround konnten wir dank der neuen Besitzerin, der australischen Finanzgesellschaft Bayard Capital, wieder expandieren. Landis + Gyr kaufte 19 Unternehmen innerhalb von nur neun Jahren zu. Unser Portfolio umfasst heute Gesamtlösungen im Bereich Energiemessung – von Zählergeräten bis zur Kommunikationstechnologie und dazugehörender Software.

Wie gut geht es Landis + Gyr heute?

Umbach: Wir sind ein gesundes Unternehmen und sind mit unseren Produkten weltweit in einem Wachstumsmarkt tätig.

Welche Tätigkeiten hat L + G noch am Hauptsitz in Zug angesiedelt?

Umbach: Neben den obersten Managementfunktionen für die Gruppe und die Region Emea befinden sich in Zug weiterhin eine Entwicklungs- und eine Produktionsabteilung. Nebst zentralen Stabsfunktionen wie Finanzen und Einkauf sind auch der Vertrieb für den Markt Schweiz, zentrale Logistikfunktionen und ein Warenlager hier untergebracht.

Was produziert L + G heute noch in der Stadt Zug?

Umbach: Jährlich stellen wir zirka 300?000 Hochpräzisionszähler her. Das ist zwar nur ein kleiner Teil unserer Jahresproduktion von rund 13 Millionen Stück, die mehrheitlich in Asien, Lateinamerika, England, Frankreich, Deutschland und Griechenland erfolgt. In Zug produzieren wir jedoch die komplexesten elektronischen Zähler. Diese werden in Kraft- und Elektrizitätswerken eingesetzt. Vergleicht man die Modellpalette an intelligenten Stromzählern, so kann man sagen, dass wir in Zug den Maybach herstellen.

Zug ist als Standort zu teuer geworden. Wie sieht das für L + G aus?

Umbach: Wir fühlen uns in Zug nach wie vor sehr wohl. Der Standort ist in Sachen Know-how und Mitarbeiterqualität weltweit top – dazu gehören Fremdsprachenkenntnisse und die Fähigkeit, sich in andere Kulturen hineinzudenken. Wir finden nirgends auf der Welt so gut qualifiziertes und motiviertes Personal wie hier. Entsprechend hoffen wir weiterhin auf einen freien Zugang zu den ausländischen Arbeitsmärkten. Wir stellen gerne Schweizer Ingenieure ein, sind aber auf ausländische Fachkräfte angewiesen. Vorbildlich in Zug ist auch die Zusammenarbeit mit den Behörden. Ich erlebe das Umfeld als sehr marktnah und Business-freundlich.

Planen Sie neue Stellen in Zug?

Umbach: Nein, das ist nicht vorgesehen. Wegen des nach wie vor starken Frankens sind wir als Exportunternehmen in der Schweiz äusserst gefordert. Der strukturelle Druck auf den hiesigen Standort ist sehr hoch. Wir schaffen derzeit zwar neue Stellen in den Bereichen Produktmanagement und Entwicklung – jedoch nicht in der Schweiz.

Würden Sie L + G heute wieder in Zug ansiedeln, so wie das Richard Theiler und Adelrich Gyr 1896 taten?

Umbach: Bei einer heutigen Planung auf der grünen Wiese wäre L + G in Zug wohl eine reine Managementfirma. Wegen der ungünstigen Wechselkurssituation sowie länderspezifischer Schranken würde man für die Produktion bestimmt günstigere Standorte im Ausland wählen.

Die Stadt tut sich schwer mit dem Kauf des alten L & G-Gebäudes, wo zurzeit der Hauptsitz von Siemens BT ist. Sie könnten es ja zurückkaufen?

Umbach: Das haben wir uns auch überlegt und es intern unter dem Namen «Back to the future» geprüft. Mir persönlich hat die Idee gefallen. Das L & G-Gebäude entspricht aber nicht unseren Anforderungen, um Labor- und Produktionsabteilungen einzurichten. Wir brauchen eine Hightech-Infrastruktur. Das historische Haus ist ein reines Verwaltungsgebäude.

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