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Wildschweine werden in der Südschweiz zur Plage

Im Tessin beklagen Landwirte, Förster und Weinbauern enorme Schäden an Kulturen und Wäldern als Folge der unkontrollierten Vermehrung der Wildtiere. Der Bund empfiehlt Wildschwein-Management.

Südostschweiz
27.03.14 - 01:00 Uhr

Von Gerhard Lob

Giubiasco. – Was am Abend eine schöne Wiese ist, kann sich am nächsten Morgen wie durchgepflügtes Ackerland präsentieren. Zumindest dann, wenn sich ein Wildschweinrudel in der Nacht auf dem grünen Flecken ausgetobt hat. Das ist im Tessin keine Seltenheit, entsprechend häufig werden Flurschäden beklagt. Wildschweine durchwühlen den Boden auf der Suche nach Insektenlarven, Würmern oder Resten einer vorherigen Anpflanzung. Die Borstentiere wagen sich dabei immer weiter in Wohngebiete vor. Neben Wildschweinen sorgen auch Hirsche und Gämsen für Schäden.

Das Phänomen ist nicht neu, doch hat es mittlerweile besorgniserregende Dimensionen erreicht. Tessiner Forst-, Bauern- und Weinbauverbände fordern im Einklang mit dem Dachverband der Bürgergemeinden (Alpa) die Behörden zu raschem Handeln auf. «Wir sprechen von einem sehr ernsthaften Problem, das von der Bevölkerung unterschätzt wird», so Alpa-Präsident Tiziano Zanetti an einer Medienorientierung in Giubiasco. Durch Wildschäden in Wäldern erhöhe sich die Erosionsgefahr und damit die Wahrscheinlichkeit von Murgängen oder Steinschlag.

135 000 Weinflaschen kaputt

Zu den direkt Betroffenen gehören Landwirte und Winzer. Letztes Jahr richtete der Kanton Tessin Entschädigungszahlungen in Höhe von 1,3 Millionen Franken aus. 2004 waren es noch bloss 200 000 Franken gewesen. Jahr um Jahr steigen die Subventionen für den Bau von Zäunen. Nicht besser sieht es bei den Weinbauern aus. Sie verlieren mittlerweile weit über 1000 Zentner an Weintrauben pro Saison durch Wildtiere – umgerechnet ergibt dies nach Verbandsangaben einen Verlust von 135 000 Flaschen Wein.

Die Invasion der Wildschweine ist ein relativ neues Phänomen. Jahrhundertelang war diese Tierart im Tessin nicht vorhanden. Erst 1981 wurde in der Südschweiz erstmals wieder ein Wildschwein gesichtet – eingewandert aus Italien. Mittlerweile ist die Population explodiert. Auch Hirsche waren im Tessin ausgestorben. Sie wanderten zwischen 1910 und 1920 von der Nordseite der Alpen ein. Inzwischen bevölkern sie die ganze Südschweiz.

Bund reagiert mit Arbeitsgruppe

Die genannten Verbände wünschen sich, dass die Jagd verstärkt als Instrument zur Regulierung des Wildtier- bestandes eingesetzt wird. Man müsse das Problem an der Wurzel anpacken. Entschädigungszahlungen seien eine Hilfe im Schadensfall, aber keine Lösung. Umweltdirektor Claudio Zali hat Hilfe versprochen, doch konkrete Massnahmen sind noch nicht bekannt.

Auch beim Bund ist man sich der Wildschweinproblematik be- wusst. Denn seit 1985 nehmen die Wildschweinbestände in der ganzen Schweiz stetig zu – und damit die Schäden an landwirtschaftlichen Kulturen. Um das Problem zu lösen, gab die Arbeitsgruppe «Wildschwein – Regulierung und Landwirtschaft», bestehend aus Vertretern des Bundesamts für Umwelt, der Kantone, der Landwirtschaft und der Jagd, die «Praxishilfe Wildschweinmanagement» heraus.

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