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Wieso denn so verzagt, meine Herren?

Die Parlamentarier, die am 7. Dezember 1983 die Wahl von Lilian Uchtenhagen als erste Bundesrätin verhindert haben, wären am vergangenen Mittwoch wohl aus einem Fenster des Parlamentsgebäudes gesprungen.

Südostschweiz
26.09.10 - 02:00 Uhr
Zeitung

Von Andrea Masüger

Für sie war es damals unvorstellbar, dass eine Frau in den Bundesrat einzieht. Sie mussten dies mit absurden Argumenten verhindern; beispielsweise mit der Behauptung, Uchtenhagen werfe an Sitzungen mit Aschenbechern um sich.Man behauptet immer, in der politischen Schweiz bewege sich nichts. Doch in der Frauenfrage hat sich das Land in den letzten 30 Jahren gewaltig gewandelt. Eine Frauen-Mehrheit in der Schweizer Regierung wäre selbst einer Alice Schwarzer niemals auch in den kühnsten Träumen erschienen. Es gibt jetzt nur zwei Länder in Europa, wo die Frauen in den Regierungen überwiegen: Finnland und die Schweiz.Doch eben: Kaum haben wir hierzulande etwas Aussergewöhnliches erreicht, schrecken wir vor dem eigenen Mut zurück, beginnen, alles zu relativieren und nach Fakten zu suchen, die uns die Suppe nachträglich doch noch versalzen könnten. So wurde in den vergangenen Tagen mehrfach darauf hingewiesen, dass die Frauen-Mehrheit in der Landesregierung kaum ein Jahr überdauern werde. Nach dem Rücktritt von Micheline Calmy-Rey stünden nur Männer in den Startlöchern, und Eveline Widmer-Schlumpf werde 2011 sowieso abgewählt und durch einen SVP-Mann ersetzt.Wir ertragen es einfach nicht, gut zu sein! Es ist ein bisschen wie beim Fussball: Wenn die Schweiz es mal fertigbringt, den Europameister zu schlagen, ist sie derart perplex, dass sie in den nächsten Spielen nur noch patzert und früh ausscheidet. Wieso soll es nicht möglich sein, dass die Sozialdemokraten innerhalb eines Jahres eine gute Bundesratskandidatin aufbauen? Und selbst die SVP es sich überlegt, mal einer Dame die Chance zu geben?Es könnte ja möglich sein, dass die Frauen-Mehrheit im Bundesrat den Tatbeweis für eine Politik erbringt, die konsens- und lösungsorientierter ist als das bisherige Macho-Gehabe. Und dass eine Parlamentsmehrheit auch in anderthalb Jahren nicht daran denkt, den Rückwärtsgang einzulegen.

amasueger@suedostschweiz.ch

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