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«Wiederholung ist die Mutter des Lernens»

Der Verein Spielgruppe Weesen lud in die Speerhalle zum Vortrag von Neurologe Lutz Jänke. Dieser referierte über das menschliche Gehirn im Allgemeinen und jenes von Pubertierenden im Speziellen.

Südostschweiz
06.11.14 - 01:00 Uhr

Von Gabi Heussi

Weesen. – Es sei erschreckend, wenn er an seine eigene Jugend zurückdenke, sagte der Neurologe Lutz Jänke am Dienstagabend in der Speerhalle in Weesen. «Die Jugendlichen, egal in welcher Zeit, sind immer anders als alle anderen Menschen», so Jänke. Dass diese Tatsache mehr oder weniger einfach zu erklären ist, das bewies der Referent an diesem Abend auf unterhaltsame und spannende Art und Weise. Dabei betonte er, dass der Mensch generell ein stabiles Sozialsystem benötige.

Als Geschenk der Evolution bezeichnete Jänke das Stirnhirn, den Frontalkortex, der die Kontrolle über die Gefühle inne hat. «Dieser Frontalkortex macht beim Menschen fast 40 Prozent des Gehirnvolumens aus», erklärte Jänke. Nur der Mensch besitze diesen Frontalkortex, Tiere nicht. Weshalb auch nur Menschen ihre Gefühle beeinflussen könnten.

Über 100 Milliarden Nervenzellen

Das menschliche Gehirn wiegt zwischen 1,2 und 1,4 Kilogramm, nimmt damit lediglich rund 2 Prozent des Körpervolumens ein, beansprucht jedoch 20 Prozent des Blutumsatzes und 70 Prozent des Glycoseumsatzes.

Mit über 100 Milliarden Nervenzellen, von denen jede über 10 000 Verbindungen knüpft, vollbringt das Gehirn täglich unvorstellbare Leistungen. Anhand von langjährigen Studien zeigte Jänke auf, wie sich das Gehirn vom ersten Lebenstag an entwickelt und verändert. «Im Gehirn eines Kleinkindes muss jede einzelne Verbindung zuerst aufgebaut werden», so Jänke. Damit diese Verbindungen einwandfrei funktionieren, brauche es regelmässige Wiederholungen. «Je länger desto besser – je häufiger desto besser.» Und weiter: «Die Wiederholung ist die Mutter des Lernens.» Wichtig sei dabei, dass vor allem störungsfrei gelernt und wiederholt wird.

Das Gehirn verändert sich

Kinder, die über längere Zeit zum Beispiel intensiven Musikunterricht geniessen, wiesen eine andere Hirnstruktur auf als Kinder, die während derselben Zeit vor dem Fernseher sitzen oder Videogames spielen. Damit appellierte Jänke an die Vernunft der Eltern, den Kindern ein gutes Vorbild zu sein. Denn «Kinder ahmen alles nach und das Verhalten verändert das Gehirn nachweislich anatomisch.»

Der Kernpunkt des Abends, das Gehirn eines Jugendlichen und das daraus resultierende Verhalten, brachte viele aufschlussreiche Erkenntnisse und Erklärungen. Da der Frontalkortex von Jugendlichen im Alter zwischen 11 und 15 Jahren noch nicht fertig ausgebildet ist, sind sie auch nicht in der Lage, die von ihnen erwarteten Verhaltensmuster zu leben. «Dieser Teil des Gehirn ist noch gar nicht ausgereift: Sie können nichts dafür», wiederholte Jänke und konstatierte, dass der noch nicht ausgebildete Frontalkortex aus diesem Grund durch die Erziehung kompensiert werden müsse.

Vorbilder sind wichtig

Mit witzigen, aber sehr realen Beispielen erklärte Jänke, wie der Frontalkortex beim erwachsenen Menschen die Gefühle kontrollieren kann. «Es funktioniert nicht immer, dass wir unsere Gefühle kongtrollieren. Aber grundsätzlich könnten wir es», so Jänke, und holte damit einmal mehr sein Publikum gekonnt ab.

Auch die Themen Multitasking und virtuelle Welten schnitt er an: «Extreme Multitasker können sich unmöglich mit einem einzelnen Thema tiefgründig befassen. Es geht alles nur oberflächlich. Das Gehirn ist dazu nicht in der Lage.» Und zu den virtuellen Welten: «Wir stumpfen ab.»

In seinem Schlussvotum wies Jänke nochmals auf die Vorbildfunktion von Eltern und Lehrern hin und fragte: «Machen wir das, was wir von unseren Kindern erwarten?»

Der Neurologe Lutz Jänke ist heute Abend Gast in der Sendung «Einstein» auf SRF 1 um 21 Uhr.

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