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Wie stimme ich mich auf den Frühlingsputz ein?

«Putz dich frei», heisst es diese Woche in einer seriösen Tageszeitung. Im «Zischtigsclub» sind Messies Thema. Meine Nachbarn entrümpeln, ihre Mulden lassen grüssen. Frühlingsputz ist angesagt.

Südostschweiz
18.03.12 - 01:00 Uhr

Von Claudia Kock Marti

Die Sonne scheint auch auf die Klebestreifenreste auf den Fensterscheiben. Sie sind vom letzten Weihnachtsschmuck übriggeblieben. Der Staub des Winters ist plötzlich auf allen Ablagen sichtbar.

Wohin mit den Frühlingsjacken? Erste dicke Mäntel und Schuhe habe ich bereits weggeräumt, doch werden sie vielleicht noch gebraucht, die Skipiste lockt ja auch noch. Trotzdem: Über kurz oder lang wird daheim eine richtige Frühlingsputzete nötig.

Doch wie bringe ich die Motivation von der staubigen Tiefkühltruhe im Keller bis zum vollgestellten Estrich auf Touren? Ich sage es ehrlich, ich habe eigentlich keine Lust zum vertieften Putzen und Ausmisten. Die minimale alltägliche Sisyphusarbeit, um das Gröbste im Griff zu behalten, reicht mir.

Allerdings soll Putzen und Ordnungmachen gut für die Seele sein, habe ich gerade gelesen. Ein Reinigungsritual sozusagen. Meine Nachbarin weiss dies offenbar bereits. Strahlend trägt sie Kiste um Kiste zur Mulde. Doch so weit bin ich noch nicht. Lieber will ich zuerst wissen, woher der Ausdruck Frühlingsputz eigentlich kommt.

Viel mehr als Staub aufwirbeln

Einen eigentlichen Wikipedia-Eintrag gibt es für das Wort Frühlingsputz nicht. Anscheinend wird vorausgesetzt, dass klar ist, was der Begriff Frühlingsputz umschreibt. Weltweit gebräuchlich wird er nicht sein, es gibt nicht überall vier Jahreszeiten. Ein Trockenzeit- oder Regenzeitputz ist mir noch nie untergekommen. Hingegen finde ich im Internet auf Anhieb den Frühlingsputz für den Körper, fürs Auto oder das Velo sowie jede Menge Haushalttipps. Und ich lerne, dass auf Englisch to spring-clean Frühlingsputz machen heisst.

Laut der im «St. Galler Tagblatt» zitierten Ethnologin und Reinigungsunternehmerin mit Putzschule Katharina Zaugg dient das Reinigen in vielen Kulturen als Vorbereitung auf sakrale Handlungen. Mit dem Frühlingsputz etwa werde das Haus vor Ostern hergerichtet. Das tönt gut und – wissenschaftlich untermauert – steigt meine Motivation bereits ein wenig.

Ich erinnere mich plötzlich an einen Film, in dem ein gestresster Manager über das meditative Besenkehren in einem Kloster zu sich selbst findet.

Putzen soll auch für die Fitness gut sein; der Ausgleichssport zum Bürosessel kostet zudem nichts. Allerdings wird – wie bei anderen Sportarten – vor allen möglichen Haushaltunfällen gewarnt.

Vielleicht würde mich eine gründliche, mental und praktisch gut vorbereitete Putzaktion ganz nebenbei auf gute Ideen für kommende Artikelthemen bringen. Ich dürfte nur nicht so negativ an das Projekt herangehen. Es ist doch alles immer nur eine Einstellungsfrage.

Alles keine Hexerei

Kommen wir also zur Praxis: «Freuen Sie sich auf ein blitzblankes Zuhause. Mit den richtigen Tipps schaffen Sie den Frühlingsputz ganz ohne Stress», lese ich im weltweiten Netz. Um Zeit zu sparen, wird als Erstes ein gezieltes Vorgehen empfohlen. Gute Putzgeräte, richtige Reinigungsmittel und eine Anleitung für streifenfrei geputzte Fenster folgen.

Am besten probiere ich dies alles bald aus. Nächste Woche verabrede ich mich mit meinem Wischmop.

Mit einem farbigen, der gute Laune bringt. Gut vorbereitet werde ich mich mit alten Zahnbürsten für eklige Zwischenräume bewaffnen und alte Nylonstrümpfe suchen für die streifenfreien Glasscheiben.

Essig soll mir als Putzmittel reichen. Der ist ökologischer als Chemiekeulen. Wenn ich allein zu Hause bin, werde ich laute Lieblingsmusik dazu laufen lassen.

Doch was mache ich, wenn es regnet? Dann sehe ich vielleicht den Staub nicht mehr, und die ganze schöne Motivation ist im Eimer.

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