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Was für Liszt der Walensee war, war für Skrjabin Vitznau

Unter dem Motto «Inspiration Schweiz – Grenzüberschreitungen» spielt Luisa Sereina Splett, die junge Pianistin mit Bündner Wurzeln, am Montag in der Zürcher Tonhalle lauter Werke mit Schweizer Bezug.

Südostschweiz
25.09.10 - 02:00 Uhr
Zeitung

Von Walter Labhart

Zürich. – Von den vielen klingenden Denkmälern, die ausländische Komponisten schweizerischen Orten gewidmet haben, ist das Heft «Suisse» der «Années de Pélerinage» von Franz Liszt wohl das bedeutenste. Zwischen der «Chapelle de Guillaume Tell» und den «Cloches de Genève» spannt die hochromantische Musik einen weiten Bogen. Er schliesst mit «Au bord d'une source» eines der stimmungsvollsten Charakterstücke des weit gereisten Virtuosen ein, der 1836/37 in Genf Fuss gefasst hatte. Liszt unterlegte der idyllischen Szene «Au lac de Wallenstadt» die sanfte Wellenbewegung eines ruhigen Walensees, um in «Orage» mit stürmischem Oktavengedonner aufzufahren. Im «Vallée d'Obermann» wandte er sich einem Briefroman von Étienne Pivert de Sénancour zu, einer literarischen Landschaft, die nur in des Dichters Fantasie existierte. Mit diesen in diversen Fassungen überlieferten, 1855 als «Années de Pélerinage» veröffentlichten Stücken beschliesst die Pianistin Luisa Sereina Splett ihr klug konzipiertes Rezital.Die einer Musikerfamilie aus Graubünden entstammende Pianistin Luisa Splett kam 1983 in Winterthur zur Welt. Mit fünf Jahren begann sie Klavier zu spielen. Ausgebildet wurde sie bei dem in Chur geborenen Pianisten Karl Andreas Kolly, bei Jelena Scherbakowa in Santiago de Chile und bei Oleg Malow in St. Petersburg, wo sie zurzeit lebt und eine Konzertreihe leitet.

Schweizer Pädagoge in Moskau

Für die Einstimmung in ihr Rezital hat sich Splett etwas höchst Originelles einfallen lassen. Da sie neben ihrer internationalen Konzerttätigkeit gegenwärtig an einer Doktorarbeit über die russischen Jahre des Schweizer Komponisten und Pianisten Emil Frey (1889-1946) arbeitet, macht sie das Publikum zuerst mit Werken dieses aus dem aargauischen Baden gebürtigen Musikers bekannt, der von 1912 bis 1917 eine Virtuosenklasse am Moskauer Konservatorium leitete. Um die Entwicklung von Freys Klavierstil aufzeigen zu können, beginnt Splett ihren Überblick mit der spätromantischen Berceuse aus den Vier Klavierstücken op. 12 (um 1910).Grosse stilistische Sprünge trennen danach die harmonisch kühne Humoreske aus den Vier Klavierstücken op. 20 von der vetrackt schwierigen Passacaglia aus der 1933 entstandenen 6. Suite op. 60. Sie stellt mit ihrem widerborstigen Klaviersatz und polymetrischen Kontrapunkt ausserordentlich hohe Anforderungen. Von einem weiteren Schweizer Komponisten, der es ebenfalls als Musikpädagoge im Ausland zu hohem Ansehen brachte, von Frank Martin (1890-1974), stellt die Pianistin eine Auswahl vor. Die Dinu Lipatti gewidmeten «Huit Préludes pour le piano» schrieb Martin 1947/48 im niederländischen Naarden, bevor er als Kompositionslehrer am Kölner Konservatorium zu unterrichten begann. Die teilweise auf Zwölftonreihen basierenden Stücke zählen zu den pianistisch attraktivsten Gattungsbeiträgen der Schweizer Klaviermusik.

Das Beste in der Schweiz komponiert

Seit er 1895 einige seiner 24 Préludes op. 11 in Vitznau am Vierwaldstättersee komponiert hatte, hielt sich der Moskauer Komponist, Pianist und Musikphilosoph Alexander Skrjabin (1872-1915) immer wieder in der Schweiz auf. Die erste einsätzige seiner insgesamt zehn Klaviersonaten, die Sonate Nr. 5 op. 53, hatte er im Sommer 1907 in Beatenberg skizziert. Binnen einer Woche beendete er sie im Dezember jenes Jahres in Lausanne, wo er auch die Arbeiten am Orchesterwerk «Le Poème de l'Extase» op. 54 abschloss. Einer Klavierschülerin und Förderin schrieb Skrjabin damals von Lausanne aus: «Heute habe ich die 5. Sonate fast vollendet, das heisst ein grosses Poem für Klavier, und ich finde sie die beste von allen meinen Kompositionen für Klavier.» Dem vor Klangsinnlichkeit vibrierenden Werk ist ein Textzitat aus «Le Poème de l'Extase» vorangestellt.

«Inspiration Schweiz – Grenzüberschreitungen». Montag, 27. September, 19.30 Uhr. Tonhalle, Kleiner Saal, Zürich.

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