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Warum sich die Linken nicht grün sind

Die Beziehung zwischen Sozialdemokraten und Grünen ist voller Missverständnisse. Da die grosse Arbeiterpartei, der vor allem sozial bewegte Angehörige des Mittelstands angehören.

Südostschweiz
16.09.10 - 02:00 Uhr
Zeitung

Von David Sieber

Dort die Grünen, ebenfalls meist dem Mittelstand angehörende Emporkömmlinge, die sich zur fünften Kraft im Land gemausert haben. Da aber auch die SP mit einem starken ökologischen Flügel. Und dort die Grünen mit einem grossen sozialen Gewissen.Geschwister im Geiste, möchte man meinen, die sich zusammen gegen eine bürgerliche Übermacht wehren. Weit gefehlt. Eher spinnefeinde Nachbarn, die tunlichst darauf achten, dass ihr Gärtlein unversehrt bleibt – aber selbst am liebsten über den Hag fressen. Als die SP noch eine wirkliche Volkspartei mit entsprechendem Zulauf war, hatten die Genossen für die grünen Idealisten nur ein müdes Lächeln übrig. Doch die Grünen hatten Erfolg. Von Wahlen zu Wahlen mehr. In den Kantonen und auf Bundesebene. Und meist auf Kosten der SP. Sie wollten zu Recht als gleichberechtigte Partner angesehen werden. Das wurde ihnen verwehrt. Stattdessen verlegte sich die SP darauf, die Grünen mit Lippenbekenntnissen für die eigenen politischen Projekte einzuspannen – und hintenrum den grünen Machtanspruch zu bekämpfen.Dass die Grünen bis heute noch nie das Nationalratspräsidium innehatten, ist nicht zuletzt dem Taktieren der SP zuzuschreiben. So wird auch verständlich, weshalb die SP der grünen Bundesratskandidatur eine Abfuhr erteilt. Die Grünen, strategisch noch immer nicht ganz trocken hinter den Ohren, machen es der SP aber auch denkbar einfach, indem sie mit Brigit Wyss einen absoluten Nobody ins Rennen schickten. Doch auch mit dem besten Ross am Start hätte die SP kein Gehör für grüne Loyalitätsappelle. Schliesslich gilt es, den eigenen Garten zu schützen. Das ist gefährlich. Sollte die verletzte grüne Seele bei den Bürgerlichen Trost finden, könnte das 2011 zu Lasten eines SP-Bundesratssitzes gehen. Dann wäre sich die Linke nicht nur nicht mehr grün, dann sähe sie rot.

dsieber@suedostschweiz.ch

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