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Wahlkampf mit Bundesräten ist unwürdig

Was war das für ein Geschrei, als die SVP 2007 ihren Wahlkampf voll auf ihre Lichtgestalt im Bundesrat ausrichtete. «SVP wählen – Blocher stärken», lautete die Parole.

Südostschweiz
25.09.10 - 02:00 Uhr
Zeitung

Von David Sieber

Die Kritik war fundamental. Da missbrauche einer sein Amt, um der eigenen Partei zu helfen. Und umgekehrt. Dies sei mit der Würde des Amtes nicht vereinbar. Schliesslich müsse ein Bundesrat für alle da sein und nicht nur für seine Klientel. Die Folge dieses Wahlkampfes: Die SVP gewann, Blocher flog aus dem Bundesrat.Die Kritik aber war berechtigt. Wenn die Landesregierung als Kollegialbehörde tatsächlich funktionieren soll, müssen sich deren Mitglieder ein Stück weit von ihren Parteien emanzipieren. Unser System verträgt es auf Dauer nicht, wenn seine oberste Repräsentanz lieber Wahlkampf macht, anstatt seine symbolische Klammerfunktion wahrzunehmen. Es genügt ja, dank Indiskretionen den täglichen Kleinkrieg der Magistraten mitverfolgen zu dürfen.Und nun, kurz nach den Ersatzwahlen in den Bundesrat und gut ein Jahr vor den nächsten Parlamentswahlen, eifern jene Parteien, die gern und oft die Stilfrage thematisieren, der SVP nach. Im Graubereich bewegt sich dabei die SP, die in ihrem Gratulationsinserat für Simonetta Sommaruga gleich zum Parteibeitritt aufruft. Bedenklich ist hingegen, wie BDP-Präsident Hans Grunder den Sitz von Eveline Widmer-Schlumpf retten will: mit einer Kopie der SVP-Strategie. Ob dies der Partei zum Durchbruch auf nationalem Parkett verhelfen wird, so dass sie im Konzert der Grossen einen Bundesratssitz für sich reklamieren kann, ist ziemlich fraglich. Zumal ein Slogan à la «BDP wählen – Widmer-Schlumpf retten» einer Partei, die für «anständige Politik» eintritt, nicht gut ansteht.Widmer-Schlumpf ist ohne Zweifel eine fähige Bundesrätin. Ihre Zeit läuft nicht ab, weil sie im Amt irgendetwas falsch gemacht hätte, sondern weil die Machtkonstellation es so will. Sie wird als grosse Magistratin in Erinnerung bleiben – wenn sie sich der unwürdigen Strategie ihrer Partei verweigert.

dsieber@suedostschweiz.ch

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