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Waffenläufer Niederberger: Einer der Letzten seiner Art

Der oft totgesagte Waffenlauf lebt. Das freut nicht zuletzt den langjährigen Exponenten Hans Niederberger aus Sagogn, einen der wenigen ver- bliebenen Bündner im Feld.

Südostschweiz
19.11.11 - 01:00 Uhr

Von Johannes Kaufmann

Waffenlauf. – 60 Jahre alt ist Hans Niederberger in diesem Jahr geworden. Er fühle sich fit, sagt der seit 1977 in Graubünden wohnhafte Innerschweizer. Sein körperliches Wohlbefinden führt er primär auf seine Freizeitgestaltung zurück, die er mit Vorliebe als Läufer verbringt. Und er beteiligt sich gerne an Wettkämpfen. «Am Swissalpine in Davos konnte ich dieses Jahr im K42 in meiner Altersklasse gar einen Sieg einlaufen», sagt der bei Postauto Graubünden in Lohn und Brot stehende Hobbyläufer nicht ohne Stolz.

Doch eigentlich sind derlei Veranstaltungen für Niederberger bloss wettkämpfmässiges Training für seine wahre sportliche Passion: er ist leidenschaftlicher Waffenläufer – und damit einer der Letzten seiner Art. «In den Spitzenzeiten des Wehrsportvereins Graubünden waren wir über 30 Aktive», sagt Niederberger mit ein bisschen Wehmut in der Stimme. Selbstverständlich trauert einer wie er, der mit 278 absolvierten Läufen knapp hinter dem nicht mehr aktiven Paul Brügger (294) aus Thusis in der ewigen Rangliste der Bündner auf Rang 2 steht und auch national zu den eifrigsten Teilnehmern zählt, diesen Tagen nach. Vier, fünf Bündner beteiligen sich heute noch an den Läufen.

Neue Organisation

Mehrfach wurde die traditionsreiche, urschweizerische Sportart totgesagt. Auch Niederberger erinnert sich nicht allzu gerne ans Jahr 2006, als die Interessengemeinschaft Waffenlauf die traditionsreiche Meisterschaft zu Grabe trug. Aus den Ruinen entstand alsbald neues Leben, das von der neuen Dachorganisation Waffenlauf-Verein Schweiz orchestriert wird. Nach nur einjähriger Pause kehrte die Meisterschaft zurück. Dank Waffenläufern wie Niederberger, die nicht bereit waren, das Ende einer Traditionssportart einfach hinzunehmen. Er tue es der Freude an der Bewegung, der guten Kameradschaft («die gibt es an zivilen Läufen so nicht») und der Verbundenheit mit dem Waffenlauf zuliebe, erläutert Niederberger. Zum Glück der Zunft avancierten neue Veranstalter, die dem Waffenlauf inmitten einer bestehenden Laufveranstaltung eine Nische anbieten. Scharans, Lenzburg, Kaisten, Wohlen und seit diesem Jahr auch Muri erschienen im Wettkampfkalender. Sie ersetzen die klassischen Destinationen wie Thun, Kriens, St. Gallen oder Wiedlisbach, die sich angesichts der schwindenen Teilnehmerzahlen zur Aufgabe gezwungen sahen. Übrig geblieben ist nur der Waffenlauf schlechthin, der «Frauenfelder» über die klassische Marathondistanz. Auch hier wurde das Angebot aber um einen «Zivillauf» ergänzt. Die 77. Auflage des Klassikers morgen hätte Niederberger gar die Krönung seiner Waffenlaufkarriere bescheren sollen. Der «Junior» in der M60-Kategorie führt vor dem Finale mit drei Siegen und zwei dritten Plätzen die Zwischenwertung an. Es wäre Niederbergers erster Kategorien-Gesamtsieg, um den er jetzt infolge einer Zerrung bangen muss. Zumindest Rang 2 hat er auf sicher. «Die Gesundheit geht vor», sagt er.

Erinnerungen an Albrecht Moser

Begonnen hatte alles 1973 in der Innerschweiz. Niederberger stammt aus Kastanienbaum (Gemeinde Horw), das direkt an der Strecke des Krienser Waffenlaufs lag. Er sagt: «Für einen jungen Horwer war es fast ein Muss, nach der Rekrutenschule einmal am Krienser teilzunehmen.» Niederberger fand Gefallen an dieser Sportart, die in den Siebzigerjahren ihrem Höhepunkt entgegensteuerte. Das hatte viel mit Albrecht Moser zu tun, der ebenfalls am «Krienser», dem klassischen Einsteigerlauf, debütierte. Anfangs sei der Spitzenleichtathlet von den Waffenläufern kritisch beäugt worden, erinnert sich Niederberger. Doch Moser avancierte zum Glücksfall. «Er hat den Waffenlauf auf ein höheres Niveau geführt», sagt Niederberger, «dank ihm wurde unser Sport auch von einer breiten Öffentlichkeit anerkannt.» In den damaligen Boomjahren beteiligten sich über 1000 Läufer an den Wettkämpfen. Heute sind es noch etwas über 100. Moser ist auch nicht mehr da, dafür blieb Kudi Steger, einer seiner Rivalen. An ihm orientiert sich Niederberger. «Heute bin ich gar schneller als er», sagt er.

Niederberger hat akribisch über all seine Läufe Buch geführt. Was waren die Höhepunkte? Er erwähnt den «Freiburger» 1998, als er erstmals in die Punkteränge lief. Oder 1999, als er ausgerechnet in seiner Heimat am «Krienser» den 200. Waffenlauf bestritt. Ebenfalls in bester Erinnerung blieb Nummer 250 in Wiedlisbach. «Da durfte ich von Bundespräsident und Ehrengast Samuel Schmid Glückwünsche zum Jubiläum entgegennehmen», sagt Niederberger, der ebenso von Treffen mit Schmid-Vorgänger Adolf Ogi schwärmt. «Diese Begegnungen hätten sich ohne Waffenlauf nie ergeben», sagt ein nun ein wenig nachdenklich gestimmter Niederberger. Ob er die 300-er-Barriere knacken wird? Das wisse er nicht. Und der Rekorde wegen laufe er schon gar nicht. Doch er sieht derzeit keinen Grund für den Rückzug vom Waffenlauf. «Laufen hält mich fit und jung.»

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