Tüftler in der Kunstschmiede
Gian Stoffel betreibt eine Kunstschmiede und Schlosserei in Sils im Domleschg. Seine grosse Leidenschaft ist das Schmieden von Damaszener Stahl, was präzise Handarbeit und viel Zeit erfordert. Die Stiftung Bündner Kunsthandwerk zeichnet den 34-Jährigen am 27. Januar mit dem Anerkennungspreis aus.
Gian Stoffel betreibt eine Kunstschmiede und Schlosserei in Sils im Domleschg. Seine grosse Leidenschaft ist das Schmieden von Damaszener Stahl, was präzise Handarbeit und viel Zeit erfordert. Die Stiftung Bündner Kunsthandwerk zeichnet den 34-Jährigen am 27. Januar mit dem Anerkennungspreis aus.
Juscha CASAULTA
Seine Werkstatt befindet sich etwas versteckt im Gewerbezentrum in Sils im Domleschg, nahe am Fluss Albula. Im Jahr 2000 hat Gian Stoffel die Kunstschmiede von seinem einstigen Lehrmeister Gaudenz Michael in Thusis übernommen. «Er fragte mich an, weil er aus gesundheitlichen Gründen seine Schmiede aufgeben musste.» Zu dieser Zeit arbeitete Stoffel als Schweisser in einem Kieswerk. Er sagte zu. Nach einem Jahr zügelte er die Werkstatt an den jetzigen Standort.
Alles, was geschmiedet werden kann
In seiner Kunstschmiede und Schlosserei erfüllt er im Einmannbetrieb das gesamte Spektrum von Metallarbeiten. Entsprechend ist die Werkstatt eingerichtet. Der Mittelpunkt der Schmiede ist die Feuerstelle, Esse genannt, der Amboss, der Krafthammer. Rundherum hängen zahlreiche verschiedenste Zangen und Hämmer. «Ich mache eigentlich alles, was mit Stahl zu tun hat», sagt Stoffel, der in Avers aufgewachsen ist und in Scharans wohnt. So zum Beispiel moderne Türgriffe und Armaturen aus Damaszener Stahl oder geschmiedete Lampen, Tore, Stühle und Tische für eine Bar, ja sogar Fingerringe. Stoffel entwirft zuerst verschiedene Varianten. «Manchmal bin ich tagelang am Skizzieren.» Manchmal vergeblich, wenn der Auftrag letztlich ausbleibt. Manchmal weicht er bei der Realisierung auch von der Skizze ab. Stoffel ist ein Tüftler, probiert gerne aus. Was auch notwendig ist, wenn er etwa eine Spiralfeder für ein altes Türschloss schmieden will.
Er arbeitet auch für die Denkmalpflege. In der Kirche in Scharans zum Beispiel hat er ein gotisches Türschloss nachgeschmiedet, hergestellt wie damals, weder gelötet noch geschweisst, sondern genietet, verschraubt und geschmiedet. «Das sind schöne Arbeiten, das ist wirklich noch das ursprüngliche Handwerk.» In einer Ecke der Werkstatt warten noch alte, rostige Türbeschläge auf ihre Restaurierung. Im Domleschg steht bekanntlich manch historisches Schloss, auch die brauchen gelegentlich ein neues, dem Stil angepasstes Balkongeländer oder einen passenden Handlauf. Eine besondere Schlosserarbeit war für Stoffel die Gestaltung eines Messestandes für eine Baugerüstfirma an der letztjährigen Gehla und die Formgebung eines Steinbocks aus Baugerüstelementen für einen Strassenkreisel in Chur.
Bedrohtes Handwerk
Kunstschmied ist ein alter Handwerksberuf. Das Wort Kunst beziehe sich hier nicht auf besondere Objekte, meint Stoffel. «Wir achten wohl mehr aufs Optische, dass es harmoniert, ebenso achten wir auf eine fachgerechte Ausführung.» Gelegentlich weiche man leicht vom Mass ab, damit es dann eben optisch schöner aussehe. Kunstgegenstände stellt Stoffel lediglich im Kundenauftrag her. Seine grosse Leidenschaft ist der Damaszener Stahl, auch Damast genannt. Es heisse, das sei die hohe Schmiedekunst. «Da kommt alles zusammen, was man mit Schmieden gelernt hat.» So müsse man den präzisen Schmelzpunkt erreichen. «Das ist nur ein kurzer Moment, das muss man im Gefühl haben.» Das Arbeiten mit dem Krafthammer kommt dazu. «Das habe ich alles in der Lehre gelernt.» Stoffel hat auch schon Lernende ausgebildet. Er bedauert, dass das eigentliche Schmieden in der heutigen Berufsausbildung nur noch einen geringen Teil ausmacht. «Das ursprüngliche Handwerk geht dadurch verloren.»
Mischung der Elemente
Wie entsteht denn Damaszener Stahl? «Handgeschmiedeter Damaszener Stahl wird heute noch genau wie früher hergestellt», sagt Stoffel. Es ist ein Werkstoff aus zwei Eisen- und Stahlsorten. Wie Stoffel erklärt, werden am Anfang mehrere Schichten aus Stahl und Eisen abwechslungsweise übereinandergelegt. Dann wird das Stahl- und Eisenpaket im Feuer bis zum Schmelzpunkt erhitzt. Der glühende Stahl wird mit Quarzsand abgedeckt, damit kein Sauerstoff mehr in die Schmelze eindringen kann. Unter den stampfenden Schlägen des Krafthammers wird das Stück immer flacher. Dann wird es halbiert, und die beiden Hälften werden aufeinandergelegt. Und die Prozedur beginnt von Neuem mit Erhitzen, Hämmern und Falten. Endprodukt ist ein mehrlagiger Damaszener Stahl. «Je mehr Schichten, desto besser die Qualität.» Samurai-Schwerter etwa bestünden aus bis zu 400 000 Schichten. Die Abwechslung von Stahl- und Eisenplatten verleihe dem Damaszener Stahl eine besondere Schärfe für Messer. Stahl sei hart, aber ergebe eine weniger scharfe Klinge, während Eisen scharf sei, aber sich schnell abnütze. Die Mischung der beiden Elemente mache die Schärfe eines Messers aus Damaszener Stahl aus.
Eigentlich macht Gian Stoffel keine Gegenstände auf Vorrat, sondern nur auf Bestellung. Doch zwei Jagdmesser aus diesem exklusiven Stahl, die er vor Jahren zeitaufwendig geschmiedet hat, sind noch da. Auffällig und charakteristisch für den Damaszener-Stahl-Verbund sind die «organischen» Muster. Jedes Messer, das er herstelle, mache er anders, sagt der Schmied, der es geniesst, alleine in seiner Werkstatt zu arbeiten. «Ich tüftle gerne und lerne dadurch mit jedem Stück mehr dazu, ausgelernt hat man auch beim Schmieden nie.» Ende Januar erhält Gian Stoffel den Anerkennungspreis der Stiftung Bündner Kunsthandwerk. Das freut ihn. «Es zeigt, dass man wahrgenommen wird bei dem, was man tut.»
Die Serie Kunst Hand Werk erscheint alle zwei Wochen und widmet sich dem Verhältnis von Kunst und Handwerk.
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