Teure Meliorationsstrassen ärgern einheimische Bauern
Bund und Kanton zahlen jährlich weit über 20 Millionen Franken für Meliorationsprojekte in Bündner Gemeinden. Man schaffe damit Mehrwert, sagen Fachleute. Bauern klagen, man zerstöre Kulturland und richte Schaden an.
Bund und Kanton zahlen jährlich weit über 20 Millionen Franken für Meliorationsprojekte in Bündner Gemeinden. Man schaffe damit Mehrwert, sagen Fachleute. Bauern klagen, man zerstöre Kulturland und richte Schaden an.
Von Reto Furter
Chur. – Jahr für Jahr werden in Graubünden Dutzende Kilometer neue Strassen gebaut, und zwar im Rahmen von Gesamtmeliorationen und kleineren Meliorationsprojekten. Die Strassen mit einer Normbreite von üblicherweise drei Metern verbessern die Erreichbarkeit abgelegener Güter und erlauben der Land- und Forstwirtschaft einen rationellen Transport mit schweren Fahrzeugen.Gleichzeitig werden diese Güter – meist sind es zerstückelte Klein- und Kleinstgrundstücke – zu grösseren Gütern arrondiert, was den Einsatz der teuren Landwirtschaftsfahrzeuge für die Bauern rentabel werden lässt. Meliorationen bilden daher in Graubünden einen festen Bestandteil der Landwirtschaftspolitik.
Schneisen im Peister Berggebiet
Melioriert wird derzeit zum Beispiel in den Schanfigger Gemeinden Peist und St. Peter-Pagig (Ausgabe vom 24. Juni). Dort entstehen in den nächsten 20 Jahren 49 Kilometer neue Strassen, davon 21 Kilometer mit neuer Linienführung. Dagegen wehrte sich die Stiftung Landschaftsschutz Schweiz, weil eine einzigartige Moorlandschaft zwischen Hochwang und dem Faninpass bedroht sei.Doch obwohl das Projekt demokratisch legitimiert ist, gibt es jetzt auch vor Ort Widerstand dagegen, zum Beispiel gegen die Rodungen und Böschungsarbeiten oberhalb von Zerfalta. Man gewinne nichts mit der neuen Linienführung, reklamieren Bauern – im Gegenteil: Die vielen neuen Böschungen könne man gar nicht bewirtschaften, weil sie viel zu steil seien. Faktisch gehe sogar Landwirtschaftsfläche verloren.Hätte man oberhalb von Zerfalta nicht den alten Weg verbreitern können, fragen sich Peister Bauern. Vermutlich schon – aber mit finanziellen Konsequenzen. In seinen Richtlinien zum «Güterstrassenbau» weist das kantonale Amt für Landwirtschaft und Geoinformation nämlich darauf hin, dass man die Strassenbaunormen einhalten müsse, um die maximalen Bundesbeiträge zu erlangen.Baut man billiger, drohen die Subventionen zu versiegen. Und das macht im Fall von St. Peter-Pagig/Peist durchaus etwas aus: Bund und Kanton subventionieren das fast 34 Millionen Franken teure Projekt nämlich zu 85 Prozent. Für die beiden Gemeinden bleiben damit Kosten von lediglich fünf Millionen Franken.
Rentable Investitionen
Jahr für Jahr investiert der Kanton Graubünden 10,5 Millionen Franken in Meliorationsprojekte, wie Hanspeter Rüedi vom Amt für Landwirtschaft und Geoinformation sagt. Dazu kommen etwa zwölf Millionen Franken vom Bund. Und die Arbeit dürfte so bald nicht ausgehen: Zahlreiche Bündner Gemeinden werden vom Kanton weiterhin als «zusammenlegungsbedürftig» bezeichnet.Zur Rentabilität der hohen Investitionen in Meliorationsprojekte gebe es Untersuchungen, sagt Rüedi. Landwirtschaftliche Betriebe könnten rentabler betrieben werden; auffallend sei zudem, dass junge Landwirte ein grösseres Interesse hätten, Betriebe in meliorierten Gebieten zu übernehmen als in nichtmeliorierten. Eine Nutzwertanalyse habe zudem gezeigt, dass vor allem die Öffentlichkeit von Meliorationen und dem Ausbau der Wege profitiere, etwa weil Alpgebiete für Rettungsfahrzeuge besser erreichbar seien, so Rüedi.Ob die jährlich über 20 Millionen Franken von Bund und Kanton für die Landwirtschaft tatsächlich gut investiert sind angesichts des Bauernsterbens, lässt sich aber kaum abschätzen – man kann nicht wissen, wie sich Gemeinden weiterentwickelt hätten ohne Meliorationsprojekte. Die Nullprobe fehlt, räumt denn Rüedi auch ein.Willkommen sind die Meliorationsprojekte aber. Peist und St. Peter-Pagig erhalten 49 Kilometer Strassen für fünf Millionen Franken – und zahlreiche Bau- und Planungsfirmen verdienen sich eine goldene Nase.
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