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Süd-Volk gibt sich vier Jahre Zeit

In der heiss debattierten Schulfrage in Glarus Süd obsiegt die IG Zukunft Schulen klar. Die Stimmbürger wollen die heutigen Schulen erhalten und bekräftigen dies mit einem Moratorium über vier Jahre.

Südostschweiz
24.11.13 - 01:00 Uhr

Die Stimmbürger lehnen das Schulstandortmodell 6+2 des Gemeinderats deutlich ab

Von Claudia Kock Marti

Mit 1000 vorbereiteten Stühlen in der Sporthalle Schwanden hat der Gemeinderat von Glarus Süd gut gerechnet. Und tatsächlich kommt es am Freitag zum Rekord in der dreijährigen Geschichte der Versammlungsdemokratie von Glarus Süd. Die Eingangskontrolle, die alle Bürger mit Stimmkarte erfasst, kann dem Gemeindepräsidenten Thomas Hefti 1010 Stimmberechtigte im Saal melden. Das sind so viele wie noch nie. Die Stimmung ist gut, ruhig und gespannt zugleich. Das Traktandum zur Schulentwicklung ist nach Budget, Lohnentwicklung und Steuerfussfestsetzung an der Reihe.

<strong>Der Gemeinderat beantragt </strong>der Gemeinde, das Schulstandortmodell 6+2 mit Umsetzungszeitraum von zwei Jahren zu genehmigen. Das heisst, von den heute neun Primarschulstandorten drei, nämlich Haslen, Schwändi und Elm, sowie die Oberstufe in Matt zu schliessen. Damit seien die gesetzlichen Vorgaben wieder einhaltbar und auch gewisse Einsparungen möglich, begründet Brigitte Weibel, Departementsvorsteherin Schule und Familie, das Modell nochmals. Mit blosser Strukturerhaltung gehe das nicht. Ein Eintreten auf die Debatte ist unbestritten, eine Rückweisung des Geschäfts will niemand.

<strong>Als erster von insgesamt 13</strong><strong> </strong>Rednerinnen und Rednern beantragt Jacques Marti aus Sool im Namen der SP-Sektion Glarus Süd, unterstützt von Andrea Bernhard, Grünliberale Glarus Süd, es sei das Schulstandortmodell 9+3 zu genehmigen. Es sei weitsichtig. Das Modell 6+2 hingegen trage den positiven Entwicklungsmöglichkeiten der Gemeinde zu wenig Rechnung. Es basiere auf potenziellen Geburtenraten, vernachlässige aber die möglichen Zuzüger.

Es sei zu erwarten, dass der Siedlungsdruck vom Norden auch den Weg nach Glarus Süd finde. Schulen seien ein wichtiges Element, um zuzuziehen. 2013 sei darum der falsche Moment, um Schulen zu schliessen. Die neue Gemeinde solle sich erst besser konsolidieren. Im Modell 9+3 seien Sparmöglichkeiten wohl auszuloten, aber nicht auf Kosten der Bildung Leistungen abzubauen. Maja Luchsinger, Haslen, unterstützt von weiteren erklärten Vertretern der IG Zukunft Schulen wie Sepp Fischli aus Haslen, Alexander Stuber aus Braunwald und Gabriel Weber aus Haslen, votieren ebenso für das Modell 9+3. Die IG sei aber bereit, ihr zuhanden der Versammlung beantragtes Moratorium von acht Jahren auf vier Jahre zu senken. Wobei Moratorium nicht bedeute, sich keinen Schritt bewegen zu wollen, sondern sich aktiv zu beteiligen, so Weber.

<strong>«Stimmen Sie für klein, aber fein», </strong>wirbt Fischli mit Inbrunst. Das noch keine 20 Jahre alte Schulhaus Haslen sei intakt, die Dorfgemeinschaft ebenso. Stuber wie auch der Braunwalder Gesamtschullehrer Gabriel Schiltknecht führen pädadogische Argumente an. Das altersdurchmischte Lernen werde andernorts wieder eingeführt. Und es gebe auch Lehrerinnen und Lehrer, die gern im Mehrklassensystem unterrichteten.

«Sie hören meinen Migrationshintergrund», sagt Martin Günsche, ein weiterer Braunwalder, in schönstem Hochdeutsch. «Ohne Schule in Braunwald wäre ich mit meinen beiden Töchtern nie nach Braunwald gezogen.»

<strong>Man soll die Probleme </strong>nicht aufschieben. Im Namen der FDP Glarus Süd macht sich Ruth Hefti aus Braunwald für das Modell 6+2 stark. Die Mittel für eine zeitgemässe Schulbildung müssten bei den Kindern ankommen und nicht für Strukturen verbraucht werden. «Kinder, die nur zu zweit in einem Jahrgang sind, tun mir leid», so Hefti. Kleine Kinder seien sogar stolz, mit dem Bus zu fahren. Der Austausch in zusammengelegten Schulen fördere auch den Zusammenhalt in der neuen Grossgemeinde. Trotz heute kleiner Schulen gebe es bisher keine Zuzüger. Von Gemeinderätin Irena Zweifel erhält sie Unterstützung.

<strong>Wenn schon</strong> das Modell 6+2 komme, dann mit optimierten Einzugsgebiet für den Schulkreis Hätzingen. Markus Hösli aus Luchsingen beantragt die erwartete Variante. Nur mit Kindern aus Haslen und Leuggelbach sei der Erhalt des Schulhauses Hätzingen längerfristig zu sichern. Es sei falsch, alles Richtung Schwanden zu konzentrieren, unterstützt ihn Barbara Dürst aus Linthal.

Nach rund einer Stunde Debatte sind die Argumente vorgebracht, die Meinungen im Saal scheinen sowieso gemacht, und Thomas Hefti schreitet zur Abstimmung: Mit 314:231 Stimmen lehnt die Versammlung die Variante 6+2 mit optimierten Schulkreis für Hätzingen ab. Danach gehen deutlich mehr Stimmzettel für das Modell 9+3 als 6+2 in die Luft. Die Stimmenzähler müssen nicht mehr in Aktion treten.

Das Gleiche gilt für die Abstimmung über das von der IG Zukunft Schulen Glarus Süd beantragte Moratorium von vier Jahren, in denen explizit keine Schulen geschlossen werden sollen. Auch hier kann sich der Gemeinderat nicht durchsetzen. Die Mehrheit im Saal ist für das Moratorium.

Ohne Wortmeldung wird dann die Änderung der Gemeindeordnung gutgeheissen, wonach über Änderungen im Bestand der Schulstandorte die Gemeindeversammlung entscheidet. Ein entsprechender Antrag eines Bürgers wird damit abgeschrieben.

So viele Stimmbürgerinnen und -bürger aus Glarus Süd nehmen an der Gemeindeversammlung teil. Das ist bisheriger Rekord in Glarus Süd.

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