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«Strompreise sind viel zu günstig»

Der Auftakt zur Alpen- woche in Poschiavo hat es in sich gehabt. Gleich zu Beginn ist eine brisante Forderung in den Raum gestellt worden.

Südostschweiz
06.09.12 - 02:00 Uhr

Von Marc Melcher, Poschiavo

Mit einem Symposium ist die Alpenwoche in Poschiavo zum Thema «Erneuerbare Alpen» eröffnet worden. Thematisiert worden ist das Dauerthema Energiewende. Der Deutsche Naturwissenschaftler Ulrich von Weizsäcker machte zu Beginn auf die Rolle der Alpen in der Energiepolitik aufmerksam: «Natürlich sind die Alpen selbst nicht erneuerbar. Sie können der Bevölkerung aber erneuerbare Energien liefern.» In der Schweiz und Österreich sei dies bereits der Fall. «Anders ist dies in Deutschland und Frankreich. Dort spielen die Alpen noch eine zu grosse Rolle in der Kohlen- respektive Atomenergie», kritisierte Weizsäcker.

Weizsäcker rechnet fest damit, dass gerade die Atomenergie ein Auslaufmodell ist. Die Frage sei, wie die Energieversorgung danach gelöst werden kann. Eine beliebte Antwort auf diese Frage ist die Wasserkraft. Dem stimmt der Naturwissenschaftler aber nur bedingt zu: «Alles der Wasserkraft zu opfern, wird von vielen als gefährlich angesehen.» Denn die ökologischen Auswirkungen auf die Gewässer seien nicht zu unterschätzen. Für alle erneuerbaren Energien gelte: «Im kleinen Rahmen sind sie okay, im grossen aber verheerend für die Natur.» Mögliche Lösungen seien hingegen Offshore-Windkraftanlagen oder Fotovoltaikanlagen auf Hausdächern. Gelobt hat Weizsäcker das Projekt für ein Pumpspeicherkraftwerk im Puschlav: «Soweit ich das beurteilen kann, ist diese Variante durchaus sinnvoll.»

Es gibt nur eine Option

Den Energieverbrauch zu reduzieren sei die einzig wirklich gute Option für eine Energiewende. «Dafür sind aber die Strompreise heute noch viel zu günstig. Wird ein Weg gefunden, Energie zu sparen, finden die Menschen zusätzliche Möglichkeiten, die eingesparte Energie zu verbrauchen.» Weizsäcker ist sich sicher: «Die Preise müssen erhöht werden.» Die Forderung ist im Publikum auf Zustimmung gestossen, hat aber eine weitere Frage aufgeworfen: Wie soll das realisiert werden? «Schliesslich denken nicht alle Menschen so wie die Teilnehmer der Alpenwoche», bemerkte ein Zuhörer. Die Verantwortung liege beim Ein- zelnen, entgegnete Weizsäcker: «Wenn die Bürger umdenken, muss die Politik früher oder später nachziehen.»

Pioniere in Vorarlberg

Die Energiewende bereits eingeläutet hat das österreichische Bundesland Vorarlberg. Dort wurde ein Massnahmenplan verabschiedet, der bis einerseits den CO2-Ausstoss um 20 Prozent verringern, andererseits den Anteil erneuerbarer Energien auf 20 Prozent festlegen und die Energieeffizienz um 20 Prozent steigern soll. Bis im Jahr 2050 soll das Bundesland gar ausschliesslich mit erneuerbaren Energien auskommen können. Adolf Gross, Energiebeauftragter des Bundeslands, führte aus, was solche Massnahmen für Auswirkungen auf die Bevölkerung haben. So müssten viele Gewohnheiten geändert werden, sei es in Bezug auf die Mobilität, das Wohnen oder das Konsumverhalten. «Das sind aber keine Einschränkungen, sondern eine Steigerung der Lebensqualität», betonte Gross.

Im Anschluss an die Eröffnung verteilten sich die Besucher auf verschiedene «Sessions». Dies sind Vorträge im kleineren Rahmen, von denen es bis und mit Freitag insgesamt 30 geben wird. Alle beschäftigen sich – im engeren oder weiteren Sinn – mit dem Thema «Erneuerbare Alpen».

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