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Stefan Engler: «Es wird nicht einfach werden»

Nach zwölf Jahren in der Bündner Regierung tritt Stefan Engler erwartungsfroh, mit viel Respekt und grosser Ambition sein Amt als Ständerat an. Der Suraver will in Bern mehr als nur ein Regionalpolitiker sein.

Südostschweiz
28.11.11 - 01:00 Uhr

Von Luca Geisseler

Eine erste Vorahnung davon, was ihn in Bern erwarten könnte, hat Stefan Engler bereits bekommen. Gleich schachtelweise haben ihm die Parlamentsdienste Unterlagen und Akten zugeschickt. Quittiert hat der ehemalige Bündner Regierungsrat und neu gewählte Ständerat die Postsendung – in seiner typischen unaufgeregten Art – mit der lakonischen Bemerkung, dass die Bundespolitik wohl mit noch mehr Papier verbunden sei als die kantonale Politik. Ganz, ganz unten im gelben Paket, fast ein wenig versteckt inmitten von diesem Papierwulst, hat er dann schliesslich auch die dicht befrachtete Traktandenliste der ersten Session entdeckt.

Es wartet viel, viel Arbeit auf Engler in Bern. Und doch freut er sich auf diese Herausforderung. Dies wird, falls es denn noch eines Beweises bedurft hätte, im Gespräch schnell deutlich. Aber es ist keine naive, gedankenlose Freude, sondern es schwingt auch viel Ehrfurcht mit, wenn Engler über sein neues Amt spricht. Er werde Zeit brauchen, um sich mit den Abläufen in Bundesbern vertraut zu machen. Dabei unterstützt wird er von einem Götti, den ihm die Fraktion in der nächsten Sitzung zuteilen wird. Engler hofft, so eine Vertrauensperson zu finden, der man auch einmal eine «dumme Frage stellend darf». So schnell als nur möglich will der ehemalige Regierungsrat und Verwaltungsratspräsident der RhB sich aber ein eigenes Netzwerk aufbauen. «Damit ich auch selbst Einfluss nehmen kann.»

In Bern selbstbewusst auftreten

Ob ihm dies dann tatsächlich auch gelingen wird, hängt nicht unwesentlich davon ab, in welcher Kommission er Einsitz nehmen darf. Denn die wichtigen politischen Weichen werden oft gerade in der Kommissionsarbeit gestellt. Engler verhehlt nicht, dass er ganz gerne in der Verkehrskommission politisieren würde. Er betont aber sogleich, dass er als neu gewählter Parlamentarier zwar Wünsche äussern, aber keine Ansprüche stellen könne. Er hoffe aber, dass seine vielfältigen Erfahrungen in der Verkehrspolitik aus seinen zwölf Jahren in der Bündner Regierung berücksichtigt werden. «Sodass ich letztlich dann doch in einer meiner Wunschkommissionen wirken darf.»

Wieder ist sie also förmlich greifbar, die zwischen Vorfreude und Respekt vor dem neuen Amt changierende, ungewisse Erwartungshaltung. Stets äussert er sich zurückhaltend, ja fast bescheiden. Und doch wird spürbar, dass er ganz genau weiss, was er möchte. Der zweifache Familienvater hat sich denn auch ehrgeizige Ziele für seine erste Amtszeit gesetzt. So will er dem Auseinanderklaffen zwischen Städten und Agglomerationen auf der einen Seite und dem ländlichen Gebiet auf der anderen Seite entgegenwirken. «Gerade auch im Bezug auf den neuen Finanzausgleich müssen wir aufzeigen, dass sich unser Land nicht einfach in eine rentable und unrentable Schweiz teilen lässt», erklärt Engler voller Verve. Graubünden dürfe deshalb in Bern durchaus auch selbstbewusst auftreten und stolz darauf verweisen, dass unser Kanton die Schweiz reicher mache.

Mehr als nur Regionalpolitiker

Dann möchte er aber doch noch festgehalten haben – «damit kein falscher Eindruck entsteht» – dass er mit der Ambition nach Bern reise, mehr als nur ein Regionalpolitiker zu sein. «Mein Ziel ist es, auch ausserhalb der Kantonsgrenzen wahrgenommen zu werden.» Zwar habe er gewiss nicht den Anspruch, ein nationaler Medienstar zu werden. Nicht mit markigen Worten, sondern mit harter Arbeit möchte der Suraver sich den Respekt der Schweiz – im wahrsten Sinne des Wortes – erarbeiten.

Gelegenheit dazu wird er schon sehr bald haben, wenn am 14. Dezember die Bundesratswahlen anstehen. Und auch wenn ihm die herrschende Hysterie rund um die Wahlen ganz offenkundig missfällt, so blitzt doch zum ersten Mal im Gespräch eine fast schon kindliche Vorfreude auf. Nur für einen kurzen Augenblick. Aber immerhin. Dann aber spricht sogleich wieder der Staatsmann aus Engler. «Als Parlamentarier stehen wir in der Pflicht, die bestmöglichen Voraussetzungen dafür zu schaffen, dass es dem Land gut geht.» Dazu gehöre auch, die bestmöglichsten Leute in den Bundesrat zu wählen. «Und zu diesen gehört die amtierende Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf». Damit hat er auch die Gretchenfrage beantwortet: «Ja, ich werde Eveline Widmer-Schlumpf wiederwählen.» Mittelfristig aber werde wieder ein Konkordanzmodell greifen müssen.

Vorerst aber wird sich Engler noch durch die Aktenberge, die ihm die Parlamentsdienste geschickt haben, arbeiten müssen. Dennoch tritt er sein neues Amt «erwartungsfroh und offen» an. Und mit grossen Vorschusslorbeeren. Schliesslich hat ihn das Bündner Stimmvolk mit einem Glanzresultat von über 37 000 Stimmen in die «chambre de réflexion» gewählt. Doch der Gewählte räumt fast schon etwas verlegen ein: «Es wird nicht einfach werden, in der Bundespolitik Fuss zu fassen.» Niemand in Bern habe auf den Ständerat Stefan Engler gewartet. Allein die Arbeit scheint auf ihn zu warten. Vielleicht ja gar keine so schlechte Ausgangslage.

Am 5. Dezember starten sechs neue Bündner Abgeordnete ihre Karriere als Stände- oder Nationalrat. Das «Bündner Tagblatt» blickt mit ihnen in einer Serie nach Bern. Heute erscheint der erste Beitrag.

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