×

Schwesternschule Ilanz: Kritischer Nachruf

Der sachliche Artikel über das Schlussfest der Pflegefachschule in Ilanz orientiert leider die Bevölkerung nicht über die Hintergründe und möglichen Folgen der Schliessung einer blühenden und bestens funktionierenden Ausbildungsstätte für Krankenschwestern.

Südostschweiz
24.09.10 - 02:00 Uhr
Zeitung

Zum Artikel «Ein Fest als Schwanengesang für die Pflegefachschule Ilanz» in der Ausgabe vom 13. September.

Es ist dringend notwendig, die Bevölkerung über die wahren Ursachen der Schliessung der Pflegefachschule aufzuklären und die politischen Fehlentscheide aufzuzeigen. Vor allem gilt es, die finanziellen Behauptungen klar darzulegen und die Ausbildungskosten pro Schüler heute und in den folgenden Jahren mit den Prognosen der Regierung zu vergleichen und die erzielten Einsparungen unverfälscht zu dokumentieren! Die angeblichen Sparmassnahmen müssten dem Volk mit Zahlen der jährlichen Ausbildungskosten pro diplomierte Schülerin bewiesen werden. Die Modetrends der Gegenwart, wie Superspezialisierung, Zentralisierung und grenzenloses Wachstum, mögen in Wirtschaft und Politik euphorisch klingen und ihre Aktionen die Politiker beflügeln, aber allzu oft ohne die Spätfolgen zu erwägen.In der Krankenpflege wird die Superspezialisierung nicht zu einer besseren Pflege führen, wenn die Arbeit durch die Fachkräfte an Hilfspersonal delegiert wird und die Aufgabe der Fachspezialisten in Rapporten und Organisation des Betriebs besteht! Es droht die Gefahr, dass die neue Schule für Pflege in Chur mangels Kandidaten bald redimensioniert werden muss. Die Spezialisierung und der Trend der Verlagerung in die Agglomerationen nimmt zu und die Kosten für das Lehrpersonal ebenfalls. Dann wird die heutige Bundesrätin Eveline Widmer-Schlumpf bei einer Verlagerung nach St. Gallen oder Zürich nicht nur rückblickend den Entscheid über die Ilanzer Schule bedauern.Die Ideale in der Krankenpflege können nicht mit dem Leistungssport verglichen werden! Hier gilt es, ausdauernd und gewissenhaft zu arbeiten, aber auch tüchtig, menschlich und bescheiden zu bleiben. Das Volk darf auch wissen, dass die Regierung bis 1975 an die Pflegeschulen überhaupt keine Kantonsbeiträge ausrichtete, im Gegensatz zu den eigenen Schulen, deren Defizite sie voll übernahm mit 12 000 Franken pro Schülerin.Da der Kanton keine Defizitbeiträge an die privaten Schulen leistete, entgingen diesen Institutionen auch die Bundesbeiträge von 1600 Franken pro Schüler, da diese Zahlungen an die Entrichtung öffentlicher Beiträge an das Defizit gekoppelt waren. Zudem überwachte die Regierung in eigener Kompetenz das Frauenspital und seine Schule, wählte die Betriebskommission in eigener Regie und ohne Reglement und kontrollierte sich selbst. Im Grunde genommen sollte der Grosse Rat als Vertreter des Volkes die Kontrolle über die Verwaltung ausüben. Nach Anfrage im Grossen Rat teilte der damalige Regierungsrat Kuoni mit, dass eine interne Kommission von vier Personen bestehe, wobei drei von ihnen der Regierung oder der Verwaltung angehören. So überwachte die Regierung in eigener Kompetenz den Betrieb des Spitals und der Schule und kontrollierte sich selbst.Sonderfall Graubünden! Wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch den nötigen Sachverstand. Ich war der Meinung, dass eine Totalrevision des damaligen Sanitätsgesetzes dringend notwendig sei und lancierte eine Motion für ein modernes Gesundheitsgesetz. Als Mitglied der Kommission durfte ich bei der Erarbeitung des Gesetzes als Grossrat mitwirken und hatte später mit den andern Ratskollegen die Freude, dass unser Werk in unserer schnelllebigen Zeit ein Vierteljahrhundert überdauerte und auch eine sehr gute Regelung für die gerechte Unterstützung aller Schulen im Kanton Graubünden garantierte.

Walter Schenker, ehemaliger Chefarzt Spital Ilanz, Ilanz

Kommentieren
Wir bitten um euer Verständnis, dass der Zugang zu den Kommentaren unseren Abonnenten vorbehalten ist. Registriere dich und erhalte Zugriff auf mehr Artikel oder erhalte unlimitierter Zugang zu allen Inhalten, indem du dich für eines unserer digitalen Abos entscheidest.
Mehr zu Zeitung MEHR