Raus aus dem Elfenbeinturm: von Amen bis Tohuwabohu
Das Medienprojekt «100 Sekunden Religion» der Theologischen Hochschule Chur wächst über seine Startphase hinaus. Das Ziel ist ein Hörlexikon zu Religion und Theologie.
Das Medienprojekt «100 Sekunden Religion» der Theologischen Hochschule Chur wächst über seine Startphase hinaus. Das Ziel ist ein Hörlexikon zu Religion und Theologie.
Sabine-Claudia Nold
Einen Begriff wissenschaftlich korrekt, verständlich und interessant in rund eineinhalb Minuten zu erklären, ist eine Herausforderung. Eine, der sich Studierende der Theologischen Hochschule Chur (THC) mit ihrem Professor für Religionspädagogik und Katechetik, Christian Cebulj, im vergangenen Semester gestellt haben. Das Ergebnis des einsemestrigen Projekts «100 Sekunden Religion» hat den Ehrgeiz der Mitarbeitenden geweckt: «Unser Ziel ist mittlerweile, ein Hörlexikon zu Fragen der Religion und Theologie auf die Beine zu stellen», schmunzelt Cebulj.
Der Ausgangsidee sei eine Portion Pragmatismus zugrunde gelegen, so der Professor, der auch an der Pädagogischen Hochschule Graubünden unterrichtet. «Der Wunsch eines Kooperationsprojekts zwischen der Hochschule für Technik und Wirtschaft (HTW) und der THC, die Suche nach Schnittstellen zwischen den beiden Institutionen sowie der Wunsch, die Medienkompetenz unserer Studierenden zu stärken, brachte uns auf die Idee dieses Projekts, das wir in enger Zusammenarbeit mit dem Medienexperten Thomas Weibel vom Institut für Multimedia Production der HTW verwirklichen konnten.» Die Studierenden hatten die Aufgabe, religiöse Stichwörter in 100 Sekunden pointiert zu präsentieren.
Reduzieren ohne banalisieren
«Die grösste Herausforderung war die Reduzierung auf das Wesentliche, ohne ins Banalisieren zu verfallen», erzählt Cebulj. Grossen Wert habe er auf eine theologische Qualitätskontrolle gelegt. «Bei den Erklärungen der Begriffe war es wichtig, wissenschaftlich korrekt zu bleiben. Auch der Predigtstil sollte möglichst aussen vor bleiben», erklärt er und fügt mit einem Augenzwinkern an: «Für angehende Prediger vielleicht eine besondere Herausforderung, die nicht immer ganz gemeistert wurde.»
Die Studierenden lernten, Texte als narrative Kurzformate schriftlich aufzubauen, diese anschliessend mit professioneller Technik aufzunehmen und auf gute Hörqualität zu bearbeitet und auszusteuern. «Von den sechs Personen, die am Projekt teilgenommen haben, befinden sich aktuell noch zwei an der THC», so Cebulj. Die vier anderen hätten sich aber bereit erklärt, das Projekt weiter zu begleiten. «Wir haben zu viele und zu wertvolle Kompetenzen erworben, um unser zartes Projekt-Pflänzlein jetzt einschlafen zu lassen», ist der Professor überzeugt.
Eine Torte mit vielen Stücken
Cebulj hofft, dass sich weitere Mitarbeitende finden lassen, gerade mit Blick auf ein breites Spektrum der Begriffe. Von verschiedenen Seiten hat er schon Zusagen erhalten. So wollen sich demnächst nicht nur Hochschulkolleginnen und –kollegen, sondern auch Schülerinnen und Schüler einer Gymnasialklasse im Fach Religion und Ethik am Projekt beteiligen. «Es wäre ideal, wenn unser Medienprojekt von einer Professoren-, einer Studierenden- und einer Schülergruppe unterstützt wird und so langsam Fortschritte macht»; so der Professor. «Jeder hat andere Fähigkeiten und Kompetenzen, jeder Bereich ist wie das Stück einer grossen Torte. Zusammen ergeben die verschiedenen Stücke ein rundes Ganzes.»
Vom Stichwort zur Erkenntnis
«Das Vorbild des Projekts war die Sendung ‘100 Sekunden Wissen’ auf SRF 2 Kultur», erzählt Cebulj. Die Hörbeiträge der THC, die gehört und gelesen werden können, sollen Wissen vermitteln und die Wissenschaft mit dem Alltag verknüpfen. «Am Anfang steht immer ein Stichwort, am Ende eine Erkenntnis.»
Wer forsche und lehre, dürfe das nicht zum Selbstzweck tun, ist Cebulj überzeugt. «Wir sollten uns bisweilen auch fragen, für wen wir das tun. Die Frage, wie das gelehrte und gelernte akademische Wissen einem breiten Publikum zugänglich gemacht werden kann, stellt sich ja immer wieder. Das Hörlexikon zu Religion und Theologie ist eine mögliche Antwort auf diese Frage – ganz unter dem Motto: ‘Raus aus dem Elfenbeinturm und rein in den Alltag’.»
Blick in die Zukunft
Das weitere Vorgehen zur Entstehung des Hörlexikons ist noch nicht fix festgelegt. «Monatlich soll mindestens ein weiteres Stichwort hinzukommen, damit aus «100 Sekunden Religion» auch wirklich allmählich ein Hörlexikon wird», erklärt Cebulj. Vermutlich werde das einsemestrige Projekt in mittelfristiger Zukunft nochmals angeboten. Die bisherigen Stichwörter in «100 Sekunden Religion» sind: Amen, Apologet, Exorzist, Franziskus, Gretchenfrage, Ikone, Gottesbeziehung, Höllenfahrt, Katholische Kirche, Nestorius und Tohuwabohu.
«100 Sekunden Religion» ist zu hören und zu lesen unter: http://wp.thchur.ch.