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Privatpersonen sollen mitüberwachen

Mit einem revidierten Bundesgesetz will der Bundesrat die Überwachung zur Aufklärung von Straftaten dem technischen Fortschritt anpassen. Dies hat aber allerdings auch zur Folge, dass Privatpersonen Daten aushändigen müssen.

Südostschweiz
28.02.13 - 01:00 Uhr

Von Rinaldo Tibolla

Bern. – Gegen das organisierte Verbrechen, den Drogenhandel, Terrorismus oder die Kinderpornografie will der Bundesrat auch in der digitalen Welt vorgehen. Ermittler sollen zur Aufklärung von Straftaten Computer mit sogenannten Staatstrojanern infiltrieren dürfen, um Internet-Telefonie und E-Mail-Verkehr zu überwachen. Dies soll mit der Revision des Bundesgesetzes betreffend die Überwachung des Post- und Fernmeldeverkehrs (Büpf) geregelt werden, erklärte Justizministerin Simonetta Sommaruga gestern vor den Medien. «Wir dürfen bestimmte Kommuniktionskänale nicht einfach den Kriminellen überlassen», sagte sie. Diese könnten mit einfachen Mitteln die Internet-Telefonie und E-Mails verschlüsseln, weshalb der Bund den Einsatz von Staatstrojanern explizit erlauben möchte.

Keine Festplattendurchsuchungen

Drei Voraussetzungen sollen für die Überwachung im Fernmeldewesen generall gelten. Sie darf nur im Rahmen eines Strafverfahrens, nur bei schweren Delikten und nur nach der Genehmigung eines Gerichts durchgeführt werden. Trojaner sollen nur zum Einsatz kommen, wenn es sich um eine besonders schwere Straftat handelt. Nicht alle technischen Möglichkeiten dieser Programm dürfen jedoch benutzt werden. Es ist verboten, die Festplatte eines Computers zu durchsuchen oder eine Webcam zur Raumüberwachung zu benutzen. «Klare Schranken in diesem sensiblen Bereich sind von zentraler Bedeutung, wenn der Staat in die Privatsphäre eindringt», sagte Sommaruga.

Privatpersonen bezieht der Bundesrat neu über die ausgeweitete Mitwirkungspflicht ein. Bisher waren die Post, Telekomanbieter und Internet-Anbieter inklusive Provider, E-Mail-Anbieter und Firmen, die Internet für ihre Mitarbeiter zur Verfügung stellen, betroffen. «Neu vom Gesetz erfasst sind Personen, die ihren Zugang zu einem öffentlichen Fernmeldenetz Dritten zur Verfügung stellen», sagte gestern Patrick Rohner vom Bundesamt für Justiz gegenüber der «Südostschweiz». Das könnten Spitäler, Schulen, Hotels, Cafés oder auch eine Privatperson sein. Diese müssten laut Rohner eine Überwachung dulden und die Daten, die sie zur Verfügung haben, der Polizei oder der Staatsanwaltschaft liefern. Nicht verpflichtet dazu wären sie, die Daten zu speichern – im Gegensatz zu den Telefon und Internet-Anbietern. Auch müssen diese Gruppe keine Echtheitüberwachung durchführen.

Der Bundesrat will zudem die Aufbewahrungsfrist für die sogenannten Randdaten von sechs auf zwölf Monaten verlängern. Randdaten geben Auskunft, wer mit wem wann und wie lange telefoniert hat. Oft dauere es länger als sechs Monate, bis die Strafverfolgungsbehörden genügend Anhaltspunkte haben, eine Überwachung anordnen könnten, begründete Sommaruga den Entscheid.

Notsuche über Handygespräche

Wenn nach einer vermissten Person gesucht wird, soll – wie bereits heute möglich – im Notfall auch weiterhin mit Telefon-, Post- und E-Mail-Überwachungen gearbeitet werden. Hinzu kommt aber, dass beispielsweise auch Handygespräche für die Ermittlungen abgehört werden dürfen. «Bei der Notsuche können nun auch die Inhalte der Daten – also etwa Gespräche – verwendet werden», bestätigt Rohner. Denn diese Daten könnten auch interessante und wichtige Details für die Ermittler liefern. Bei flüchtigen Verurteilten soll dieses System auch möglich sein. Wie bei der Überwachung zur Aufklärung von Straftaten bedarf es laut Rohner auch in diesen Fällen einer Genehmigung eines Richters (siehe Box).

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